Feanor - The Power Of The Chosen One

Review

Soundcheck April 2021# 25

Angesichts der Feststellung, dass bei FEANOR unter anderem WIZARD-Sänger Sven D’Anna und der ehemalige MANOWAR-Gitarrist David Shankle spielen, konnte man schon erahnen, dass es sich bei „Power Of The Chosen One“ um besonders echten Metal handeln muss. Doch selbst wenn einem die anderweitigen bzw. ehemaligen Beschäftigungsverhältnisse der Musiker nicht bekannt sind, so lässt das bereits vierte Album der mehrheitlich argentinischen Band inhaltlich doch keine Zweifel offen, um welche Musik es hier geht.

Welche Musik spielen FEANOR noch gleich?

Wer auch immer bei FEANOR für die Texte verantwortlich ist, hat entweder eine Wette verloren oder seine Englischkenntnisse ausschließlich anhand der Diskographie der New Yorker Metalkönige erworben. Würde man bei jeder Erwähnung des Wortes „Metal“ einen Kurzen trinken, hätte man nach zwei Songs vermutlich seinen eigenen Namen vergessen. Weitere heiße Kandidaten für ein derartiges Trinkspiel sind übrigens „Steel“, „Power“ und „Brother“.

Nun hat man ja als Verfechter des echten Stahls so manche lyrische Käseplatte mit einem Schmunzeln überdauert. FEANOR allerdings übertreiben es mit dem gängigen Genre-Vokabular derart und zudem so vollkommen ironiefrei, dass man selbst als hartgesottener Kuttenträger nur schwer nicht vor Fremdscham im Boden versinken kann. Selbst ein Joey DeMaio würde hier wohl sagen: „It’s a bit much.“

Das Tragischste daran ist dann aber nicht etwa der Inhalt des 19-minütigen Epos „The Return Of The Metal King (The Odyssey In 9 Parts“), zu dem der Beipackzettel von einer „gründlichen Lektüre, sorgfältigen Analyse und monatelangen Studien und Konsultationen bezüglich des Meisterwerkes „Die Odyssee““ spricht. Übrigens, das sind fast exakt die gleichen Worte, mit denen sich eine italienische Professorin für klassische Literatur einst zu „Achilles, Agony And Ecstasy In Eight Parts“ und Joey DeMaios Umgang mit der Ilias auf „The Triumph Of Steel“, dem einzigen MANOWAR-Album mit David Shankle, geäußert hat. Was für verrückte Zufälle es doch gibt.

Heavy Metal, FEANOR spielen Heavy Metal

Nein, das Tragischste ist, dass „Power Of The Chosen One“ abseits besagter Tauchgänge im Klischee-Becken ein handwerklich durchaus gutes, wenn auch nicht überragendes Heavy-Metal-Album ist. Sven D’Anna liefert eine gewohnt starke Gesangsleistung ab, die sich nur manchmal an Eric Adams orientiert („Rise Of The Dragon“) und David Shankle wäre sicherlich nicht bei MANOWAR gelandet, wenn er nicht wüsste, wie herum man eine Gitarre hält. Der Rest der Band liefert ebenfalls eine technisch gekonnte Leistung ab.

Auch das Songwriting ist überwiegend gelungen, einzig der Titeltrack ist ein Ohrwurm im allerschlimmsten Sinne. Sprich: Man weiß nicht so recht, ob man sich noch auf einem Metalalbum oder doch schon bei der Hitparade der Volksmusik befindet. Eine derart schunkelige Bumsfaldera-Attitüde verkneifen sich FEANOR im weiteren Verlauf des Albums zwar und liefern einige starke Riffs ab, der Schreck sitzt aber erstmal tief.

