Earthless
Der Sound der Wüste
Konzertbericht
„I’m gonna let the stars show me the way
I’m gonna drop in on your palace and I’m gonna be your slave, that’s right.
´cause I live it up in the Bermuda Dunes
And I stain the sand of this land with all the blood that I lose.“
– Brant Bjork, „Low Desert Punk“
„Pink Floyd had Pompeii. We had the entire California Mojave Desert. And Drones.“
– Ryan Jones, Producer/Director, CDWA
Während draußen der erste Schnee des Jahres fällt, startet drinnen ein Stream, der heißen Wüstenwind verspricht. Im vergangenen Jahr wurden mitten in der Mojave-Wüste fünf Konzerte abgedreht, die nun nach und nach als Streams zur Verfügung gestellt werden. Den Anfang machen die Psychedelic-Rocker EARTHLESS, mit denen wir im Vorfeld des Streams bereits eine Runde plaudern konnten.
Bassist Mike Eginton machte das Event dabei noch einmal schmackhaft: „Es war eine richtig schöne Erfahrung. Es ist so friedlich in der Mitte der Mojave. Die Landschaft ist wunderschön, vor allem bei Sonnenuntergang. Du verlierst dich regelrecht darin. Es hat sich so angefühlt, als würden wir drei nur für uns spielen, trotz all der Kameras und Leute um uns herum.“
„Dieses Covid-Ding.“
Der Stream beginnt psychedelisch. Aufnahmen der kommenden Auftritte sind zu hören, zu sehen ist jedoch jeweils ein farbenfrohes Spektakel, das sich der Musik anpasst. Genau das Richtige also, um sich auf das Konzert einzustimmen. Die Klänge von EARTHLESS und Co. laden einerseits zum Versinken ein, sind aber andererseits auch gemütlich genug, um sich währenddessen noch einmal um kühle Getränke, Snacks und Rauchwerk zu kümmern oder mit dem corona-konformen Besuch zu klönen.
Ähnlich relaxt ist der darauf folgende Talk mit Veranstalter und Regiesseur Ryan Jones, Produzent Dan Joeright und Editor Sam Grant. „Das Ganze entstand mehr oder weniger, weil das ‚Stoned and Dusted‘-Festival wegen diesem Covid-Ding abgesagt wurde“, erklärt Ryan und spricht danach mit Dan und Sam über die Konzerte, die Aufnahmen und vor allem die Organisation. Dabei liefern die drei einen charmanten Einblick hinter die Kulissen der Konzertreihe und berichten vor allem von den Herausforderungen, die ein Konzert mitten in der Wüste mit sich bringt.
Damit kennt sich die California Desert Wizards Association (CDWA) zum Glück aus. Ansonsten veranstaltet sie das jährliche „Stoned and Dusted“-Festival nahe Joshua Tree, Kalifornien. Für diese Aufnahmen hat sich die Crew jedoch noch weiter in die Wüste gewagt. War es das wert? Ryan ist zuversichtlich und verspricht ein „psychedelisches Rock’n’Roll-Happening fürs Wohnzimmer.“
EARTHLESS jammen unter sengender Sonne und in kühler Wüstennacht
Ein kurzes Interview mit Frontmann Isaiah Mitchell leitet schließlich den Auftritt von EARTHLESS ein, der mit „Violence of the Red Sea“ unter der sengenden Wüstensonne beginnt. Fließend geschnittene Übergänge sorgen dafür, dass selbst das karge Ambiente lebendig wirkt. Die dicke Lightshow wird zwar noch nicht aufgefahren, aber verzerrende Effekte tragen zur Stimmung bei.
Es folgt ein kurzer Abschnitt, in dem die Band auf der Ladefläche eines Pick-Up-Trucks interview wird, was etwas deplatziert wirkt und dank das Windes, der über die Mikrofone rauscht, nicht lupenrein verständlich ist. Letztlich leitet dieser Einspieler nur als letzte Überleitung zum eigentlichen Hauptprogramm, bei dem die Wüste nur noch von harter Musik und bunten Lichtern erfüllt wird.
In der Nacht lässt die Lightshow ihre Muskeln spielen. Das gesamte Farbspektrum tanzt über schroffe Felsen und dürre Gräser, in deren Zentrum ein kühles Spotlight die Band erhellt. EARTHLESS jammen eher, als dass sie eine Setlist konzentriert durchspielen, auch wenn sich „Sonic Prayer“ und „Lost in the cold Sun“ ausmachen lassen. Eine gute Stunde versinkt das Trio ganz und gar in seiner Musik und reißt dabei die Zuhörer mit in einen Strudel aus Farben und verwehten Riffs.
Gemeinsam mit der Lightshow entsteht ein Gesamtkunstwerk, das als regulärer Auftritt nur schwer vorzustellen ist. Da niemand applaudiert, gröhlt oder abklatschen will, erscheinen die Musiker introvertiert und entrückt. Der Fokus liegt ganz auf den audiovisuellen Elementen des Konzerts: auf den zuckenden Lichtern, der bizarren Landschaft, dem glasklaren Sound, der rauschhaften Musik. Der einsame Jam inmitten der Wüste ist etwas, das als Idealvorstellung vor allem vielen Stoner-Fans im Kopf herumgespukt sein dürfte. In diesem Konzertfilm wird dieser intime Moment nun erlebbar.
Vier Konzerte folgen noch
Das Konzert mit EARTHLESS ist nur der Auftakt zu einer Stream-Reihe, die noch vier weitere Auftritte enthält. NEBULA, SPIRIT MOTHER, MOUNTAIN TAMER und STONER folgen mit jeweils zwei Wochen Abstand samstags. In Deutschland startet der Stream jeweils um 21 Uhr und ist danach für 48 Stunden verfügbar. Der Zugang zum Video verblasst also schneller, als es die vernebelten Erinnerungen ans Konzert tun.
Fans von EARTHLESS kommen nun also zu spät? Für den Stream trifft dies zu, aber alle Konzerte werden nachträglich auf LP, CD und DVD erscheinen. Die Preise für die weiteren Konzerte liegen bei 10-20$, was in Anbetracht des hohen Produktionsniveaus okay ist. Zur Not teilt man sich die Kosten mit der Bekanntschaft oder der besseren Hälfte.
Zum Abschluss berichtet Ryan Jones schließlich noch, wie er den ganzen Kram für das Konzert in die Wüste verfrachtet hat, wie oft sein Truck dabei im Sand stecken geblieben ist. War es das nun wert? Nach zweieinhalb Stunden Programm lautet die Antwort: Klar.
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