Marianas Rest
Etwas endet, etwas beginnt
Interview
Dieser Tage erscheint mit „Fata Morgana“ das dritte Album von MARIANAS REST. Wir sprachen mit Gitarrist Nico Mänttäri und Sänger Jaakko Mäntymaa über falsche Entscheidungen, glückliche Zufälle und die bitteren Zeiten der Pandemie.
Hey! Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt, diese Fragen zu beantworten. Da ich sie euch per Mail geschickt habe: Was läuft bei euch denn gerade für feine Musik?
Beide: Hi, wir hören gerade das großartige Album „Joyride“ von ROXETTE.
Erst einmal eine unganehme, aber auch unvermeidliche Frage in diesen Tagen: Wie kommt ihr Jungs mit der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen zurecht?
Nico: In Finnland läuft es bisher ganz okay. Wir alle bei MARIANAS REST leben in relativ kleinen Städten und haben weiterhin die Möglichkeit, uns normal zu bewegen und einen halbwegs normalen Alltag zu führen. Aber wenn ich so drüber nachdenke, dann fehlen mir Konzerte und Festivals sehr. Ich hoffe, dass das alles bald überstanden ist.
„Ich hoffe, dass das alles bald überstanden ist.“
Jaakko: Ja, wir sind alle gesund geblieben und haben es geschafft, uns mit der Musik zu beschäftigen und abzulenken. Kann mich unter diesen Umständen also nicht großartig beklagen.
Reden wir über euer neues Album „Fata Morgana“. Wie ist es entstanden und inwiefern, würdet ihr sagen, unterscheidet es sich von eurem letzten Album „Ruins“?
Nico: Beim Schreiben von „Fata Morgana“ haben wir drauf geachtet, dass sich die Songs natürlich, sozusagen von selbst entwickeln, ohne sie von Beginn an in eine bestimmte Richtung zu drängen. Ich denke, dass die Songs dadurch mehr Atmosphäre entfalten als auf dem Vorgänger. Es kann sein, dass nicht so viel Double-Bass-Schlagzeug oder Tremolo-Gitarren zu hören sind, aber trotzdem hat „Fata Morgana“ mehr musikalisches Gewicht als „Ruins“.
Jaakko: Wir haben versucht, beim grundlegenden Aufnahmeprozess zu bleiben, aber in den Details einige Dinge besser zu machen. Ich denke, dass es uns gelungen ist, eine natürlich-schaurige Atmosphäre einzufangen. Vielleicht, weil wir uns dieses mal etwas behaglicher und selbstbewusster im Studio gefühlt haben. Natürlich hilft es auch sehr, dass wir mit Teemu Aalto wieder den gleichen fantastischen Produzenten hatte.
Bei „Fata Morgana“ denkt man eher an orientalische Wüsten, doch auf dem Cover sehen wir eine fahle, abstrakte Landschaft. Auch die Lyrics des Titelsongs deuten nicht in Richtung der bekannten optischen Illusion. Lange Rede, kurzer Sinn: Um was für eine Art von „Fata Morgana“ geht es auch auf dem Album?
Jaakko: Der Song steht tatsächlich in Verbindung mit der Illusion. Auch wenn viele bei einer „Fata Morgana“ oft an die Wüste denken, kann sie an allen Orten mit extremen Temperaturen auftreten, auch in Polarregionen. Wie auch immer: in diesem Fall bezieht sich der Titel auf den Fakt, dass wir manchmal nicht alles so klar sehen, wie wir zunächst denken. Du kannst falsche Entscheidungen treffen und viel Leid verursachen, nur weil du etwas verzerrt wahrnimmst.
„‚Fata Morgana‘ ist der Abschluss einer Trilogie“
„Fata Morgana“ ist außerdem der Abschluss einer Trilogie, die mit unserem Debüt „Horror Vacui“ begonnen wurde. Insgesamt geht es darum, dass du dich selbst verlierst, zusammenbrichst und schließlich aufsammeln musst, was von deinem Leben übrig geblieben ist.
Auf „Fata Morgana“ unternimmt der Erzähler eine lange Reise, die ihn an einen sehr kalten Ort am Rand der Welt führt. Während dieser Reise lässt er alle Entscheidungen, die ihn an diesen Punkt gebracht haben, Revue passieren. Irgendwann kommt er zu dem Schluss, dass seine Sicht auf die Welt schief war und er deswegen zunehmend abstumpfte.
Soweit zum Album, danke dafür. Kommen wir zu eurer Single „South of Vostok“. Was könnt ihr zu dem Song erzählen, speziell zu seinem Titel und dem Part auf Russisch?
Jaakko: Es ist der letzte Song auf dem Album und damit auch der Abschluss der eben erwähnten Trilogie. „Vostok“ ist der Name einer russischen Forschungsstation in der Antarktis, gelegen an einem der kältesten und lebensfeindlichsten Orte auf Erden.
Es gibt so gut wie keine Luftfeuchtigkeit und kaum Sauerstoff, da die Station weit über dem Meeresspiegel liegt. Unter der Station, unter einer kilometerdicken Eisschicht, befindet sich der Vostoksee. In diesem See, unter Eis und umgeben von Kälte, sind trotz allem Spuren von Leben zu finden. Dort endet die Geschichte und eine neue beginnt.
