Venom Prison
"Habt keine zu festgefahrene Vorstellung davon, wie Erfolg aussehen muss."

Interview

Die Zeit im Gespräch mit Ash (Gitarrist) von VENOM PRISON war so lang und gut, dass eine ganze Menge Material entstanden ist. Deshalb wurde das Interview in zwei Teile aufgeteilt. Viel Spaß beim zweiten Teil, wo es unter anderem um Musikvergleiche, den chaotischen, aber effizienten Songwritingprozess und eine neue Idee von Erfolg geht. Den ersten Teil des Interviews zum neuen Album „Erebos“ findet ihr hier.

metal.de: Wenn du die Musik von VENOM PRISON jemand anderem beschreiben müsstest, vielleicht auch jemand, der nicht Metal hört, was wäre das mit wenigen Worten?

Ash: Uff… „Du könntest es hassen!“ (lacht). Ich weiß nicht wirklich, es ist sehr dynamisch, aber wie ich das präsentieren soll… es ist mit Sicherheit Metal. Es gibt eine Menge Energie, aber auch Groove. Es ist nicht nur diese eindimensionale Schiene, es gibt Überraschungen. Aber ich weiß nicht wie ich das beschreiben würde. Wahrscheinlich tatsächlich nur „Du könntest das hassen, es ist Metal. Aber probier mal.“

metal.de: Vielleicht um es ein wenig einfacher zu machen, was wäre deine Band als Getränk oder Essen?

Ash: Hm… ein Burrito? Die mag ich echt gerne und die haben viele verschiedene Dinge drin. Und so sehe ich auch VENOM PRISON. Wir haben viele verschiedene Dinge die unseren Sound ausmachen. Ich wollte eigentlich was lustigeres als einen Burrito nehmen, aber je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr Sinn ergibt der. Und jetzt bekomm ich Burritos auch erst mal nicht mehr aus meinem Kopf (lacht).

metal.de: Ich habe den Eindruck, dass das Momentum von „Erebos“ noch nicht das Ende der Fahnenstange für VENOM PRISON sein wird, dass ihr in Zukunft noch mehr experimentieren und euch diversifizieren werdet. Ist das etwas, wo du mitgehen würdest?

Ash: Ja, absolut. Bereits kurz nach der Fertigstellung von „Erebos“ waren wir schon wieder im Schreibmodus und kreativ. Wir haben uns gefragt, wohin wir diese Band in Zukunft noch führen wollen und ich denke, es wird genauso sein wie du gesagt hast, es ist nur eine logische Antwort. Dinge ändern sich, wir bekommen vielleicht neue Ideen, also ja, ich denke das ist eine faire Einschätzung.

metal.de: Was das Touren angeht, wenn es wieder möglich ist natürlich, gibt es spezielle Bands mit denen du noch touren möchtest?

Ash: Es gibt wahnsinnig viele Bands mit denen ich gerne touren würde. Es gibt auch viele tolle neue Bands, die sich super als gemeinsame Tour machen würden, egal ob das Death Metal oder Hardcore ist. Es ist so viel gutes Zeug da draussen. Ich denke VENOM PRISON mit DYING FETUS unterwegs, was danach direkt in eine Tour mit CULT OF LUNA übergeht wäre ziemlich cool. Hört sich erst mal komisch an, aber dieser Übergang als Erfahrung wäre sicherlich cool um zu schauen, wie das Publikum der jeweiligen Bands auf uns reagiert.

metal.de: Hattet ihr so etwas denn schon in der Vergangenheit? Das Publikum, aber auch einfach die ganze Attitüde auf einer Hardcore- oder Metalshow sind ja schon ein wenig unterschiedlich voneinander. Habt ihr da auch schon schlechte Erfahrungen gemacht auf die ein oder andere Weise oder seid ihr bisher von jeglichem Publikum gut empfangen worden?

