Long Distance Calling
Interview mit Gitarrist Flo zu "Long Distance Calling"

Interview

Die Band sieht ihr drittes und selbstbetiteltes Album als das bisher wichtigste ihrer Karriere an. Vermutlich ist es das auch, denn sonst hätten sich LONG DISTANCE CALLING nicht so sehr ins Zeug gelegt und ihr eindeutig bestes Werk abgeliefert. Die Gelegenheit durfte also nicht verpasst werden, ein paar Fragen an die Band zu richten. Gitarrist Flo erzählte über die Verknüpfung zwischen dem neuen Album und dem Weltraum, sprach von kernigen Riffs und über die Zusammenarbeit mit John Bush.

Long Distance Calling

Zunächst mal ein erfreuliches „Hallo“, nicht nur zur Begrüßung, sondern auch zum neuen, dritten, selbstbetitelten Album. Ich gestehe, nichts anderes als ein tolles musikalisches Konzept erwartet zu haben, „Long Distance Calling“ übertrifft diese jedoch noch, da ihr offenbar etwas anders an die Stücke herangegangen seid. Höre ich da etwa mehr direktes Songwriting? Ich meine… das Gitarren-Riff ist präsenter denn je und die Stücke sind auch kerniger und knackiger habe ich das Gefühl. Steht euch verdammt gut zu Gesicht! War das Absicht oder ist das einfach der natürliche Fluss der Dinge bei euch?

Erstmal Hallo und vielen Dank für das Lob. Du hast Recht, wenn du sagst, dass auf „Long Distance Calling“ das Gitarren–Riff etwas mehr im Vordergrund steht. Allerdings ist das eher zufällig passiert, weil der Songwriting Prozess bis auf ein paar Ausnahmen nicht großartig anders verlief als bei den Platten davor. Wir haben immer noch den Großteil des Materials zusammen im Proberaum durch jammen entwickelt. Wir haben aber schon früh gemerkt, dass die Platte deutlich rifforientierter werden würde, als bisher. Wir hatten diesmal einfach Bock stellenweise ein bisschen mehr Gas zu geben. Ich bin sowieso ein großer Freund des fetten Riffs an sich und finde das dies in der musikalischen Sparte, in der wir uns bewegen, oft etwas vernachlässigt wird. Das erklärt vielleicht auch, dass die Platte insgesamt etwas straighter geworden ist.

Hattet ihr im Vorfeld „Avoid The Light“ als Kontrast betrachtet und euch gesagt: „Das nächste Mal noch etwas anders“?

Wenn es um unsere Musik geht, planen wir eigentlich nichts im Vorfeld. Wir fangen einfach irgendwann an, neue Songs zu schreiben und gucken was passiert. Ich denke, wenn man zu sehr plant, wie eine Platte zu klingen hat, limitiert man sich als Band selber. Man verschlisst sich ja im Prinzip schon direkt vor einigen möglicherweise nicht ganz typischen Ideen, was ich persönlich sehr schade fände.

An dieser Stelle ein kurzes Resümee bezüglich „Avoid The Light“ bitte… Ist es aus heutiger Sicht immer noch das, was ihr wolltet? Ich meine, die Scheibe ist total stark, die neue toppt es aber tatsächlich noch einmal…

Ich bin immer noch mit „Avoid The Light“ zufrieden. Natürlich findet man im Nachhinein immer ein paar Sachen, die man vielleicht anders hätte machen können, aber das ist ganz normal würde ich sagen. Die Platte hat uns echt viele Türen geöffnet, womit wir so natürlich auch nicht rechnen konnten. „Avoight The Light“ war schon ein bisschen anders, ein bisschen rockiger als „Satellite Bay“ und somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu der neuen Platte. Diesmal haben wir es geschafft, alle unsere Einflüsse auf einer Platte zu vereinen und wie ich finde unsere Stärken zu bündeln.

Mir gefällt gerade der Gedanke eure Werke gegenüberzustellen… Wenn ich an „Satellite Bay“ denke (übrigens auch ein absolut fantastisches Album) und dann direkt „Long Distance Calling“ daneben stelle, kann wirklich niemand behaupten, ihr würdet auf der Stelle treten… und dennoch hört man immer LONG DISTANCE CALLING! Siehst du das ähnlich oder differenzierst du noch mehr zwischen euren Werken?

Ich finde das immer irgendwie blöd, wenn Bands auf jeden Album gleich klingen und man kaum eine Entwicklung hört. Die einzige Band bei der das funktioniert sind IRON MAIDEN, haha. Man muss sich ja als Band auch selber ausprobieren, sonst wird Musikmachen auch schnell langweilig, denn man entwickelt sich ja automatisch weiter und sollte das auch nutzen. Ich finde, wenn eine Band mit vollem Herzblut bei der Sache ist und offen für neues ist, hört man den Musikern den Spaß an.

