VREID tauchen mit ihrem neunten Album in eine düstere Welt ein, in der Realität und Fiktion verschmelzen. „Wild North West“ ist nur auf den ersten Blick eine folkloristische Hommage an die nordische Heimat der Band. Hinter den hohen Bergen und dichten Wäldern verbirgt sich eine sehr persönliche Beschäftigung mit der Bandhistorie und dem allgegenwärtigen Tod.
„Wild North West“ – zwischen Fiktion und Realität
„Wild North West“ ist ein Konzeptalbum, wie Bassist Hváll erklärt. „Es ist eine Geschichte über das Leben und dessen ewigen Schatten: den Tod. Sie entspinnt sich um den fiktionalen Charakter E, ist aber sicherlich auch von meinem Leben, der Geschichte der Band, historischen Ereignissen und vielen anderen Erzählungen inspiriert. Ob es eine wahre oder eine erfundene Geschichte ist? Beides, würde ich sagen, denn manchmal ist es schwer, die Unterschiede zu erkennen.“
Darüber, dass der Tod das sich selbst verzehrende Leben stets begleitet, haben VREID mit „Lifehunger“ bereits ein ganzes Album geschrieben. „Wild North West“ geht noch einen Schritt weiter und setzt jedem hoffnungsvollen Moment einen beklemmenden Endpunkt entgegen. Bereits im Opener wird klargestellt, dass der wilde Nordwesten nur ein Idealbild ist: „There is a real world / Then there is mine“. Die Aufbruchsstimmung am Ende des Liedes ist nur flüchtig und schnell aufgebraucht.
In den folgenden Songs kreieren VREID Szenarien bedrückender Ausweglosigkeit. Selbst die Ruhe ist stets trügerisch „Is this a safe haven / Where nightmares fall to sleep? / Or is this a living hell / Where demons reappear?“ wird sich im Song „Shadows Of Aurora“ gefragt. „Spikes of God“ schildert lähmende Ängste, aus „Dazed And Reduced“ spricht schließlich ausweglose Verzweiflung. Die Beispiele ließen sich für jeden Song fortführen.
VREID präsentieren keine Experimente, sondern deren Ergebnisse
Dennoch gibt es einen Kontrast, der sich allerdings nicht in den Texten findet. Die Musik ist kraftvoll und tröstend, anziehend und vielschichtig. War „Lifehunger“ als Album schon abwechslungsreich, ist auf „Wild North West“ die Ideendichte jedes einzelnen Songs enorm hoch. Dass das Album trotzdem nicht sperrig wirkt, ist nicht nur dem zurückhaltenden Sound zu verdanken, sondern auch den eingängigen Melodien, für die VREID schon immer ein Händchen hatten. Vom Stil her ist das Album weiterhin im melodischen Black Metal zu verorten, die klassischen Rock-Elemente werden im Vergleich zum Vorgänger aber noch weiter ausgebaut.
„Wild North West“ klingt sehr reif und durchdacht. Auf dem Album finden sich keine Experimente, sondern deren Ergebnisse. Das sorgfältige Songwriting sorgt für kurzweilige Unterhaltung, lädt aber auch zum Entdecken ein. Das eher platte Label „Black’n’Roll“, das man der Band früher verpasst hat, wird dem schon lange nicht mehr gerecht. Wer mit der Musik nicht genug zu tun hat, kann sich auch noch die DVD geben, in der es zu jedem Song ein eigenes Video zu sehen gibt. Diese liegt allerdings nur den limitierten Versionen des Albums bei.*
Erinnerungen an eine verlorene Heimat
VREID haben ihre Wurzeln in der Vorgängergruppe WINDIR nie geleugnet, aber stets versucht, sich von ihnen zu emanzipieren. Mit „Wild North West“ arbeitet die Band jedoch so offen wie nie ihre Vergangenheit auf. Bereits der Titelsong des 2013er-Albums „Welcome Farewell“ verdeutlichte, dass sich alles ändert und im Fluss ist. Mit dem neuen Album wird jedoch die Frage gestellt: Was hat sich verändert? Dazu wird unweigerlich ein Blick zurück geworfen, der offenbart, dass der Ursprung immer noch da, inzwischen aber ausgemergelt ist.
