Da haben SEPULTURA gerade ihre neu überarbeitete Werkschau “SepulQuarta” auf den Markt gebracht und schon steht die nächste Veröffentlichung ins Haus. Dieses Mal handelt es sich um ein Boxset mit den fünf ersten Alben der Derrik-Green-Ära, die man getrost auch als mittlere Schaffensperiode der Band bezeichnen kann. Insgesamt wurden alle Alben neu gemastert und auf halber Geschwindigkeit geschnitten, was insbesondere bei den Vinyl-Ultras auf Interesse stoßen wird.
Roots, Bloody Roots
Insgesamt hat man sich bei der Gestaltung der Box in erster Linie auf die Musik konzentriert, weshalb Devotionalien-Jäger nicht wirklich auf ihre Kosten kommen werden. Und so finden sich neben einem kleinen Inlay alle Alben in einem Gatefold-Cover auf schwarzem Vinyl. Ein echtes Sahnehäubchen bildet die Cover-EP “Revolusongs”, die auf den Seiten drei und vier von “Roorback” zu finden ist. Mit der Auswahl und Umsetzung der Songs haben SEPULTURA ein weiteres Mal bewiesen, dass sie keine jegliche Genre-Grenzen leichtfüßig überspringen können und firmieren dabei Künstler wie HELLHAMMER, DEVO, MASSIVE ATTACK oder EXODUS unter einem Hut. Insofern polarisierte die Band mit dem ersten Lebenszeichen zu der Kollektion, indem ausgerechnet der Videoclip zu “Black Steel In The Hour Of Darkness” aus dem Hause PUBLIC ENEMY aufgetaucht ist. Der fiebrige Song ist eine ordentliche Kopfnuss und gleichzeitiger Tiefschlag für Leute, die SEPULTURA lediglich mit “Schizophrenia”, “Beneath The Remains” und “Arise” in Verbindung bringen.
Und tatsächlich: Die Anspieltipps auf “Revolusongs” finden sich unter den weniger augenscheinlichen Heavy-Metal-Geschwistern und überwinden in Form von “Mountain Song” (JANES ADDICTION) und “Angel” (MASSIVE ATTACK) eine einst kaum zu erklimmende Mauer aus musikalischer Intoleranz.
Mit “Sepulnation” wird eine Wissenslücke geschlossen
Was alle Alben von 1998 bis 2009 gemeinsam haben, ist die, von Derrick Green ausgehende, rotzige Attitüde. Diesem Mann nimmt man seine Wut über politische Ungerechtigkeiten nicht minder ab, wie Max Cavalera während seines Vorsitzes bei NAILBOMB. Andreas Kisser hat sich speziell in dieser, auf vielen Ebenen schwierigen Phase der Band zu einem veritablen Gitarristen gemausert, der ohne die Schatten spendende Rhythmus-Gitarre Cavaleras durchaus in der Lage ist, super-tightes Palm-Muting und blitzschnelle, lupenreine Soli zu verwenden. Das hätte man zu “Morbid Visions”-Zeiten nicht für möglich gehalten.
Alle Zyniker, die seinerzeit mit “Chaos A.D.” und “Roots” die kleinen Twists und Turns innerhalb der Band und die wachsende Experimentierfreude der Musiker nicht kommen sahen und schon gar nicht akzeptieren wollten, haben nun die Gelegenheit, das Verpasste noch einmal aufzuarbeiten. Denn dafür eignet sich “Sepulnation” eigentlich am besten.
Ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte von SEPULTURA
Dem mittlerweile kaum zu bezahlenden Boxset mit den Alben aus der Roadrunner-Ära kann “Sepulnation” optisch gesehen durchaus das Wasser reichen. Inhaltlich verspricht das Durchören von “Against” über “Nation” bis hin zu “Roorback” viel Abwechslung. Auf “Dante XXI” widmen sich SEPULTURA dem apokalyptisch wie auch äußerst kryptisch geschriebenen Werk “Die Göttliche Komödie”, bevor Igor Cavalera den Schlagzeughocker und die Band verließ. “A-Lex” wiederum beschäftigt sich mit dem Film-Klassiker “A Clockwork Orange”, geht dabei aber weniger profan zu Werke wie Campino und seine Schwiegereltern-Punks von den DIE TOTEN HOSEN.
Der Hörgenuss ist in diesem Format auf jeweils 180g-Vinyl natürlich das Maß aller Dinge und macht das Boxset aufgrund des hohen Preises ausschließlich für Liebhaber und SEPULTURA-Vollprofis zum Pflichtkauf. Für Casual-Hörer:innen, die bereits im Besitz der genannten Platten sind oder die sich Musik ohnehin lieber im Autoradio reinschrauben, ist das Boxset allerdings verzichtbar. In diesem Fall hätten ein aussagekräftiges Booklet, ein paar Fotos aus dem Archiv und ein bisher unveröffentlichter Live-Mitschnitt den Gesamteindruck nicht unerheblich aufgewertet.
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