Natürlich ist der Einsatz von John Bush etwas Besonderes. Wie auch Schon der von Peter Dolving und Jonas Renkse. Wie um Himmels Willen seid ihr an John rangekommen und wie kam es dazu, dass er auf „Middleville“ singt?

Wir hatten eine persönliche Liste mit Wunschkandidaten, auf der auch John stand. Wir mochten seine Stimme schon immer sehr und glücklicherweise konnten wir den Kontakt zu ihm herstellen. Wir haben ihn dann einfach ganz stumpf gefragt, ob er Lust hätte sich unseren Kram mal anzuhören, weil wir ihn gerne als Gastsänger hätten. Geilerweise haben ihm unsere Songs wirklich gefallen und er hat sich direkt bereit erklärt, bei einem Song die Vocals beizusteuern. Den Song haben wir dann in ziemlich kurzer Zeit geschrieben, im Proberaum in Demo-Qualität aufgenommen und ihn John zukommen lassen. Das fertige Ergebnis haben wir dann auch erst im Studio zu hören bekommen und waren einfach nur begeistert. Das lief alles so unkompliziert und easy ab, wir konnten es kaum glauben.

Ich finde die Idee sehr gelungen, jeweils ein Stück mit Gesang auf ein Album zu packen. Was war damals die Aus-, bzw. Eingangsidee? Ich meine, ihr werdet überall stets mit den Worten „unsere Musik braucht keinen Gesang“ zitiert… Warum aber brauchen gerade diese Songs, speziell aktuell „Middleville“ Gesang?

Die Geschichte mit Peter Dolving auf „Satellite Bay“ ist ziemlich spontan entstanden, denn der Song war instrumental schon fertig und gar nicht als Vocaltrack geplant, als wir die Gelegenheit hatten mit Peter zu arbeiten. Irgendwie scheint sich das mittlerweile bei uns eingebürgert zu haben, auf jedem Album mit einem Gastsänger zu arbeiten, haha. Wir finden es aber auch ziemlich interessant mit fremden Sängern zu arbeiten, da wir uns ja immer der Stimme und dem Stil der jeweiligen Person anpassen müssen und so auch mal was Neues probieren können. Es ist wirklich immer sehr spannend zu hören wie es letztendlich klingt.

Hat John selbst den Text verfasst? Worum geht es darin?

Ja, der Text ist von John und es geht um den Ort „Middleville“, also quasi eine absolute Durchschnittsstadt in der nichts ist oder passiert, was groß aus dem Rahmen bricht oder außergewöhnliche Wichtigkeit besitzt. Da wir uns auf dem Album im Großen und Ganzen mit dem Thema Weltraum beschäftigen, passt das sehr gut zu der Theorie, dass wir alle nur ein kleiner unbedeutender Fleck im Universum sind.

Mir fällt grad auf, dass alle „eure“ Sänger aus dem Metal-Bereich kommen… Hat das einen bestimmten Grund?

Nun, wir haben alle einen Metalbackround und wurden dadurch natürlich nachhaltig geprägt. Auch wenn wir alle mittlerweile einen sehr weit gefächerten Musikgeschmack haben, lässt einen das natürlich irgendwie nicht los, haha. Das jetzt aber alle drei Sänger aus dem Metal-Bereich kommen war nicht geplant und hat sich irgendwie ergeben. Es kann also sein, dass wir beim nächsten Mal mit jemanden aus einem komplett anderen Bereich um die Ecke kommen. Wir lassen uns da selber gerne überraschen.

…Ohnehin ist es so, dass viele Metaller eure Musik hören und mögen und nicht nur eingefleischte Instrumental- und Post-Rock-Fanatiker eure Scheiben rotieren lassen. Hast du eine Idee, warum das so ist?

Das könnte in der Tat wirklich an dem Fakt liegen, dass wir keinen Sänger haben, der uns zu sehr in eine bestimmte Richtung drückt. Hätten wir einen Sänger mit einer eher femininen Stimme, fänden uns die Metaller vermutlich Scheiße, hätten wie einen Schreihals am Mikro wär’s für andere wieder zu hart. Außerdem können wir so einfach alles was wir geil finden in unsere Songs einbauen und jeder Hörer kann für sich Elemente, die ihm gefallen, finden.

Apropos Post-Rock… Wenn ich diverse Interviews mit euch lese habe ich den Eindruck, dass ihr euch gerne dagegen wehrt, mit in diese Ecke gestellt zu werden… warum eigentlich? Post-Rock ist doch ein aufregendes Genre mit noch vielen offenen Möglichkeiten… Also, meiner Meinung nach könnt ihr euch von diesem durchaus positiven Stempel nicht ganz lossagen…

Ja, das mag sein. Wir bezeichnen uns selber wirklich lieber als Instrumental Rock, weil das, wie wir finden, besser passt. Ich glaube, dieser rockige Faktor ist es, der uns nicht zu einer typischen Post-Rock Band macht. Oft wird da eben nur auf atmosphärische Elemente gebaut, dabei bleibt der Dreck und der Schweiß häufig auf der Strecke. Wir sind dazu auch alles andere als eine in sich gekehrte Band, wie man das sonst oft in dem Bereich findet. Ich habe aber natürlich kein Problem damit, wenn uns jemand als Post-Rock bezeichnet, wenn er sich so für sich persönlich ein besseres Bild von unserer Musik machen kann oder es besser einordnen kann. Irgendwo muss man ja wohl eine Genregrenze ziehen.

