Les Chants De Nihil - Le Tyran Et L'esthète

Review

Seit nunmehr bald 14 Jahren bewegen sich LES CHANTS DE NIHIL durch den französischen Black-Metal-Untergrund. Mit „Le Tyran Et L’esthète“, ihrem mittlerweile fünften Studioalbum, steht dieser Tage die erste Veröffentlichung über das sich zunehmend in der schwarzmetallischen Szene etablierende Label Les Acteurs de l’Ombre Productions und, damit einhergehend, erstmalig die Möglichkeit der Loslösung aus der Unbekanntheit und potentielle Hinwendung zu einer größeren Zuhörerschaft ins Haus.

LES CHANTS DE NIHIL verbinden Stiltreue mit musikalischer Progression

Musikalisch weichen LES CHANTS DE NIHIL auf „Le Tyran Et L’esthète“ kaum von dem Stil ab, den das Quartett bereits auf einigen vorhergegangenen Alben nicht nur gefestigt, sondern auch mit jeder weiteren Veröffentlichung zunehmend perfektioniert hat. Dennoch lassen es sich die Franzosen nicht nehmen, die Schwerpunktsetzung der bisher gewohnten Stilmittel umzustrukturieren und immer wieder mit unvorhersehbaren Wendungen innerhalb einzelner Stücke zu überraschen. So setzt bereits der auf das kurze Intro folgende Opener „Entropie Des Conquêtes Éphémères“ neben für den Black Metal typischen flirrenden Gitarren, Screams und pfeilschnellem Drumming auf mehrstimmige Gesänge, wie sie zwar zuletzt auch auf den Vorgängeralben zu hören waren, aber selten derart präsent und professionell in die Songstrukturen eingewoben wurden. Die streckenweise kauzig anmutende Melodieführung reiht sich als weiteres Wiedererkennungsmerkmal hervorragend in den Gesamtsound ein und erinnert nicht zuletzt an Künstler aus der Schweizer Szene, wie zum Beispiel UNGFELL oder ATEIGGÄR.

Ähnlich innovativ geht es mit „Ma Doctrine, Ta Vanité“ weiter. Eingeleitet von mehrstimmigem, folkloristisch anmutendem Gesang, schlägt der Song unvermittelt in eine von Doublebass und den zornig artikulierten französischen Vocals dominierte Nummer um, die sich wohl am ehesten mit dem Schaffen der sehr ähnlich gelagerten AORLHAC und SÜHNOPFER vergleichen ließe. Der Klargesang bleibt dabei ein stetig wiederkehrendes Motiv, welches den Song als eines der Highlights auf „Le Tyran Et L’esthète“ hervorstechen lässt. Ebenso gelungen und stilistisch nahezu perfekt ausgewogen, schließt das Album mit den Titeln „Lubie Hystérie“ und „Sabordage Du Songeur – Final“, welche beispiellos Stiltreue und musikalische Progression miteinander verbinden.

„Le Tyran Et L’esthète“ – Zu viel der Kreativität?

Während Auftakt und Ausklang auf „Le Tyran Et L’esthète“ sich qualitativ die Waage halten, mangelt es dem Mittelteil vereinzelt an Stringenz und Eingängigkeit. Auch wenn sich die ein oder andere verschachtelte Idee im Verlauf wiederholter Durchläufe nach und nach erschließt und sich anfängliche Konfusion in Wohlgefallen wandelt, so schießen LES CHANTS DE NIHIL doch in einigen Momenten übermütig übers Ziel hinaus. Insbesondere, wenn die zahlreichen bereits vorhandenen Gesangslagen durch einen zusätzlichen weiblichen Sopran ergänzt werden, klingt das Gesamtresultat ähnlich überladen wie das Albumcover ausschaut.

„Le Tyran Et L’esthète“ ist gewiss kein durchweg leicht bekömmliches Album, fordert seine Zuhörerschaft aber eben dadurch auf, sich in die Musik einzufühlen und sich intensiv mit eben dieser auseinandersetzen. Die kreative Vielfalt fordert ohne zu überfordern und ist ein hervorragendes Beispiel für das hohe Maß an Diversität, welches dem modernen Black Metal mittlerweile innewohnt. Wer ein Faible für französischen, melodischen und vielleicht auch etwas experimentellen Black Metal hat, wird in diesem Jahr nicht an LES CHANTS DE NIHIL vorbeikommen.

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23.01.2021

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