Fates Warning
"But then science came into the picture and destroyed everything!" - Mit Ray Alder über “Long Day Good Night” und die Zukunft der Band

Interview

Es ist wohl ein typisches Symptom des Jahres 2020. Spricht oder schreibt man mit (professionellen) MusikerInnen, macht sich ein meist einheitlicher Grundtenor breit. Niemand ist gewillt, den Kopf in den Sand zu stecken oder verzagte Stimmung zu verbreiten. Besonders optimistisch sind wiederum alle nicht. Und vor allem: Kaum jemand hat ausreichend Optionen, die weggebrochenen Einnahmen und Promotion-Maßnahmen adäquat zu ersetzen. Meist überwiegt der Gedanke, dass Aufgeben ebenso keine Möglichkeit ist. So auch Ray Alder, seit über 30 Jahren Vokalist der Prog-Metal-Urgesteine FATES WARNING.

Der höfliche und redselige Wundersänger pendelt zwischen dem Enthusiasmus über ein gelungenes, inzwischen 13. Studioalbum und der bedrückenden Ungewissheit, wie es mit FATES WARNING weitergehen wird. Denn wir alle wissen inzwischen, dass ein Album noch so stark sein kann – es bringt professionellen MusikerInnen noch lange nicht das Brot auf den Teller. Diese Zeiten sind lang vorbei. Doch lassen wir ihn zunächst ausführlich über das tolle neue FATES-WARNING-Album “Long Day Good Night” zu Wort kommen.

Von Songwriting und Aufnahmen in Zeiten der Reisebeschränkungen …

Hallo, Ray. Also zunächst hoffe ich, jeder in der Band hat die verrückten letzten Monate gut überlebt …

Yeah, bisher ist immerhin niemand aus der Band krank geworden.

Das ist gut. Wie lief das Songwriting zu “Long Day Good Night” dieses Mal ab? War es schwieriger wegen des Lockdowns und der Reisebeschränkungen? Immerhin lebt ihr auf unterschiedlichen Kontinenten.

Na, eigentlich war es genauso wie immer. Ich meine, wir machen das jetzt schon so lange, dass wir inzwischen Profis darin sind. Jim und ich schicken uns Files hin und her. Früher haben wir buchstäblich noch Kassetten getauscht. Bis … ich glaube “A Pleasant Shade Of Gray” habe ich noch mit dem Vier-Spur-Rekorder aufgenommen. Das war echt ein Krampf im Arsch, aber das war noch vor Pro Tools, wo du jetzt ein komplettes Studio drin hast.

Aber so ist es jetzt ziemlich einfach. Also das Komponieren selbst war nicht so einfach, wir hatten immerhin dreizehn Songs [“Long Day Good Night” ist zudem das dreizehnte FATES-WARNING-Album – Anm.] in der Mache. Abgesehen davon lief es. Das Einzige, was einigermaßen schwierig war, war der Zeitplan. Wir arbeiteten etwa ein Jahr an allem, aber dann wurde es langsam Zeit, zu Potte zu kommen, weil Joe Baresi, der das Album abgemischt hat, nach uns für AVENGED SEVENFOLD gebucht war. Also mussten wir rechtzeitig fertig werden, damit er Zeit hatte, das Album zu mixen. Am Ende war’s ein bisschen “Zähne zusammenbeißen!”, aber alles wurde gut.

Du hast im Vorfeld erwähnt, dass du während der Gesangsaufnahmen in der Gesangskabine des Studios geschlafen hast, weil Spanien [wo Ray Alder lebt – Anm.] zu dem Zeitpunkt im kompletten Lockdown war. Ist das möglicherweise die größte Last, die du je auf dich genommen hast, um deine künstlerischen Ziele umzusetzen?

