SÓLSTAFIR gehören zu den Bands, die ihre musikalische Klasse beharrlich-kontinuierlich unter Beweis stellen und über eine famose Diskographie verfügen – „Endless Twilight of Codependent Love“, das neue, nunmehr siebte Album der Isländer, passt da ausgezeichnet ins Bild und fügt sich geschmeidig in diese hochklassige Albumriege ein.
SÓLSTAFIR und die Songwriting-Banane
SÓLSTAFIR selbst beschreiben ihre stilistische Entwicklung mit dem neuen Album treffenderweise als „bananenförmig“ (so Frontmann Aðalbjörn Tryggvason höchstselbst im bald folgenden, ausführlichen Interview): Die vier Herren gehen nicht im vollen Kreis zurück zu ihren musikalischen Anfängen, sondern korrigieren ihre bislang recht lineare Fortentwicklung in Richtung früherer Werke. Wobei: Korrigieren ist nur teilweise treffend, hat dies doch den Geschmack, dass etwas falsch gelaufen sein könnte in der Vergangenheit. Natürlich ist dies mitnichten der Fall, vielmehr holen SÓLSTAFIR Elemente in ihren Sound zurück, die so bislang eher verschütt‘ gegangen schienen, für die die Zeit aber nun wieder reif zu sein scheint. Glücklicherweise klingt dies weit weg von einem Midlife-Crisis-Rückbesinnungs-Fest und einem damit einhergehenden Heraufbeschwören einer verklärten guten, alten Zeit, sondern erfrischend konsistent.
Insbesondere der raue Charme und die spürbar gelöstere Herangehensweise an „Endless Twilight of Codependent Love“ führt zu Ausbrüchen wie dem auf das Frühwerk „Masterpiece Of Bitterness“ weisende „Dionysus“. Gleichzeitig vermögen es SÓLSTAFIR ausladende, bandtypische Epen wie den Opener „Akkeri “ direkt neben experimentellere Klänge von „Rökkur“ zu stellen. Eintönigkeit ist ein Attribut, dass „Endless Twilight of Codependent Love“ sicher nicht zugeordnet werden darf: Hier bestätigt sich in der Langzeitschau der Eindruck, den das Album bereits im Spätsommer in der Listening Session hinterließ. Und die bereits kolportierten Einflüsse, die die Live-Darbeitung älteren Songmaterials – vornehmlich im vergangenen Jahr – auf die Band hatte, sind schlicht nicht zu überhören. Die stärkere Betonung des durchaus eigenwilligen, aber markanten Tryggvason’schen Gesangs in der Abmischung unterstreicht den kantigen und ruppigeren Charme der Platte zusätzlich.
„Endless Twilight of Codependent Love“ lässt Vorgänger „Berdreyminn“ ein wenig als ein Übergangsalbum dastehen. Hat das Werk von 2017 zwar auch schon erste Ausflüge in härter-rockige Gefilde vorzuweisen, so hat es doch das schwere Erbe aufgebürdet bekommen auf einen Koloss wie „Ótta“ zu folgen, mit allen Schwierigkeiten die eine Balance von „nicht-genauso-klingen-wollen“ bis „keinen-unnachvollziehbaren-Bruch-vollziehen“ so mit sich bringt. „Berdreyminn“ jedenfalls wirkt im direkten Vergleich nicht so mutig und wagend wie das neue Album von SÓLSTAFIR, auch wenn diese Einschätzung das Vorgängerwerk keineswegs zu einem schlechteren Album macht.
„Endless Twilight of Codependent Love“: Die wiederentdeckte Lust am Ausbruch
Neben dem Staunen über die Klasse der Einzelstücke bleibt somit lediglich das Gefühl, dass „Endless Twilight of Codependent Love“ nicht so stringent und zusammenhängend daher kommt wie es vielleicht wünschenswert wäre (oder eben „Ótta“ und selbst „Svartir Sandar“ oder „Köld“ dies hinbekommen haben). Im Gegenzug wird deutlich mehr Lust am Experimentieren gezeigt, am Ausprobieren, am Spontaner-sein. SÓLSTAFIR trauen sich was (zum Glück: „Or“ und „Her Fall From Grace“!) – mit allen Brüchen, die dies im Albumverlauf bei so gegensätzlichen Kompositionen auch mit sich bringen mag.
Der absolut verdiente Soundcheck-Sieger November 2020 lässt somit wenige Wünsche offen – es sei denn man hat einen durchgehend postrockig-fließenden Happen wie „Ótta“ erwartet. SÓLSTAFIR liefern mit „Endless Twilight of Codependent Love“ jedenfalls den passenden Soundtrack für den Herbst: Melancholisch und zugleich stürmisch, wunderbar trist und doch abwechslungsreich. Und die neue Kantigkeit und Unberechenbarkeit steht der Band ganz ausgezeichnet.
Solstafir kenn ich seit der ersten Stunde und ich finde alles total super (die otta war nicht so mein Fall),eigentlich kauf ich alles blind von dieser Band, aber diesmal bin ich vorsichtig, vielleicht kauf ich mir nur den Download bei Bandcamp. Ich hab nun zweimal reingehört und irgendwie fehlt mir was.
Geht mir ähnlich, ich liebe ‚Svartir Sandar’, mag ‚Köld’ und mag‚Otta’ nicht. Ich habe die neue Solstafir gerade gehört und kann noch nix sagen. Klingt irgendwie wieder anders, aber erstmal nicht schlecht. Solstafir wachsen meist mit der Zeit. Hab gerade gesehen, dass nächsten Monat auch die neue von Katla kommt. Fand die letzte von denen schon die bessere Solstafir. We‘ll See.
Ich würde dem bereits gesagten prinzipiell auch zustimmen. Otta fand ich im besten Falle lahm. Die hat mich atmosphärisch auch kaum gepackt, was bei einer weitestgehend auf Atmosphäre angelegten Platte vermutlich ein ziemliches Problem ist. Auch das übliche Schönhören hat da nichts geholfen.
Berdreyminn habe ich mir dann in Folge der Bandstreitigkeiten, die die verbliebenen Mitglieder nicht unbedingt sympathischer gemacht haben, und der faden Otta gar nicht mehr gekauft. Hab sie mir dann ein paar Mal auf Youtube angehört und fand sie in der Folge aufgrund von Songs wie „Bláfjall“ etwas besser als die Otta aber immer noch ziemlich unspektakulär. Ich finde Solstafir ohne ekstatische Ausbrüche funktioniert nicht – zumindest für mich nicht.
Die Endless Twilight of Codependent Love ist für mich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich höre mir die Platte gerne an und finde auch prinzipiell die Variabilität in Bezug auf das Songwriting erfrischend. Wenn man sich allerdings die etwas älteren Sachen, insbesondere die Köld und die Svartir Sandar im direkten Vergleich anhört, macht sich allerdings ziemlich schnell ein bisschen Ernüchterung breit. Der Jam-Charakter ist offenbar Schema-F gewichen. Insgesamt würde ich aber gut gemeinte 7 Punkte vergeben. Nett aber nicht viel mehr.