Dark Tranquillity
"Wir sind definitiv nicht offen für ALLES."
Interview
In Kürze ist es soweit: Das zwölfte Studioalbum von DARK TRANQUILLITY, das den Titel „Moment“ trägt, erscheint. Im Vorfeld drehte sich nach dem Ausstieg von Gitarrist Martin Henriksson 2016 das Besetzungskarussell erneut – mit Niklas Sundin verließ ein weiteres Gründungsmitglied die Band. Der feste Einstieg der beiden Tour-Gitarristen Johan Reinholdz (u.a. NONEXIST, ANDROMEDA) und Chris Amott (ex-ARCH ENEMY) deutete bereits an, dass sich auf der neuen Scheibe einiges verändern könnte. Das Klassiker-Album „The Gallery“ feiert dazu diesen Monat auch noch 25jähriges Jubiläum. Bereits Gründe genug also, um Sänger Mikael Stanne zur Entstehung zum Interview zu bitten – und dann war da ja auch noch eine kleine globale Krise.
Titelbild: Daniel Falk
Hi Mikael! Erst einmal Glückwunsch zum neuen Album, es läuft bei mir momentan echt auf Heavy Rotation.
Vielen Dank, das weiß ich wirklich zu schätzen.
Im Gegensatz zu den letzten beiden Alben, die eher „Grower“ waren, zündet „Moment“ meiner Meinung nach sofort. Siehst Du das ähnlich? Woran könnte das Deiner Meinung nach liegen?
Ich weiß es nicht (lacht). Wir haben eine lange Zeit daran gearbeitet, um sicher zu gehen, dass bei diesem Album wirklich alles stimmt. Es hat so viele Veränderungen durchlaufen – einige der früheren Versionen der Songs, die nicht aufgenommen wurden, hätten vielleicht dazu geführt, dass es länger gedauert hätte um einen Zugang zu finden, wohingegen es jetzt vielleicht direkter geworden ist. Auch von der Produktionsseite her ist einfach alles an seinem Platz. Es ist ziemlich direkt, würde ich sagen.
Ich finde der größte Unterschied zu den vorigen Alben liegt darin, dass die Melodien sofort ins Ohr gehen und dort auch bleiben. Habt Ihr Euch dieses Mal gezielt darauf konzentriert, Melodielinien – sowohl für die Gitarren als auch den Gesang – besser auszuarbeiten, oder würdest Du eher sagen, dass das zufällig entstanden ist?
Naja, das ist natürlich immer ein sehr starker Fokus. Aber speziell die Song die Anders (Jivarp, dr., Anmerk. d. Verf.) schreibt sind sehr stark melodiebetont. Wir verwandeln das dann in heavy Gitarren-Riffs und all das, aber die Melodie bleibt immer der Hauptfokus, die ganze Zeit über. Außerdem kommt natürlich zum Tragen, dass wir hart an der Produktion und am Zusammenspiel der unterschiedlichen Instrumente gearbeitet haben, um das zu betonen und trotzdem die Heaviness beizubehalten.
Auch wenn es nicht komplett neu für Euch ist, finden sich auf „Moment“ auffällig viele Songs , in denen Du im Refrain klar singst und in den Strophen growlst. Auf den Alben davor war es meistens eher umgekehrt. Wie kommt es, dass Ihr das so lange nicht gemacht habt und jetzt gleich so häufig?
Ich weiß es nicht wirklich. Es geht immer darum, was der Song braucht. Anfangs, als wir zu Beginn des letzten Jahres begannen am Material zu arbeiten, gab es ein paar Parts, bei denen ich dachte: „Ok, ich probiere mal etwas aus.“ Ich denke auch, dass so viel Zeit zu haben an den Sachen zu arbeiten, bevor wir uns dafür entschieden sie aufzunehmen bedeutete, dass ich einfach experimentieren und alles ausprobieren konnte. Andere Strophe, anderer Refrain, alle möglichen unterschiedlichen Dinge. Dann schickte ich das an die anderen Jungs, alles was sie cool fanden behielten wir und fingen gemeinsam an daran zu arbeiten oder änderten es in etwas komplett anderes. Das machte den Luxus aus, nahezu unbegrenzte Zeit zur Verfügung zu haben oder zumindest keine Deadline in einem frühen Stadium. Wir gingen einfach vor und zurück, probierten verschiedene Dinge, einfach weil wir es konnten – und das war wirklich hilfreich. Das hieß dann letztlich eben auch, dass wir sowas wie einen clean gesungenen Refrain machen konnten – warum nicht? Es ist wirklich interessant und, wie Du schon sagst, machen wir das nicht so oft.
Ich habe das Gefühl, dass Du insbesondere in den Refrains von „Moment“ öfter als zuvor Deine Komfortzone verlässt und es Dir total egal scheint, ob das nun gerade vielleicht zu catchy oder fast schon romantisch klingt. Wolltest Du bewusst Deine Grenzen weiter ausloten?
Ja, das versuchen wir immer auf die ein oder andere Weise. Es ist immer ein schmaler Grat, ob etwas einfach zu melodisch ist, da es nie cheesy sein soll. Vielleicht nah dran, aber eben nicht zu nah. Wir arbeiten also hart daran, dieses Gleichgewicht zu finden. Wir haben aber keine Angst etwas zu machen, was sehr melodisch und – wie Du sagst – vielleicht geradezu „romantisch“ klingt (lacht).