Ihr selbst hört kaum instrumentale Musik? Was rotiert denn bei euch im Player. Gibt es da Gemeinsamkeiten innerhalb der Band oder hört jeder was anderes?

Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten. Das fängt bei PINK FLOYD an und hört bei alten Metal- und Rock-Klassikern auf. Ich persönlich würde mich mittlerweile eher als Fan von Musik generell bezeichnen als von einer bestimmten Richtung, wobei ich natürlich handgemachte Mucke nach wie vor favorisiere. Reimut zum Beispiel hört mittlerweile viel elektronische Musik, was das Ganze einfach viel interessanter macht. Wenn wir im Bus unterwegs sind, läuft echt alles quer durch den Garten, meistens das was der Fahrer hören will, denn der muss sich ja am wohlsten fühlen – Zumindest solange bis jemand einschreitet und was anderes hören will. Da sind im Bus schon ziemlich schlimme musikalische Entgleisungen passiert…..

Welches Album oder welche Band hat dich denn zuletzt richtig beeindruckt?

Ich höre in letzter Zeit ständig die neue KARNIVOOL-Platte. Ich war bei denen auf der Show und das war echt krass – grandiose Liveband.

Long Distance Calling

Noch einmal zurück zu „Long Distance Calling“… Das Coverartwork stach mir sofort ins Auge. Es hat ein bisschen was psychedelisches, findest du nicht? So Drogen, fette Pfeifen und rollende Kaa-Augen…

MMhhhhh… ich hab keine Ahnung wovon du redest;)… Ne aber stimmt schon – irgendwie machen wir schon so’n bisschen Kiffermusik. Das Artwork sollte in erster Linie psychedelisch und spacig daher kommen und ich glaub das hat auch absolut geklappt. Das Artwork ist von Sebastian Jerke, einem sehr talentierten Menschen aus Münster. Wir haben ihm unsere konzeptuellen Ideen vorgetragen und er hat einfach mal losgelegt.
Schon die ersten Ideen und vor allem das Ergebnis sahen einfach unfassbar geil aus… der Junge ist da echt komplett steil gegangen.

…Übrigens fällt mir auf, dass bis auf „Avoid The Light“ alle eure Cover relativ Farbarm sind. Habt ihr etwa ein Faible für Schwarz/Weiß?

Nein, nicht unbedingt. Es muss halt einfach geil sein und zu Atmosphäre der Musik passen. Wir hatten bei der „Avoid The Light“ auch ein paar dunklere Entwürfe. Das es dann letztendlich rot wurde, hat einfach damit zu tun, dass das der Vorschlag war der allen ausnahmslos gefallen hat.
Dieses Mal passt das dunkle Cover ja auch sehr zum Konzept der Platte – im Weltraum ist es ja auch nicht ganz so farbenfroh.

Eure Musik ist dafür umso bunter…
Was das Visuelle angeht… Hattet ihr schon mal die Idee, zu euren Live-Auftritten einen entsprechenden visuellen Aspekt hinzuzufügen? Vielleicht mit Projektionen, Videos, etc…. oder möchtet ihr lieber ausschließlich die Musik sprechen lassen?

Ja, das haben wir sogar schon diverse Male gemacht. Ist leider nicht immer umsetzbar. Wenn wir die Möglichkeit haben, ist das natürlich immer noch ein kleines Special für unsere Shows. Es ist natürlich auch immer eine Herausforderung, ohne Hilfsmittel wie Visuals eine bestimmte Atmosphäre rüberzubringen.

Wird es eine Tour geben, die Deutschland größtenteils abdeckt?

Wir sind vom 18.2 bis zum 22.2 in Deutschland unterwegs. Direkt im Anschluss daran geht es über Frankreich nach England bis zum 3.3.
Wir werden aber im Mai und Juni eine weitere Tour mit einigen ausgewählten Deutschland-Shows spielen. Konzerttermine sind natürlich immer bei uns auf den Seiten nachzulesen.

Ich hoffe jedenfalls, euch einmal live sehen zu können, denn leider ist mir das bislang noch nicht gelungen. Ich wünsche euch viel Glück und dass ihr weiterhin so geile Musik rausbringt! Thumbs up!

Vielen Dank!!!

Galerie mit 34 Bildern: Long Distance Calling – 15 Years „Avoid The Light“ Anniversary Shows 2024 in Stuttgart
20.02.2011

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