Nico: Weil „South of Vostok“ den Abschluss der Trilogie darstellt, brauchte er einen katharischen Moment. So ist auch die Steigerung und Zuspitzung am Ende zu verstehen, als „All Guns Blazing“-Situation. Für mich ist das wahrscheinlich der beste Song auf dem Album.
Wo wir gerade bei exotischen Orten sind: Wie seid ihr auf euren Bandnamen MARIANAS REST gekommen, der ja offenbar vom Mariannengraben inspiriert ist?
Jaakko: Wir wollten einen Namen, der Kälte, Tiefe, Schwere, aber auch Anmut ausdrückt. Der Mariannengraben (engl. Marianas Trench) im Pazifik vereint all diese Eigenschaften. Er ist außerdem einer der letzten Orte auf der Erde, den wir Menschen noch nicht erobern konnten, was die unergründlichen Tiefe schaurig wirken lässt. Wir haben den Namen dann aber leicht abgewandelt, um unsere Idee zu verdeutlichen, aber auch, um nicht in den Tiefen von Google zu verschwinden, wenn jemand nach uns sucht.
Inzwischen arbeitet ihr mit Napalm Records zusammen. Der Deal kam im September zustande, also mitten in der Pandemie. Mich würde interessieren, wie es in dieser außergewöhnlichen Situation dazu gekommen ist.
Nico: Das ist sogar eine ziemlich lustige Geschichte. Vor etwa einem Jahr, kurz bevor alles dicht machte, hat sich die gesamte Band getroffen, um gemeinsam zu einem Konzert zu gehen, auf dem AMORPHIS, SOILWORK und andere spielten. Beim Vorglühen sprachen wir über die Zukunft von MARIANAS REST und Harri, unser Gitarrist, schlug vor, dass wir Napalm Records ein paar unserer alten Songs zuschicken sollten. Da wir keine aktuellen Demo-Songs hatten, dachten wir nicht, dass wir eine Chance hätten. Naja, zumindest haben wir das ziemlich hitzig diskutiert, Harri hat sich schließlich doch durchgesetzt und Jaakko noch an dem Abend eine Mail an Napalm geschrieben.
„Wir dachten schon, dass wir die Sache verbockt hätten.“
Für ein oder zwei Monate hörten wir nichts von Napalm und hatten das Thema schon abgehakt. Dann schaute jedoch einer von uns in den Spam-Ordner unseres Band-Postfachs und fand dort, einige Wochen zu spät, die Antwort von Napalm. Wir dachten schon, dass wir die Sache dadurch verbockt hatten, aber zum Glück hatte das Label immer noch Interesse.
Jaakko: Wir hatten auch ziemlich Glück, was das Timing anging. In Finnland gab es einen sehr strengen nationalen Lockdown, der erst kurz vor dem Termin endete, für den wir vorher schon das Studio gebucht hatten.
Nico: Die Zusammenarbeit mit Napalm Records läuft gut. Alle dort sind sehr nett und hilfsbereit. Insgesamt sind wir sehr froh, dass diese Verbindung zustande gekommen ist.
Jaakko: Ja, wir bleiben per Mail und Video-Chat in Kontakt. Das klappt ganz gut. Natürlich stinkt es uns auch gewaltig, dass wir das Album nicht so promoten können, wie es sonst möglich wäre. Wir können keine Konzerte planen, geschweige denn ganze Touren. Also müssen wir uns andere Wege überlegen.
Damit sind wir thematisch ja wieder bei der Pandemie. Plant ihr vielleicht ein Streaming-Konzert oder ähnliches?
Nico: Wir brauen da was zusammen. Die Omerta verbietet uns jedoch, schon genaueres zu sagen.
„Wir brauen da was zusammen.“
Jaakko: Ja, wir werden wie Schweine abgeschlachtet, wenn wir darüber reden.
Oh, okay. Habt ihr denn schon einmal ein Streaming-Konzert besucht? Könnt ihr vielleicht was empfehlen?
Nico: Ein paar Sachen habe ich mir angeguckt, ja. Ich finde das anerkennungswürdig, was die Bands und Crews da auf die Beine stellen, aber ich kann keine besondere Show herausstellen. Ich würde aber gerne eine Aufzeichnung des BEHEMOTH-Streams sehen. Ich habe gehört, dass der großartig gewesen sein soll.
Da das Jahr ja noch jung ist: Auf was für einen Album-Release, abgesehen von eurem eigenen, freut ihr euch?
Nico: Das ist eine schwierige Frage. 2020 war auf jeden Fall „City Burials“ von KATATONIA mein Favorit. Für 2021 habe ich noch gar nichts auf dem Schirm. Hoffentlich kommt viel Gutes raus.
Jaakko: Was 2020 angeht, war „Misanthropic Breed“ von LIK mein Highlight. Ein großartiges Stück verrottender schwedischer Death Metal. 2021 kommt ein neues Album von AT THE GATES raus, oder? Auf MOONSPELL freue ich mich auch schon.
Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, um diese Frage zu beantworten. Wollt ihr abschließend noch was hinzufügen?
Beide: Es war uns eine große Freue! Hoffentlich sieht man sich on the road, wenn dieser ganze Mist vorbei ist. Bleibt frisch und trinkt genug!
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Stile | Death Doom Metal, Death-Doom Metal |
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