So ziemlich, ja. Normalerweise einfach irgendwo hinzufliegen, um den Gesang aufzunehmen, ist das Eine. Aber das … Also, es war gegen Ende des Lockdowns hier und zu der Zeit war das Einzige, was du neben Gassigehen und Lebensmittel kaufen tun durftest, umzuziehen. Also bin ich dahin “umgezogen”, also ich habe so getan, als ob und habe gearbeitet. Aber du kannst eben nicht hin- und herfahren, also hab ich gleich im Studio auf einem Klappbett geschlafen und Mikrowellenfraß gegessen, damit das alles funktionierte. Es musste eben irgendwann erledigt werden.

Der Gedanke kam mir, weil “sacrifice” ein Wort ist, das in den Texten häufig auftaucht und es einen gewissen thematischen Zusammenhang in Richtung Mühsal oder Belastung in den Lyrics zu geben scheint.

Ja, also es ist ein bisschen seltsam. Wenn ich Texte schreibe, habe ich nicht wirklich ein Ziel oder eine Geschichte vor Augen. Ich singe einfach, was mir durch den Kopf geht. Ich arbeite beim Schreiben mit Wörtern, statt mit “Uhhhs” und “Ahhhs” und aus irgendwelchen Gründen tauchte das Wort “home” häufig auf. Als wir “Theories Of Flight” gemacht haben, wusste ich, dass ich nach Spanien ziehen werde. Die Texte auf dem Album fielen mir ziemlich leicht. Aber dieses Mal war es schwieriger, weil solche Umstände nicht da waren.

Es geht eigentlich nicht um Belastung; mir ging es hier zu Haue sehr gut. Aber vielleicht ging es eher darum, zufrieden zu sein, zu Hause zu sein. Zu Hause zu vermissen, wenn du auf Tour bist, oder Texas zu vermissen, wo ich herkomme und meine Familie lebt. Trotzdem gibt es keine verbindende Message in den Texten.

Vor ein paar Wochen hast du auch angekündigt, dass ihr auf diesem Album ein paar Dinge anders angegangen seid und euch mehr Vielfältigkeit erlaubt habt. Wer “Long Day Good Night” hört, wird fetstellen, dass es wahrscheinlich euer vielfältigstes Album bisher ist. Würdest du dem zustimmen?

Ja. (Mit Nachruck) Wirklich. Als wir mit dem Schreiben loslegten, waren wir noch in dem “Darkness In A Different Light”/“Theories Of Flight”-Modus. Die Songs waren sich immer noch irgendwie ähnlich. Dann fingen sie an, sich zu verändern und Jim schickte mir neue Musik und sagte: “Ich weiß nicht, ob dies funktioniert. Ich weiß nicht, ob das auf das Album passt.” Und das passierte mehrere Male, dass wir uns nicht sicher waren, ob es funktioniert. Dann merkten wir, dass die Vielseitigkeit das Album nur besser macht, weil es so lang ist.

Es sind immerhin 13 Songs und wenn 13 Songs auf einem Album in dem selben Stil gehalten sind, wird es den Leuten schnell langweilig. Die Leute könnten sowieso schon bei so vielen Songs gelangweilt sein. Für mich ist ein bisschen was von jedem unserer Alben darin enthalten. Manches erinnert mich an “FWX”, manches an “Perfect Symmetry” und manches an “Disconnected”. Also gibt es eigentlich was für jeden auf dem Album. Hoffe ich zumindest, bei so vielen Songs.

Ich denke auch, dass ihr das erreicht habt. Die Balance zwischen den eher traditionellen und den eher – ich mag das Wort nicht, aber – ‘experimentellen’ Stücken ist toll. Habt ihr deswegen den Titel “Long Day Good Night” gewählt, weil das zwei sich irgendwie kontrastierende Dinge sind?

Ähm, da müsstest du Jim [Matheos, Gitarrist, Hauptsongschreiber und Produzent – Anm.] fragen. Er war derjenige, der mit dem Titel kam. Wir hatten ein paar Probleme, einen Titel für das Album zu finden. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele wir probiert haben. Wir hatten dann schon das Artwork fertig und wählten “Long Day Good Night” auch, weil er dazu passte. Aber wie gesagt, nach der konkreten Bedeutung müsstest du Jim fragen.

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Quelle: Ray Alder
31.10.2020

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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