Silent Skies
"Man kann seinen inneren Nerd nicht komplett abschalten."

Interview

Vor einigen Jahren als Nebenprojekt von EVERGREY-Sänger Tom Englund und Pianist Vikram Shankar gegründet, konnte das Schwedisch-US-Amerikanische Duo SILENT SKIES mit seinem Debüt-Album „Satellites“ bereits einen Achtungserfolg verbuchen. Für das Zweitwerk „Nectar“ kamen die beiden jetzt mit Napalm Records sogar bei einem großen Metal-Label unter, obwohl die Musik kaum weiter von Metal entfernt sein könnte. Warum das kein Widerspruch sein muss, wie die beiden beteiligten Musiker zusammenfanden und wie man über den großen Teich hinweg zusammen ein Album fertig stellt verrät uns Vikram im Interview.

Silent Skies Logo

Hi Vikram! Kannst Du Dich bitte zunächst einmal kurz vorstellen? Ich vermute, dass die meisten unserer Metal-affinen Leser zwar Tom kennen, aber eher nicht mit Deinem Hintergrund vertraut sind. Hast Du vor SILENT SKIES schon mit Metal-Musikern zusammengearbeitet?

Ja, ich bin quasi bereits seit zehn, fünfzehn Jahren im Bereich der Metal-Musik involviert. Ich hatte immer eine Leidenschaft dafür. Ich spiele Metal seit der High School, aber wenn Du darauf anspielst, was ich tatsächlich studiert habe, habe ich einen klassischen und Jazz-Hintergrund. Mein erster Kontakt damit, Metal auf einem hohen Level zu spielen kam durch meine Arbeit an Klavier-Coverversionen von Metal-Songs, die ich jetzt schon seit einer wirklich langen Zeit mache. Durch eines dieser Cover bin ich quasi mit Tom zusammengestoßen, der ein Video sah, dass ich von einem EVERGREY-Song gemacht hatte und er mochte wirklich, was ich da tat. Ich denke er verstand, dass ich den Song in einer tieferen Weise verstanden hatte, statt einfach nur die Melodien und Harmonien nachzuspielen. Ich denke es ist Teil meines Hintergrunds aus der klassischen Musik, dass ich an der Essenz eines Musikstücks interessiert bin und daran, was es bedeutet, diese Essenz eines Musikstücks zu nehmen, mit den Mitteln deines Gehirns, deines Herzens und deiner Finger zu spielen, um etwas zu erschaffen, das auf seinen eigenen Füßen stehen kann, statt sich an das Ausgangsmaterial zu klammern. Bei einem guten Cover ist es genau das, was du tust. Du nimmst die Komposition von jemand anderem und machst sie auf eine gewisse Weise zu deiner eigenen.

Ich denke Tom mochte, dass ich genau das getan hatte und kontaktierte mich schließlich, um SILENT SKIES zu starten. Das ist jetzt schon ungefähr fünf Jahre her – eigentlich sogar fast auf den Tag genau fünf Jahre. Durch Tom kam es dann auch, dass ich begann stärker auf einem professionellen Level im Bereich Metal zu arbeiten, da mich Tom Nick von REDEMPTION vorstellte (Nick van Dyk, Gitarre und Keyboard, Anmerk. d. Verf.). Ich stieg also letztlich zusammen mit Tom bei REDEMPTION ein. Seitdem mache ich deutlich mehr im Bereich Produktion, erledige aber auch Keyboard-Arbeit für Bands, kümmere mich um Orchestration und bin auch in Sachen Mixing tätig. Ich bin also zu jemandem geworden, der ziemlich viel in der Metal-Welt arbeitet, bin aber ein bisschen als Außenseiter dazu gestoßen, da ich als klassischer Musiker aufgewachsen bin. Gleichermaßen bin ich aber auch kein Außenseiter, da ich Metal schon mein ganzes Leben lang liebe.

Vielleicht ist es aber auch genau das. Ich würde sagen, dass die Mehrheit der Keyboarder, die in Metal-Bands spielen, sich das Instrument selbst beigebracht haben, wo Du einen ganz anderen Hintergrund mitbringst. Das ist vermutlich für viele Leute sehr interessant.

