Longbranch Records haben sich der noch recht jungen, britischen Band AS EVERYTHING UNFOLDS angenommen, die laut Presseinfo mit ihrer EP „Closure“ 2018 recht schnell ordentliche Streaming-Zahlen einfahren konnte. Solche Bands, die mit der Quantität ihrer Streams beworben werden, heben ja immer wieder Augenbrauen empor. Das hier gegenständliche Sextett um Sängerin Charlie Rolfe spielt entsprechend wenig überraschend eine ziemlich zielgruppenorientierte Version von Post-Hardcore, die eine gewisse Pop-Metal-Note sowie dezente Emo-Einsprengsel nicht verleugnen kann. Immerhin beschreibt Rolfe selbst den lyrischen Kern des Full-Length-Debüts „Within Each Lies The Other“ dergestalt, dass es das allerbeste und -schlechteste in uns repräsentiere.
Was? Pop-Metal, der sogar was kann??
Dass eine Core-Band mal über irgendwas normales wie Satan, Sex und Wikinger singt, ist wohl auch im Jahr 2021 immer noch zu viel verlangt. Spaß beiseite: Zumindest zu meiner großen Überraschung gehören AS EVERYTHING UNFOLDS definitiv zu den hörbareren Erscheinungen in diesem Feld, das den Äther so gerne und so furchtbar oft mit Spotify-freundlicher aber ansonsten qualitativ minderwertiger Stangenware verpestet. Nun zumindest sind sie das, solange man sich nicht von Bratriffs und Synthesizern/Keyboards gepaart mit poppigen Hooks sofort in die Flucht schlagen lässt. Das macht die Briten zwar noch lange nicht zu qualitativen Überfliegern, denn dafür klingt „Within Each Lies The Other“ immer noch ein bisschen zu sehr nach Schablone gezeichnet.
Aber dafür begegnet einem nicht so eine aufdringliche Autotune-Scheiße der Marke LIKE A STORM. Und wenn Autotune hier zum Einsatz kommt, dann ist es immerhin subtil genug, um nicht zu sehr aufzufallen. Denn selbst wenn: Die Briten bleiben bei aller Poppigkeit doch relativ beständig im Hardcore verhaftet, sieht man mal von der gelegentlichen Quotenballade der Marke „Grayscale“ ab. Aber selbst dieser Song schmeißt zum Ende hin noch einmal eine gehörige Portion Pfeffer in den Topf. Ein Faktor, der die Band im Rennen hält, ist dabei Charlie Rolfe, die neben ihren klar gesungenen Hooks ein paar markige Schreie vom Zaun bricht, die unterstützt von der pumpenden Instrumentierung ordentlich was hermachen.
AS EVERYTHING UNFOLDS legen amtlich vor
Apropos: Instrumental wälzen die Briten auch keine Welten um und ein bisschen Durchschnittsmaterial findet sich auf „Within Each Lies The Other“ erwartungsgemäß wieder. Aber der Sound ist generell erfreulich druckvoll in Szene gesetzt und macht schlicht und ergreifend Spaß. Ein schönes Beispiel dafür ist „Take Me There“, das ziemlich atmosphärisch beginnt inklusiver überlebensgroßer Mitte-2000er-Gedenk-Hook, dann aber dank zur Abwechslung mal geschickt und effizient eingesetzter Djent-Light-Riffs in einen mächtigen Midtempo-Groove überführt wird, über den sich Rolfe angemessen auskotzt. Oder man nehme „Hiding From Myself“, das mit einer – und ich kann nicht glauben, dass ich das gerade schreibe – ziemlich starken Emo-Hook aufwartet.
Ich werfe gleich mal fünf Euronen ins Phrasenschwein und konstatiere nun: Wer sich mal wieder den richtigen Sound für Labret- und geweitete Ohren-Piercings auf die Ohren geben möchte, kann potentiell mit AS EVERYTHING UNFOLDS richtig viel Spaß haben. Eine Bereitschaft, die Scheuklappen gegen alles Moderne abzulegen, muss natürlich vorhanden sein, versteht sich von selbst. Wenn die Briten von hier ausgehend weiter auftauen und mit ihrem Sound vor allem in Sachen Härte etwas weiter gehen, könnte hier sogar viel mehr drin sein. Nun ja, das ist bestenfalls Zukunftsmusik, aber „Within Each Lies The Other“ macht schon ordentlich Laune und ist wie gesagt eine erstaunlich hörbare Erscheinung in einer sonst so sehr gegen kommerziellen Murks anfälligen Sparte.
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