Every Time I Die - Radical

Review

Bei EVERY TIME I DIE griff der Schubladenaufkleber Metalcore eigentlich schon immer deutlich zu kurz. Zu groß der Hardcore-Anteil bei den New Yorkern, zu geschätzt die Anarchie und Kompromisslosigkeit. Hinzu kam ein gewisses Southern-Faible sowie das Quäntchen Selbstironie und Lockerheit, das schon KILLSWITCH ENGAGE trotz ihres musikalischen Hangs zum Pathos immer gut erträglich gemacht hat.

Ein intensiver Einstieg

Das neunte Studioalbum von EVERY TIME I DIE erscheint nun rund 20 Jahre nach dem ersten Lebenszeichen „Last Night In Town“ von 2001. „Radical“ geht es schon mit dem Artwork los, das in satten Neonfarben der 80er-Popkultur huldigt. Stichwort „Lockerheit“.

Und auch in der dritten Schaffensdekade lässt man sich musikalisch nicht plötzlich zum auf Ohrwurm getrimmten Refrain verführen. Im positivsten Sinne. „Radical“ ist für eine so etablierte Band in einem so überlaufenen Genre einfach radikal frisch.

„Spare only the ones I love – slay the rest!” Mit dieser Ansage steigen EVERY TIME I DIE in den brutalen Mathcore-Opener „Dark Distance“ ein. Direkt danach gibt es Hardcore mit leichten SYSTEM OF A DOWN-Vibes („Sly“) und der bereits erwähnten Southern-Schlagseite in bester CANCER BATS-Manier („Planet Shit“, „Post-Boredom“). Man weiß kaum, wie einem geschieht, da sind schon fünf Songs rum und „Colossal Wreck“ hat einen in höchst intensiven zweieinhalb Minuten an die Wand geklatscht.

EVERY TIME I DIE bleiben eine Klasse für sich

EVERY TIME I DIE legen ein beachtliches Tempo und eine beeindruckende Energie vor. „Radical“ steigt so mitreißend ein, dass man aufpassen muss, die spielerische Klasse und die zahlreichen Details im Songwriting nicht zu überhören. Neben disharmonisch krachenden Riffs und Grooves schleichen sich immer wieder progressiv-psychedelische Gesangslinien á la MASTODON ein, eine Cowbell hier, ein melodischer Singalong oder wahlweise ein übersteuerter und für sich stehender Schreiausbruch da. Eine ruhige Insel inmitten eines vor Ideen, Wut und Energie strotzenden Albums stellt indes das melancholische „Thing With Feathers“ dar. In beeindruckender Weise brechen EVERY TIME I DIE hier für dreieinhalb Minuten vollkommen schlüssig aus ihrer Raserei aus. Der Moment wird dadurch umso eindrücklicher.

Weiterhin gibt es spannend weitererzählten Stadion-Hard Rock („White Void“) und Thrash (Distress Rehearsal“), und – sei’s drum, selbst entdecken lohnt sich. Mit „Radical“ zementieren EVERY TIME I DIE ihren Status als eine der innovativsten und gleichzeitig qualitativ konstantesten Bands zwischen Hardcore und Metal. Dringende Hörempfehlung für alle, die sich dort auch nur irgendwie wohlfühlen.

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26.10.2021

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