Ja, klar. Das ist quasi die Linse, durch die ich Musik sehe. Egal ob ich Progressive Metal oder klassisch inspirierte Ambient-Musik spiele, wie bei SILENT SKIES – oder sogar Jazz oder was auch immer. Das ist alles durch meine Erziehung gefiltert und die Jahre der Anleitung während meines Studiums. Obwohl ich nicht unbedingt an alles mit einer super nerdigen „Theorie zuerst“ Art und Weise des Musikmachens herangehe, ist das doch immer da. Man kann sozusagen seinen inneren Nerd nicht komplett abschalten. (lacht)

Gab es denn damals ein bestimmtes Konzept, wie SILENT SKIES klingen sollten, oder habt Ihr einfach gesagt: Lass uns was zusammen machen – wo auch immer uns das hinführt?

Wir hatten einen sehr allgemein gehaltenen Umriss davon, woran wir interessiert waren. Wir wussten, wir wollten von Piano und Gesang beeinflusste Musik machen, im Grunde filmische Musik mit Vocals. Das Problem war nur, dass wir fast zwei Jahre brauchten um für uns selbst herauszufinden, was es bedeutet klavierbasierte filmische Musik mit Gesang zu machen. Wir konnten nicht einfach auf YouTube oder Spotify gehen und sagen: „Hey, hör dir mal den Song von diesem Künstler den es schon gibt an. Lass und genau sowas machen.“ Einfach, weil es einige bedeutende Unterschiede zwischen vielen unserer Einflüsse gibt. Beispielsweise lieben wir Musik wie MAX RICHTER, ÓLAFUR ARNALDS und JÓHANN JÓHANNSSON. Das sind quasi Film- und TV-Komponisten, die auch gerne eher minimalistischen Ambient einsetzen, um sich zu artikulieren. Das ist aber Soundtrack-Musik und nicht wie ein Song strukturiert, es gibt keine Strophen, keinen Refrain und oft verwenden sie überhaupt keinen Gesang. Wir mussten also herausfinden, was es für uns bedeuten soll, Musik mit eher konventionellen Songstrukturen zu schreiben, die in weiten Teilen zugänglich sein soll, bei den Leuten direkt zündet, aber gleichzeitig auch den Geschmack der, nennen wir sie „skandinavischen Klassik“ haben sollte, von der wir inspiriert wurden. Wir wussten also grob, was wir erreichen wollten, brauchten aber zwei Jahre um für uns herauszufinden, was das eigentlich bedeutet.

Euer erstes Album „Satellites“ kam auf einem kleineren Label heraus. Wart Ihr überrascht, dass ein großes Metal-Label wie Napalm Records plötzlich Interesse an Eurer Musik zeigte, die tatsächlich ziemlich weit entfernt von Metal ist?

Auf eine gewisse Weise waren wir immer ein wenig überrascht von jedem Interesse, jeder Beteiligung von allen aus der Metal-Welt – egal ob es Fans, Leute aus dem Business, Label oder was auch immer waren. Gleichzeitig sind Tom und ich aber auch beide Metal-Fans, Metal-Musiker und lieben diese Musik einfach. Wenn wir also Metal-Künstler sind und diese Vorliebe für klassisches Ambient-Zeug haben, ist es durchaus vorstellbar, dass andere Metal-Musiker und -Fans dasselbe fühlen. Ich denke wir haben gezeigt, dass wir damit richtig lagen, denn als wir „Satellites“ veröffentlichten bekamen wir Feedback von vielen aus der Szene, die sagten, dass „Satellites“ eines ihrer Lieblingsalben des Jahres war. Wie Du gesagt hast, sind wir in vieler Hinsicht ziemlich weit von Metal entfernt, aber ich denke etwas, dass viele Fans aufgegriffen haben und das auch das Interesse von Napalm Records geweckt hat ist, dass wir zwar Musik machen, die nicht nach Metal klingt, aber so etwas wie eine verwandte Seele hat.

