Ronnie Atkins
"Musik ist meine Therapie."
Interview
In pandemischen Zeiten ist es schwer geworden, Interviews in Person durchzuführen. Viele Dinge, die vorher mit schönen, persönlichen Erlebnissen verbunden waren, fanden auf einmal nur noch online statt. Umso schöner war es, dass wir RONNIE ATKINS am Releasetag seines zweiten Albums „Make It Count“ im Media Markt in Stuhr bei Bremen treffen durften, wo er vorher eine Autogrammstunde abhielt. Der Sänger beantwortete uns ausführlich alle Fragen zu seinem neuen Album, den PRETTY MAIDS und seinem Gesundheitszustand.
Hallo Ronnie, wie war die Autogrammstunde? Hast du einige Fans getroffen?
Es war großartig, es war mein erstes Treffen mit den Fans in den letzten Jahren. Ich präferiere so etwas ja eher von der Bühne aus, aber es war eine gute Erfahrung. Es sind auch viele Leute gekommen.
Ich hoffe auch, dass es bald auf der Bühne klappt. Ist denn etwas in die Richtung geplant?
Wir werden in Skandinavien starten, weil dort schon seit einiger Zeit alle Restriktionen aufgehoben sind. Es war seltsam für mich, hierher zu kommen, auf einmal musste ich beim Frühstück wieder Maske am Buffet tragen und Einmalhandschuhe benutzen, das bin ich gar nicht mehr gewöhnt. Es ist aber großartig, wieder in Deutschland zu sein, das erste Mal seit drei Jahren. Ich treffe viele Leute, die ich lange nicht mehr gesehen habe.
Die Fans zu treffen wird auch toll. Ich bin ja viel mit ihnen über Social Media in Kontakt, wo sie mir wirklich viele, liebevolle, nette Nachrichten geschickt haben und ich erkenne jetzt einige von ihnen in Person wieder. Das ist toll, ein Gesicht zu den Leuten zu bekommen.
Hast du schon Reaktionen auf dein neues Album bekommen?
Ich bin überwältigt von den Reaktionen, sie waren genau so toll wie beim ersten Album. Ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte, da ich ja nun alleine unterwegs bin. Du kannst nichts auf andere schieben. Die meisten Reviews sind aber sehr positiv und dafür bin ich sehr dankbar.
Das neue Album klingt sehr divers, es vereint viele verschiedene Stile. Von melodischem Hard Rock über Power Metal bis zu fast poppigen Klängen ist alles dabei.
Du musst nicht „poppig“ sagen, es ist Pop mit dabei. Was ich jetzt als Solokünstler mache ist, dass ich jedes Stück um eine gute Melodie herum aufbaue. Wie ich es schon eine Million Mal gesagt habe, ein Song, der sich auf Akustikgitarre gut anhört oder auf einem Klavier, muss ein guter Song sein. Von da aus kannst du dann gucken, wie er sich entwickelt. Diese Melodien zu finden, das war schon seit PRETTY MAIDS immer mein Job. Und für mich gilt jetzt, dass nichts zu poppig ist.
Beim Titelsong „Make It Count“ haben mein Produzent Chris Laney und ich überlegt, in welche Richtung er gehen soll und es kam diese ABBA-mäßige Stimmung dabei heraus. Wie gesagt, es gibt also keine Grenzen für mich. Das bezieht sich auch auf die Texte. Viele Texte sind sehr persönlich geworden, was natürlich auch der Situation geschuldet ist, in der ich seit den letzten 2,5 Jahren bin. In einer Band könnte ich das nicht tun, aber jetzt repräsentiere ich nur mich und keine Band, also geht das. Nichts ist unmöglich, zu poppig oder was auch immer.
Ich habe aber von Anfang an gesagt, dass ich etwas machen wollte, das für mein Publikum hörbar ist, für die Leute, die die letzten 40 Jahre mich bei PRETTY MAIDS unterstützt haben. Und die Musiker, mit denen ich zusammenarbeite, geben bei der Arbeit immer 200%, dafür bin ich sehr dankbar.
Das habe ich mir auch gedacht, das Album beinhaltet genremäßig nichts wirklich Neues, aber es fühlt sich sehr echt, sehr organisch an. Wie hast du denn die Musiker ausgesucht, die auf dem Album spielen?
Das sind alles Leute, die Chris kennt. Wenn wir das erste Album gemacht haben, habe ich ihn gefragt, ob ich meine Kontakte nutzen soll, wie zum Beispiel all meine Freunde von AVANTASIA. Bei AVANTASIA sind wir wie eine große Familie, viele Sänger, viele Egos, aber kein Bullshit. Aber Chris sagte, er möchte mit Leuten zusammenarbeiten, mit denen er schon gearbeitet hat. Er hat dieses Projekt, AT THE MOVIES, und das sind letztlich die Leute, die wir benutzt haben. Ich habe Oliver Hartmann mitgebracht, einen guten Freund von mir. Es sind mehr oder weniger ein Haufen Leute, die ich nie getroffen habe vorher.
