Vader - De Profundis

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Galerie mit 18 Bildern: Vader - Summer Breeze 2013

Ihr Debütalbum erscheint auf dem damals angesagtesten Death-Metal-Label, und im Anschluss tourt die Band mit BOLT THROWER und GRAVE durch Europa und mit DEICIDE und SUFFOCATION durch die Vereinigten Staaten. Die Ausgangslage anno 1993 klingt für VADER also eigentlich nicht schlecht, und unter diesen Umständen scheint es eine ausgemachte Sache, dass auch ihr zweites Album „De Profundis“ ordentlich steil geht.

Tolle Touren und die Sache mit dem Plattenvertrag

Eigentlich. Das Problem daran: Nach dem Debütalbum „The Ultimate Incantation“ ist der Plattenvertrag mit Earache Records auch schon wieder ausgelaufen und wird nicht verlängert. In der Death-Metal-Szene laufen die Polen darüber hinaus weiterhin als Exoten, die niemand so richtig auf dem Schirm hat. Und überhaupt erfährt die Band zu dieser Zeit in ihrem Heimatland überhaupt keine Unterstützung oder wird in den Medien thematisiert, wie Bandkopf Piotr „Peter“ Wiwczarek in einem Interview mit uns zu Protokoll gib.

Also stehen VADER vor der Herausforderung, ihren weiteren Weg in die eigenen Hände nehmen zu müssen. Anstatt also im sicheren Hafen eines etablierten Plattenlabels einfach sein Ding zu tun, steht erst einmal wieder harte Kleinarbeit an. Mit Veröffentlichungen auf Kleinstlabels. So kommt es, dass zunächst ein eher zufällig mitgeschnittenes Konzert bei Baron Records erscheint („The Darkest Age – Live“), später auch die EP „Sothis“, und als man endlich das zweite Studioalbum in Polen eingetrümmert hat, schließt man regionale Verträge mit Croon Records in Polen und System Shock in Europa ab. Die Labels kennt ihr noch? Dann herzlichen Glückwunsch.

„De Profundis“ schindet Eindruck

Statt im Hauptteil erscheinen Artikel zu „De Profundis“ in den Metalmagazinen eher unter „ferner liefen…“ in der Spezialrubrik für den untergrundigen Lärm. Dennoch schindet das Album Eindruck. Durch sein dichtes Zusammenspiel der Musiker. Durch seine untrendige Kompromisslosigkeit. Durch seine komprimierte Aggression.

Was sofort auffällt, ist der verminderte Thrash-Metal-Anteil gegenüber dem Debüt „The Ultimate Incantation“. Das Riffing im Stile von SLAYER ist geblieben, aber ansonsten ist eine doppelte Dosis MORBID ANGEL hinzugekommen. Außerdem ist der Sound direkter und unmittelbarer: Nicht zuletzt das wieselflinke Drumming von Schlagzeuger Krzysztof „Doc“ Raczkowski kommt dadurch noch besser zur Geltung. Und der Gesang von Peter entspricht das erste Mal dem, wie wir ihn heute von VADER gewohnt sind – kehlig, gebieterisch, unnachgiebig.

Und dann gibt es noch die verdammt geilen Songs. Beispielsweise den Opener „Silent Empire“: Die Gitarristen schütteln sich erst einmal ein Riff nach dem nächsten aus dem Ärmel, während Drummer Doc alle Register zieht. Wohin der Song führt, wird erst nach anderthalb Minuten klar, wenn der Gesang mit einem langgezogenen „Uaahhh“ einsetzt. Doc verdoppelt zwischenzeitlich die Schlagzahl zu einem Blastbeat, während eine Gesangszeile über die vorherige niederstürzt. Ein vielseitiges, eingängiges und zugleich kompromissloses Stück, dessen Richtungsänderungen man dennoch blindlings folgen kann.

Vertrackt, aber nicht progressiv

Atemlos setzt das schnell geklöppelte „An Act Of Darkness“ ein. Die beiden Strophen werden jeweils von verschiedenen Riffs getragen, und in den knapp zwei Minuten bringen die Gitarristen eine ganze Reihe von Soli unter. Neben einem eingängigen Refrain. Dagegen wird der im Midtempo gehaltene dritte Track „Blood Of Kingu“ von einem unaufhörlichen Schwall Triolen angetrieben und ist live ein perfider Genickbrecher. Eine Eröffnung wie aus dem Lehrbuch, könnte man heute sagen. Nur sollte man nicht verschweigen, dass VADER ihren Anteil an der Lehrbuchschreibung hatten.

Was „De Profundis“ auch zeigt: VADER verstehen es, memorable Riffs zu schreiben, die zwar vertrackt sind, aber nicht ins Progressive abdriften. Außerdem erzeugen die Polen mit ihren Gitarrenriffs eine Menge Atmosphäre, die andere Bands vermutlich erst durch Zuhilfenahme von Keyboards oder anderen Krücken erreicht hätten. Mit einfacheren Mitteln klappt das bei „Revolt“ und „Of Moon, Blood, Dream And Me“, während beim abschließenden „Reborn In Flames“ die Gitarren eine gewittergleiche Stimmung erzeugen.

Ebenfalls ein Pluspunkt des Albums sind die Texte. Die stammen teils aus der Feder von Peter, teils aus der Feder zweier befreundeter Schreiber und bilden im Themendreieck Lovecraft, Necronomicon und Okkultismus eine Art zusammenhängendes Konzept – welches dem in sich geschlossenen Charakter von „De Profundis“ zugute kommt. Genauso wie der mysteriösen, untergründigen Stimmung des Albums.

VADER setzten einen weiteren Grundstein

Ob jetzt „De Profundis“ das beste Album von VADER ist oder doch ein anderes, wird ja gemeinhin leidenschaftlich von Fans der Band diskutiert. Dass es aber einen gewissen Vorbildcharakter für die kommenden Alben hat, ist nicht zu verleugnen – sowohl was den Sound als auch den Aufbau angeht. Für VADER bedeutete „De Profundis“ immerhin ein starkes Lebenszeichen in einer Zeit, als Death Metal erheblich an Beliebtheit einbüßte. Sie konnten trotz widriger Umstände Eindruck schinden und setzten somit einen (weiteren) Grundstein für die Beliebtheit der Band heute.

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