Haben die experimentellen, elektronischeren Songs auf den letzten beiden Alben Dich darin bestärkt, dass Du diesbezüglich noch mehr riskieren kannst?
Oh ja, auf jeden Fall. Mit dieser Art von Musik sind wir aufgewachsen. Wenn Du älter wirst fängst du plötzlich an, die Sachen mit denen du aufgewachsen bist wieder auf die ein oder andere Art schätzen zu lernen. Vielleicht auch Sachen, die dir damals ein wenig peinlich waren, die du jetzt aber komplett annehmen und daraus Ideen ableiten kannst, wenn Du schreibst. Ich liebe das und schäme mich nicht dafür.
Johann (Reinholdz, g., Anmerk. d. Verf.) erwähnte in der Pressekonferenz zur Listening-Session, dass er anfangs mit einigen Ideen ankam, die vielleicht ein bisschen zu verrückt für die Band waren und er erst lernen musste, was funktioniert und was nicht. Ist der Sound von DARK TRANQUILLITY so klar definiert, dass es für Experimente auch gewissen Grenzen gibt, oder würdest Du letztlich trotzdem sagen, dass Ihr offen für alles seid?
Wir sind definitiv nicht offen für ALLES (lacht). Wir haben schon bestimmte „Regeln“. Insbesondere jetzt muss es sich für uns drei gut anfühlen: Anders, Martin (Brändström, k., Anmerk. d. Verf.) und mich. Wenn das nicht funktioniert, es in eine Richtung geht mit der wir uns nicht wohl fühlen, dann versuchen wir es in etwas umzuformen, von dem wir fühlen, dass es nach DARK TRANQUILLITY klingt. Andererseits war es faszinierend zunächst zu dritt an einem Song zu arbeiten, ihn dann an Johann zu schicken, damit er ihn auf seine Weise interpretiert, ihn praktisch umgestaltet. Wenn wir ihn dann von ihm zurück bekamen sagten wir vielleicht: „Oh wow, das ist super cool, aber es klingt wie eine völlig andere Band.“ Also begannen wir erneut daran zu arbeiten, schickten es Johann und so ging es vielleicht vier oder fünf mal hin und her, bevor wir das Ziel erreichten. Daher brauchte es ein paar Versuche, bevor Johann sich wohl mit seinen Vorschlägen und Interpretationen fühlte. Mittlerweile kennen wir einander musikalisch deutlich besser. Das war aber etwas sehr nützliches für das Album und funktionierte zu unseren Gunsten, als Band.
Ja, es gibt immer wieder diese Kleinigkeiten, ein tolles Solo hier und diese neue Gitarrenmelodie dort, die einfach frisch für DARK TRANQUILLITY klingen, obwohl die Songstrukturen selbst eigentlich gar nicht so viel anders sind.
Ganz genau. Du tendierst natürlich immer ein wenig dazu, bei dem zu bleiben, was du kennst. Die neuen Jungs fügen dann neue Dinge hinzu, die es auch für uns selbst frisch und interessant klingen lassen.
Ihr seid für mich eine Bonus-Song-Band. Sprich: Unter den Bonus-Songs Eurer Alben findet sich immer wieder extrem starkes Material. Ist der Grund dafür, dass Songs „nur“ als Bonus dabei sind meistens eher, dass sie nicht in den Fluss des Albums passen?
Hauptsächlich, ja. Wenn es sich einfach nicht richtig anfühlt, vielleicht eine andere Klangfarbe hat. Manchmal finden sich im Bonusmaterial wirklich einige der besseren Songs, aber deshalb weil sie einfach nicht in den Flow der – in diesem Fall – zwölf Songs passen, die du für das Album ausgewählt hast. Das ist immer eine schwierige Angelegenheit. Manchmal ist es offensichtlich und wir sagen: „Klar, das ist ein Bonus Track.“ Meistens ist es aber ein kleiner Kampf. Es ist eine Abstimmungssache, weißt Du (lacht)? Jeder stimmt für die Songs, die auf dem Album stehen sollen und welche nicht. Dieses Mal befinden sich zwei auf der Deluxe-CD-Version, die beide sehr sehr stark sind.
Ihr habt ja mit „Exposures – In Retrospect And Denial“ auch schon eine „Bonus-Song-Compilation“ veröffentlicht. Besteht die Chance, dass Ihr sowas nochmal macht oder sie irgendwann sogar mal live präsentiert?
Oh, das würde echt Spaß machen. Ich liebe einige dieser Songs. Ich weiß allerdings nicht, ob wir genug Material haben, um eine weitere Kollektion davon rauszubringen. Vielleicht machen wir das später einmal. Ich mag die Idee aber, da ich einige Alben liebte, auf denen einige Bands all ihre B-Seiten aufgriffen, Mitte der Achtziger und Anfang der Neunziger. Sie packen sie einfach auf ein Album und Du denkst Dir nur: „Verdammt, das ist so geiles Zeug.“ Ich habe zwei genau solche Alben, eines von JETHRO TULL und eines von THE MISSION.
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Stile | Göteborg Death Metal, Melodic Death Metal |
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