Silent Skies - Bandfoto 2022

Die Art und Weise wie ich Metal sehe ist, dass so gut wie alles aus diesem Bereich in irgend einer Weise nach dem Motto „Emotion zuerst“ erschaffen wurde. Egal ob es jetzt sehr wütend oder düster ist – vielleicht auch aufbauend und fröhlich, wenn es mehr in Richtung Power Metal geht. Metal trägt quasi sein Herz auf der Zunge. Ich denke viele Metal-Hörer werden darum musikalisch von Dingen angesprochen, die sehr emotional sind. Wir denken, aus diesem Grund hören viele Metal-Fans auch gerne klassische Musik. SILENT SKIES sind sehr sehr emotional, sehr düster und melancholisch. Also alles Elemente, die Metal-Fans grundsätzlich mögen. Wir haben nur keine verzerrten Gitarren, keine Kickdrums. Aber die Seele ist immer noch da, weshalb es auch eine gewisse Anziehungskraft für viele Metal-Fans gibt, die eine etwas andere Sichtweise auf die Emotionen, die sie gewohnt sind wenn sie Musik hören, zu schätzen wissen. Ich denke Napalm hat das verstanden, sie haben gesehen, dass es in der Metal-Welt einen Markt für das gibt, was wir machen. Außerdem sind wir ja auch nicht die erste Band auf dem Label, die nicht unbedingt traditionell Metal spielen. Sie haben quasi eine Geschichte, was diesen Crossover-Ansatz betrifft. Wir sind sehr dankbar mit ihnen zusammenarbeiten zu können, denn ich denke sie können uns zu neuen Höhen führen.

Wie schreibt Ihr eigentlich Eure Songs? Ist Tom für die Lyrics und Gesangsmelodien verantwortlich und Du kümmerst Dich um alles andere? Oder unterscheidet sich das von Song zu Song?

Auf der einen Seite macht es natürlich Sinn, dass derjenige, der sein Leben lang singt sich auf den Gesang konzentriert und derjenige, der sein Leben lang Klavier spielt, auf das Piano. Auf der anderen Seite sind wir aber auch beide gleichermaßen Produktions-Nerds, wir lieben Details und sind fast schon übertrieben davon besessen, jeden Song so gut zu machen, wie es nur irgendwie geht. Daher kreuzen sich unsere Bahnen ziemlich häufig, wenn es um das Songwriting oder die Aufnahmen geht. Ich meine, Tom ist ein großartiger Musiker und kommt auch ab und zu mit Piano-Lines an, die ich dann auf dem Album spiele. Obwohl, es gibt glaube ich sogar einen Klavier-Part auf dem Album, den er selbst eingespielt hat. Generell ist es aber meistens so, dass wenn er einen Klavier-Part schreibt, ich ihn spiele und praktisch zu meinem eigenen mache, wenn ich das tue. Er bringt also genau so Klavier-Ideen einen, wie ich Gesangsmelodien beisteuere. Das ist wohl deutlich gemeinschaftlicher als die Leute von uns erwarten würden.

In der Regel beginnen wir mit einer Art musikalischem Gerüst. Für mich sind es oft eineinhalb bis zwei Minuten Klaviermusik, eher spartanisch gehalten und ich versuche einfach eine Stimmung einzufangen. Oft spiele ich auch irgend eine Art von Melodie und sende sie dann an Tom. Meistens schicke ich sie dann abends und aufgrund des Zeitunterschieds zwischen den USA und Schweden hat er, wenn ich am nächsten Morgen aufwache schon ein paar Stunden gearbeitet. Er sagt also: „Hey, hier ist was ich heute Morgen gemacht habe.“ Oft nimmt er dann das, was ich für den Refrain gehalten habe und macht daraus das Intro oder aus dem, was ich für die Bridge hielt, macht er die Strophe. Aus diesen Einzelteilen beginnen wir einen Song zum Leben zu erwecken. Von da an ist es komplett gemeinschaftlich, wir sind beide von jedem winzigen Detail besessen. Manchmal vielleicht sogar ein bisschen zu stark. Aber das ist nun mal der Prozess, der detailverliebte Ergebnisse liefert.

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Quelle: Interview mit Vikram Shankar / Silent Skies
21.02.2022

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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