Ash: Wir haben sowohl das Outbreak-Fest gespielt in diesem Jahr, was mehr Richtung Hardcore geht, als auch Download, wo deine typische „Metal-Crowd“ ist und der Empfang war bei beiden sehr positiv. Aber es ist trotzdem unterschiedlich. Bei der Metal-Show hast du die Headbanger, Circle-Pits. Und ich liebe es, das zu sehen. Auf den Hardcore-Shows hast du vielleicht mehr Moshpits, eine andere Energie. Es sind beides sehr verschiedene Erfahrungen, aber ich mag beide.

metal.de: Hast du persönlich lieber die intime Wohnzimmer-Atmosphäre oder präferierst du das große Bühnen-Feeling bei Open-Airs?

Ash: Ich mag beide,  da sie dir einfach verschiedene Aspekte und Erfahrungen geben. Ich sprach vorhin schon einmal vom Damnation Fest, was in einer Universität stattfindet. Auch da gibt es eine große Bühne, aber die Umgebung ist einfach total anders und das ausverkauft, vollgepackt mit Menschen zu sehen ist schon ein Erlebnis. Und am nächsten Tag sind wir zu einem Kumpel in den Proberaum in Cardiff gefahren, wo seine Band gespielt hat und die Leute standen fast in den Musikern, es war eingequetscht wie in einer Sardinendose, Gitarrenverstärker und Schlagzeugständer ständig am umfallen und so. Beides total unterschiedliche Situationen, Umgebungen und Erfahrungen, aber beide sind so wichtig und erfüllend, aber einfach auf unterschiedliche Art und Weise.

metal.de: Ich habe mehr oder minder schon die Frage gestellt, aber die Art wie ihr Musik mit Artwork und Texten verbindet, wie geht ihr das an? Also wie geschieht die Verbindung aus einer Songidee mit dem passenden Titel und den Lyrics oder vielleicht auch Gesangseinsätzen? Wie wird das entschieden?

Ash: Bevor wir mit dem Songwriting überhaupt anfangen hat Larissa meistens schon sich ziemlich in Themen eingelesen, also neue Sagen aus der griechischen Mythologie und wir geben ihr die Zeit, sich vorzubereiten, bevor wir mit ersten Songideen auf sie zukommen. Wir geben ihr auch erste Ideen, also was für ein Feeling wir bei einem Song haben wollen, wie der grob strukturiert sein soll, wo vielleicht wir uns ihre Gesangsstellen vorgestellt haben, wo sie dann Einfluss drauf nehmen kann, so etwa bei „Pain Of Oizys“ geschehen. Aber ja, im Allgemeinen bereiten wir Demos vor, stellen die zur Diskussion in die Runde, hören die immer wieder und schauen uns dann die Lyrics an. Manchmal muss vielleicht eine Zeile wiederholt werden, da die Musik länger dauert oder Dinge herausgenommen werden, um die Rhythmik nicht kaputt zu machen oder so, aber meistens passt das. Bei diesem Album haben wir mehr als jemals zuvor Riffs eher länger gehalten, vor allem in den Refrains, um da die Lyrics haben zu können bzw. einfach den Refrain besser unterstützen zu können. Es ist viel hin und her bis wir alle wirklich damit zufrieden sind. Entweder kommt Larissa auf uns zu und sagt uns, dass wir den Song länger machen müssen an Stellen, damit die Lyrics hineinpassen oder ihr fällt nichts ein und die Lyrics sind zu kurz, so dass wir ihr Zeit zum weiteren Schreiben geben oder so.