Das alles ändert außerdem leider nichts daran, dass man die Texte nicht wie bei vielen Black- oder Death-Metal-Bands einfach ausblenden kann. Daher ist „The Power Of The Chosen One“ eigentlich nur den hartgesottensten aller Echtmetaller guten Gewissens zu empfehlen. Jenen mythischen Helden, die sich morgens die Zähne mit Drahtwolle putzen und sich zum Frühstück Muttern ins Müsli kippen. Für diese bietet „The Power Of The Chosen One” durchaus gute Unterhaltung, wenn auch nicht die im Promowisch suggerierte Fortsetzung zu „The Triumph Of Steel“. Alle anderen werden wohl das eingangs vorgeschlagene Trinkspiel als Anreiz brauchen. In diesem Sinne, prost!

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15.04.2021

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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5 Kommentare zu Feanor - The Power Of The Chosen One

  1. WurstEnemy sagt:

    Zugegeben, ich habe nur die zwei Singles gehört aber für mich reichen die schon um zu wissen, dass ich den Rest nicht brauche.

    Immer wieder liest man dass doch Manowar nur wegen diesem oder jenem Gitarristen hörenswert gewesen wären, aber was auch immer ich mir von diesen Gitarristen dann in anderen Projekten anhöre kommt nicht im entferntesten an die alten Manowar-Sachen ran. Vielleicht war ja ein entscheidender Faktor doch der böse Joey DeMaio. Das ist bei Ross the Boss so (wobei ich deren Scheiben noch wesentlich besser finde als das hier) und das ist auch bei David Shankle so. Beide hatten mit Manowar ihren Zenit erreicht. Ein anderer Faktor: der unerreichbare Eric Adams. Aber den gibt es nunmal nur einmal auf der Welt.

    Zu den Singles: Die Produktion gefällt mir gar nicht. Billige Texte und peinliche Männerchöre (die haben in den 80ern noch funktioniert, wenn sie gut verpackt waren). Ja, David Shankle hat hier einen wiedererkennbaren Lead-Sound geschaffen, aber was für einen…. Naja.

    Schade, wo doch David Shankle auf der Triumph of Steel ein Knallersolo nach dem anderen rausgehauen hat (vielleicht gerade weil dort ein gewisser Bandchef reingeredet hat).

    3/10
  2. Huetti sagt:

    Irgendwo ist da schon was dran…
    Egal was man von den aktuellen Manowar halten mag, so ganz von nirgendwo kommt ihr Status ja auch nicht. Erfolg hat die Band noch immer einen nicht ganz unerheblichen – für „klassische“ Metal-Verhältnisse – und die beiden einzigen Konstanten seit Tag Eins sind Eric Adams und Joey DeMaio… 1+1 ist nun mal 2…

    Ich kenne übrigens von diesem Album auch nur die beiden Vorab-Auskopplungen… Mei… Relativ altbackener, refrain-orientierter, klassicher Heavy Metal kurz vor dem Mainstream halt… Dann lieber Wizard oder gleich die alten Originale aus New York.

  3. Kartoffelblues sagt:

    Hm, falscher Ort, falsche Zeit, klingen auch nicht wirklich nach Manowar, als Power/Traditional/Sonstirgendwas-Metal dennoch durchaus dehnbar (so als Alliteration) brauchbar: https://www.youtube.com/watch?v=9u3BYIUqUBk&t=3s

  4. Huetti sagt:

    @Kartoffelblues

    Jahaaaaa! Das Zeug das Satans Host mit Conklin gemacht haben, ist natürlich durch die Bank saustark und durch den ungewöhnlichen Kontrast Gesang / Musik auch recht eigenständig.

    Aber wie du schon gesagt hast, ists jetzt nicht unbedingt mit dem „True Metal“ von Manowar oder eben Feanor vergleichbar.

  5. Kartoffelblues sagt:

    @Huetti
    Was traditionellen Metal (sofern der Begriff der Tradition überhaupt einen tieferen Sinn impliziert) betrifft, ist Agent Steel (https://www.youtube.com/watch?v=qX1mns72hwU) immer noch hörenswert. Vielleicht noch Ancient Empire (https://www.youtube.com/watch?v=Mbk3nsrwTBU&t=2287s).
    Klingt wie eine Mischung aus Dream Theater, Manowar, Twisted Sister, Mayhem und Zucker:
    https://www.youtube.com/watch?v=S6j8bjRwRuk