Die Grundbesetzung sind aber Chris, ich, Morten Sandager (Keyboards) und Allan Sørensen (Schlagzeug). Aber es war also nicht so, dass ich sozusagen die Leute handverlesen habe. Es war mehr Chris, der damals für AT THE MOVIES auf mich zukam und das war in einer Zeit, wo ich drei Monate so gut wie gar nicht singen konnte. Er wollte, das ich für sie „We Don’t Need Another Hero“ einsinge. Ich habe ihm gesagt, dass wir es probieren können, aber wenn die hohen Töne nichts werden, müssten die von Björn Strid übernommen werden. Aber es funktionierte in zwei Takes und das hat mir gezeigt, dass ich zwar in einer beschissenen Situation bin, aber immer noch singen kann und viele Ideen habe.
Chris hat also vorgeschlagen, dass wir einfach die Leute von AT THE MOVIES nehmen. Klar, manche Leute kannte ich, wie Pontus Norgren von HAMMERFALL, aber andere wie Björn kannte ich vorher nicht, also eigentlich schon, wir haben ja mal mit SOILWORK getourt, aber ich konnte mich nicht erinnern.
Du sagst im Promotext, dass deine gesundheitliche Situation deine Art, Texte zu schreiben verändert. Inwiefern?
Der Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Album ist, dass ich beim Schreiben des ersten Albums gerade auf dem Stand war, dass mir gesagt wurde, der Lungenkrebs sei weg und ich geheilt. Aber ich weiß, weil meine Mutter an dem selben Mist gestorben ist, dass du nie wirklich sicher bist. Und sechs Wochen später hat es dann in meine Knochen gestreut. Aber es ruht gerade, weißt du. Ich hatte Immuntherapie und zur Zeit fühle ich mich echt gut. Die letzten Scans waren ebenfalls gut, sonst wäre ich nicht hier.
Klar, es hat meine Texte beeinflusst. Auf dem ersten Album war ich noch in Schock und psychisch an einem schlechten Ort. Wir haben beide Alben so aufgenommen, dass es Demos für alle Vocals gab für den Fall, dass ich sterben sollte. Das klingt jetzt wie eine Drama-Queen, aber es ist die Wahrheit. Meine Musiker sollten die Gelegenheit haben, es fertig zu stellen.
Für „Make It Count“ war es aber schon anders, ich habe mich an den Gedanken gewöhnt, soweit man das eben kann, mit der Krankheit zu leben. Es ist ein emotionales Album, ein reflektierendes Album. Ich sehe das Leben nun anders als noch vor drei Jahren. Ich habe den „Grim Reaper“ quasi schon gesehen. Wir denken normalerweise nicht ans Sterben und das ist auch gut so, aber wenn du eine lebensbedrohliche Krankheit hast, dann werden auf einmal ganz andere Sachen wichtig.
Ich möchte nichts den Leuten aufdrücken, „Make It Count“ sagt einfach das, was es soll. Nutze den Tag, es kann sich immer was ändern. Schaue dir jetzt den Krieg in der Ukraine an. Auf einmal passiert etwas in unserem Leben, was uns zeigt, dass wir sterblich sind. Und es gibt eben immer wieder Sachen, gegen die wir nichts tun können. In meiner Situation kommt es nun auf die höheren Mächte an. Ich versuche aber, positiv zu bleiben, was ich auch in meine Songs stecken möchte. Gib niemals auf!
Musik ist meine Therapie. Ich nutze sie zum Verarbeiten von Dingen. Ich habe versucht, mit einem Psychologen zu reden, aber das hat nicht funktioniert. Musik ist das, was mich am Laufen hält.
Dann hoffen wir, dass wir bald eine Therapiesitzung auf der Bühne abhalten können.
Das ist mein nächstes Ziel. Ich merke natürlich meine Veränderung, sie haben 20% meiner Lunge entnommen und es wird auf der Bühne anders sein. Ich muss mich zurückhalten und neu lernen, wie man gewisse Dinge auf der Bühne macht. Mein Geist ist immer noch 17, aber mein Körper ist auf einmal 70. Ich bin 57, aber ich fühle mich wie 70. Ergibt das Sinn? Weiß ich nicht, aber ich bin einfach steifer und so. Aber das ist passiert, ich will auf jeden Fall auf die Bühne, auch wenn es im Rollstuhl sein muss!
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Stile | Hard Rock, Melodic Rock |
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