Im Rausschmeißer „Shadowlands“ bleiben von der Heimat schließlich nur bittere Erinnerungen übrig. Menschen haben die Natur zerstört, Freunde sind gestorben und der Tod regiert. Doch: „A life without shadows / Is a lifeless ride“, wird abschließend festgehalten. Trost kann es ohne Trauer nicht geben. Dieses Paradoxon wird im vorletzten Song „Into the Mountains“ spürbar, denn in diesem Track ist noch einmal jemand zu hören, dessen früher Tod VREID stets zu begleiten scheint. Keyboard-Aufnahmen von Valfar, dem WINDIR-Frontmann, der vor über sechzehn Jahren starb, sind zu hören. Den Rest des Songs hat Hváll geschrieben.
Man merkt es: VREID haben sowohl inhaltlich als auch musikalisch einiges zu sagen. „Wild North West“ lädt zu einer Entdeckungsreise ein, die trotz aller persönlicher Erinnerungen universelle Motive verarbeitet. Durch das abwechslungsreiche Songwriting ist das Album außerdem nicht nur für Black-Metal-Fans interessant, sondern genreübergreifend relevant. Wer auch immer sich auf den Trip einlässt, wird mit hochwertigen Songs belohnt. Die bitteren Antworten auf die ganz großen Fragen des Lebens kommen als Bonus mit dazu.
*Nachtrag: Der Film zum Album ist inzwischen auf dem Youtube-Kanal von Season of Mist kostenfrei (mit Werbung) verfügbar.
Bei dem Titel und Cover (von der Ästhetik her) habe ich mich schon auf so ’ne Art Western-Black Metal à la WAYFARER gefreut. Rudimentär schimmert das auch durch, ist im Endergebnis aber eher meh, wie imho alles von VREID. Man sieht immer das Potential, welches aber nie auch nur im entferntesten an WINDIR heranreicht. Ist nicht unhörbar schlecht, aber.. nunja meh.
Gleich um 21Uhr gibt es auf deren Fb Seite die Album – Premiere in Form eines Videos zu sehen.. ich bin gespannt.
Coole Info, aber auf Youtube gibt’s das auch, falls jemand (wie ich) kein FB hat, auf dem Season Of Mist-Channel.
Quatsch…. Es gibt tatsächlich etwas das dich sympathisch erscheinen lässt?
Wer hätte das gedacht….
Gerade auf YT die Album Premiere gesehen und bin doch positiv überrascht,Lifehunger war schon sehr gut,aber WNW gefällt mir um einiges besser – kommt aber trotzdem nicht ganz an I Krig und Milorg ran. Der Track „Wolves at sea“ fällt doch ein wenig ab im Gegensatz zu den restlichen Songs. Trotzdem ne 9/10 von mir.
Klingt ein bisschen wie eine verlorengegangene Reminiszenz an Reinkaos.
Mag sein, dass ich mich diesbezüglich täusche, zumal diese Einschätzung auch keine Rückschlüsse auf die Qualität des musikalisch Dargebotenen zulässt. War/Ist Reinkaos nicht zuletzt das ST.ANGER-Pendant einer schwedischen Metal-Band?
Zu WINDIR habe ich nie eine Zugang gefunden, was nicht impliziert, dass ich deren Musik als kategorisch grützig abkanzeln würde.
@nili68
Kannst Du Vltimas etwas Positives abgewinnen? Ist ein alter Hut, aber ich finde die Mischung aus Mayhem und Morbid Angel nicht grundverkehrt…
Ich musste mein Gedächtnis etwas auffrischen, aber ja, gefällt mir ziemlich gut. Wenn Death Metal, dann technisch chaotisch und hier im Falle VLTIMAS sogar stellenweise episch. Wenn etwas Morbid Angel Reminiszenzen beinhaltet, besteht eh eine reelle Chance, dass es mir gefällt. PORTAL kommen mir da, wenn auch nicht direkt dasselbe, noch in den Sinn..
Portal, da hast Du einen Nerv getroffen 😉
Ist auch schon lange her, aber Zyklon (World ov Worms) haben die Synthese auch ansprechend verarbeitet.
Hab mir mal die Singles angehört, das taugt mir erstaunlich gut, obwohl ich eher nicht der große BM Fan bin.