Das ist vielleicht ein wenig chaotisch, da das kein abgeschlossener Prozess ist, aber Texte und Song können so gemeinsam auf demselben Level wachsen, wenn du verstehst was ich meine. Es ist kein linearer Prozess: Erst Songwriting fertig, dann kommen Lyrics, dann Artwork, es ist ein sehr miteinander verbundener Prozess, der uns glaube ich auch diese Konsistenz von der du sprachst in Musik, Artwork und Lyrics gibt. Selbst Eliran Kantor als Künstler für das Coverart ist in diesen Prozess mit eingebunden, er bekam neue Lyrics von uns oder neue Versionen von Songs, falls sich etwas geändert hat. Und ich glaube, dass der Prozess zu jeglicher Zeit so gekoppelt miteinander ist, macht das Endprodukt dann so konsistent.

metal.de: Ab welchem Zeitpunkt entscheidet ihr dann: Hier reicht es, das Ding ist fertig? Ich gehe davon aus, dass du  immer noch Hauptsongwriter bist, oder? Oder wird demokratisch bei euch abgestimmt?

Ash: Auf dem neuen Album lief es ein wenig anders ab. Früher war die Deadline ein paar Wochen vor dem Studiotermin, also Aufnehmen der Songs, so dass wir alle noch ein wenig Zeit zum Üben haben. Dieses Mal haben wir bis ins Studio beim Aufnehmen noch Dinge geändert, selbst noch neue Parts wurden im Studio geschrieben. Normalerweise gibt es immer Dinge die noch ein wenig editiert werden oder verbessert, aber dieses Mal hat etwa Scott Attkins bei manchen Parts seinen Senf dazugegeben und gesagt, er wüsste nicht so recht was wir mit gewissen Parts aussagen wollten. Also hab ich vorgeschlagen es zu entfernen. Oder Parts wurden länger gemacht. Es gab also nie dieses  Festhalten an Ideen von mir, wir haben bis zum allerletzten Zeitpunkt noch experimentiert mit Dingen. Die Master von „Erebos“ waren tatsächlich der finale Part. Während des Mixings hat Ben noch Parts eingeschickt oder MIDI-Stems von Songabschnitten, mit denen er nicht zufrieden war.

Es wurden also noch beim Mixen Dinge geändert oder neu geschrieben und dazugepackt. Also erst der finale Master war dann die finale Version von „Erebos“. Das wäre früher weniger denkbar gewesen. Wir haben dieses Mal mehr über alle Parts und ihre Funktion nachgedacht. Ideen waren nicht „heilig“, sie konnten immer noch entfernt oder verändert werden, wir haben bis zum letzten Punkt das Arbeiten an Dingen ausgereizt. Also ja, eine fehlende interne Deadline ist wahrscheinlich der Hauptunterschied. Wobei, das stimmt nicht ganz. Es gibt schon eine Studiodeadline. Du kannst nicht im Studio auftauchen und keine Songs parat haben (lacht). Es gab quasi eine Deadline genügend Songs zu haben um daraus ein Album zu bauen, aber keine Deadline in Bezug auf das Verändern der Songs.

metal.de: Daraus lese ich ein wenig im Unterton heraus, dass ihr dieses mal mehr Material als bei vorigen Alben hattet?

Ash: Oh ja, wir hatten viel mehr Songs geschrieben als bei älteren Alben. Es war am Anfang ziemlich kontinuierlich, wir haben Song nach Song geschrieben und später dann entschieden, welchen Weg wir auf dem Album gehen wollten. Manchmal ist es gut, am Songwritingprozess dranzubleiben und einfach schreiben, schreiben, schreiben. Bis man dann darin die guten Ideen findet und weiter damit weiter macht. Oft kommt dann Ben mit einem speziellen Part um die Ecke. Für dieses  Album war es „Judges Of The Underworld“, das war einer der ersten Songs, der für das neue Album geschrieben wurde. Dazu kamen dann später die cleanen Vocalparts, die Synthies und so weiter. Es gab eine Menge Songs, die wir vor diesem geschrieben hatten, aber er war der erste, bei dem wir entschieden, mit dieser Idee weiter zu machen.

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Quelle: Zoom Interview mit Ash Gray (VENOM PRISON)
18.02.2022

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