Back to normal oder alles anders?
Interview mit Max vom Colos-Saal, Aschaffenburg
Interview
Der Colos-Saal in Aschaffenburg sieht für den Re-Start eine große Hürde in den ständigen Verschiebungen und Absagen von Events. Für 2022 blickt Max skeptisch aber optimistisch nach vorne. Irgendwann werden sich die Dinge normalisieren und der Tourbetrieb wieder einsetzten, wenn es sich rechnet.
Werden Veranstalter von Livemusik-Events künftig gezwungen sein, die dauerhaft erhöhten Kosten für verschärfte Hygiene- und Sicherheitsvorgaben auf ihre Ticketpreise umzuschlagen?
Größere Investitionen in Hygiene und Sicherheit wurden in vielen Bundesländern dankenswerterweise staatlich bezuschusst. Das größte Kostenproblem vieler Clubs bleibt vorerst die beschränkte Kapazität. Auf lange Sicht hin hoffe ich, dass sich die Preisexplosion durch Corona eindämmen lässt. Hierbei sehe ich alle beteiligten der Branche in der Pflicht, da auch viele unserer Kunden finanzielle Einbußen hatten.
Werden bestimmte Praktiken und Erfahrungen aus der Pandemie uns weiterhin im Veranstaltungskontext begleiten? Könnten beispielsweise Impfnachweise, Symptomfreiheit und Quarantäneauflagen ein normaler Bestandteil des Konzerterlebnisses werden?
Der Impfnachweis kann uns durchaus noch längere Zeit begleiteten. Auch spätere, regionaler Begrenzte „Corona-Nachbeben“ können einige Maßnahmen plötzlich wieder relevant machen.
Einen positiven Effekt der Pandemie würde ich gerne erwähnen: Unsere Branchenverbände auf Bundesebene haben wirklich hervorragenden Arbeit in unserem Sinne geleistet und sind durch die von allen geteilte Krise sehr eng zusammengewachsen.
Wird sich der internationale Reiseverkehr jemals wieder auf einem vor-pandemischen Niveau einpendeln und zu welchem Preis? Wird die Live-Kultur nationaler bzw. kontinentaler werden?
Ich vermute, der internationale Tourbetrieb wird wieder einsetzen, sobald sich größere Tourneen wieder logistisch und finanziell bewältigen lassen.
Eingeschränkte Kapazitäten sind für jede Location ein Problem
Werden wir die generelle Idee von Massenveranstaltungen mit 10.000 und mehr Menschen künftig gesellschaftlich in Frage stellen? Können mittelgroße Locations mit einer kleineren Auslastung jemals eine ökonomisch sinnvolle Alternative sein?
Großveranstaltungen wird es früher oder später wieder geben, davon bin ich überzeugt. Eine eingeschränkte Kapazität ist für jede Location ein Problem.
Wird die Live-Kultur zum Luxusgut? Oder können gerade kleinere und nicht-kommerzielle Künstler und Veranstalter die Pandemie besser überstehen als große Umsatz-Maschinen?
Siehe Frage 1, ich hoffe, dass sich die Preisexplosion eingrenzen lässt. Es wird sicherlich Verlagerungen in der Branche geben, die kann ich aber kaum abschätzen.
Wird sich die Publikumszusammensetzung bei Festivals und Konzerten verändern? Welche Klientel kann und will die erhöhten Preise noch zahlen?
Allzu große Veränderungen in der Publikumsstruktur erwarte ich auf lange Sicht hin nicht.
Mangels Alternativen geht der Trend zu mehr Open Air Veranstaltungen
Geht der Trend zu mehr Open Air? Auch außerhalb der Sommersaison? Wäre es sinnvoll, den Betrieb in kleinen und schlecht durchlüfteten Venues entsprechend einzudämmen?
Im Moment in Mangel von Alternativen zum Open Air: Ja. Vermutlich wird sich dies auf lange Sicht aber auch wieder auf die warmen Monate zurückziehen.
Gibt es eine realistische Chance, dass wir 2022-2023 einen Live-Kultur-Betrieb wie vor 2020 werden erleben können?
2022 sehe ich noch skeptisch aber optimistisch, irgendwann wird sich aber vieles wieder normalisiert haben.
Ist eine parallele Nutzung des Clubs oder der Bar (zum Beispiel als Tagesstätte für Obdachlose) dauerhaft denkbar, um die Lokation ökonomisch betreiben zu können?
Eine Parallelnutzung ist für viele Clubs nicht möglich oder nicht wirtschaftlich. Für Läden, bei denen dies nicht zutrifft, könnte es eventuell eine Alternative sein.
Es gibt Clubs und Musiker, welche während der Pandemie in Richtung “Querdenker” unterwegs sind (Eric Clapton, Nena, Wendler). Wird zukünftig ein Auswahlverfahren bei den Konzerten stattfinden? Würdest Du zum Beispiel einem Xavier Naidoo eine Bühne zur Verfügung stellen?
Wir möchten den Nonsens, den Leute wie eure Beispiele verbreiten, keine Plattform bieten. Es ist allerdings ein schmaler Grad: Natürlich hat jeder das Recht, auf Fakten basierte Kritik an Coronapolitik zu äußern. Wenn es aber in unwissenschaftlichen, verschwörerischen, hetzerischen und gefährlichen Unfug abdriftet (wie bei euren Beispielen), müssen wir uns davon distanzieren.
Die größte Hürde wäre überwunden wenn die Shows nicht mehrmals verschoben werden oder ganz entfallen
Es ist zu vermuten, dass zunächst ein gewisser Mehraufwand entsteht bei ggf. geringerer Auslastung. Gibt es für derartige Szenarien bereits Konzepte? Wie sieht das mit dem Ticketing aus? Nur noch “named tickets” und wie erfolgt ggf. eine Rückabwicklung, wenn ein Besucher einen positiven Test erhält? Oder soll es nur noch Abendkasse geben?
Eine große Hürde ist schon überwunden, wenn nicht mehr jede Show mehrmals verschoben werden muss oder oft auch ganz entfällt. Hierbei fallen jedes mal Kosten an. Im Ticketing hat sich viel getan im letzten Jahr. Verknüpfung mit Testsystemen und auch neue Ticketingvarianten für Streaming wurden neu erschaffen.
Wir arbeiten seit vielen Jahren mit einem Reservierungssystem, klingt jetzt erstmal altmodisch, macht sich aber während der Pandemie durch seine Flexibilität sehr bewährt.
Wahrscheinlich werden die ersten Konzerte nicht mit einer 100% Auslastung der Lokation starten. Ab welcher prozentualen Kapazität lohnt sich die Wiederbelebung des Konzertbetriebs?
Das ist von Club zu Club unterschiedlich und kann je nach Kostenstruktur sehr variieren. Alternative Einnahmemethoden wie zum Beispiel paralleles Streaming oder auch Zuschüsse von Land oder Bund können aber helfen, auch mit kleinen Kapazitäten zumindest überleben zu können.
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