„Utgard“ ist in der nordischen Mythologie ein Gebiet außerhalb der neun Welten und ein Wohnort von Riesen und Trollen. ENSLAVED haben also ein vergleichsweise konkretes Thema als Klammer für die Songs auf ihrem neuen, mittlerweile fünfzehnten Studioalbum gewählt. Dabei ist es aber nur ein vermeintlich konkretes, fassbares Thema, denn „Utgard kann vieles bedeuten“, wie Frontmann Grutle Kjellson feststellt. „Utgard repräsentiert etwas, das schwer oder sogar unmöglich zu beherrschen ist. Dieses Etwas ist gefährlich, chaotisch, unkontrollierbar. Aber trotzdem ist an einem Ort wie diesem etwas Magisches. Das ist der Ort, von dem auch Wahnsinn, Kreativität, Humor und Chaos stammen.“
ENSLAVED liefern kein traditionelles Viking-Metal-Album
Wenn der Opener „Fires In The Dark“ also mit einem sonoren Wikingerchor beginnt, sollte klar sein, dass ENSLAVED keineswegs ein wie auch immer geartet traditionelles Viking-Metal-Album aufgenommen haben, bei dem die Boote gesetzt und die nächste Siedlung geplündert wird. Dafür stehen die Norweger ja schon lange nicht mehr, und nicht zuletzt gab sich die Band mit ihrem letzten Album „E“ noch progressiver als ehedem – was Kollege Sven euphorisch feierte, andere allerdings auch etwas ernüchtert zurückgelassen hat.
„Utgard“ klingt zunächst sperrig. Das wird rasch deutlich, wenn besagter Chor von Bending-Riffs abgelöst wird, nur um im Refrain sanfte Melodien aufzufahren. Die Songs wechseln diesmal überraschend deutlich zwischen heimeligen und abweisenden Passagen, zwischen Melodie und Chaos. Dafür steht stellvertretend das für das erste Video ausgewählte „Homebound“, bei dem diese beiden Pole ziemlich unvermittelt gegenüberstehen, nur um im Refrain dann doch eine Synthese zu finden.
Sperrigkeit und Synthie-Loops
Zentral in der Mitte des Albums steht mit „Utgardr“ quasi der Titeltrack, ein Zwischenstück mit verhallter, gebieterische Stimme (kennt man so ja bereits von „Frost“) und synthetisiertem Windgeräusch. Merke: Das hier ist nicht die Welt, wie wir sie kennen, und da klingt der Wind auch nicht wie Wind. Etwas ähnliches mag sich auch manch alter Fan vom folgenden „Urjotun“ denken, das mit einem Synthie-Loop beginnt und schließlich im Spacerock ausläuft. Das ist ungewohnt und sperrig, funktioniert aber trotzdem.
Dagegen ist ein Stück wie „Jettegryta“ fast schon traditioneller ENSLAVED-Stoff – progressiv, aber die Black-Metal-Wurzeln nicht verleugnend, harsch und gleichzeitig ein wenig episch. Eher proggig ist „Sequence“, bei dem im instrumentalen Mittelteil verschiedene Soloebenen kurze Zeit übereinanderlaufen und sich dann ablösen. Und dann gibt es auch noch einige Songs und Passagen, wo der Härtegrad für mehr Melodien zurückgeschraubt wurde. Das abschließende „Distant Seasons“ ist so ein Fall.
Das mag zu einem guten Teil am Gesang liegen, der nicht mehr nur von Frontmann Grutle (harsch) und Keyboarder Håkon Vinje (klar) kommt. Mittlerweile ist auch der neue Schlagzeuger Iver Sandøy in diese Riege mit eingestiegen, und der kann mit ziemlicher Inbrunst singen. Das ist im Prinzip gut so, denn dadurch hat der Gesamtsound noch einmal gewonnen. Ob man dann allerdings beim etwas verminderten Härtegrad mitgeht, ist wieder ein anderes Thema. Allerdings auch kein gänzlich neues, und an der Qualität des Albums ändert das auch nichts. Denn letztlich sind es eher die Melodien – egal, ob beim Gesang, bei einzelnen Passagen oder bei Gitarrensoli – die vom Album im Gedächtnis bleiben. Der sperrige Eindruck verschwindet zwar nicht, gerät aber eher in den Hintergrund.
„Utgard“ ist sperrig, melodiös und proggig – und überzeugt
Nicht im Hintergrund steht die Feststellung, dass „Utgard“ vielseitig und letztlich überzeugend geworden ist. Vielleicht ist es nicht das beste Album der Bergener Band, denn gerade im letzten Drittel geht ihm ein wenig die durch den Kontrast erzeugte Spannung ab; es ordnet sich aber locker in der oberen Hälfte der überwiegend hochklassigen Diskographie ein. Auf die werden wir übrigens demnächst noch einmal gesondert eingehen – haltet also eure Augen offen.
Gestern bekommen, dreimal gehört und dafür erstmal 7 Punkte. Rezension trifft es ziemlich gut. Zwischen typisch Enslaved (auf ne Art), büschn mehr Prog (aber anders als zuvor) und insgesamt ziemlich sperrig. Ob das hier das beste Album ist, würde ich erstmal spontan verneinen, kann aber gar nicht sagen welches der tollen vielen Scheiben das beste sein soll. Wer bisher was mit Enslaved anfangen konnte, wird dies auch diesmal tun. Mir gefällst. Und jede Platte der Norweger entfaltet sich ja immer erst nach sehr häufigem Höre. Word.
Ja, sperrig beschreibt es tatsächlich ganz gut, vor allem weil die vielzähligen Elemente finde ich, nicht immer besonders toll harmonieren und man das Gefühl hat, hier zwei unterschiedliche Alben zu hören, die man irgendwie zusammengematscht hat. Matsch ist auch eine gute Beschreibung für die Produktion. Wie so oft bei Alben auf „meinem Lieblingslabel“, eine ziemliche Mainstream Katastrophe. Der Gitarrensound säuselt brav vor sich hin, das Schlagzeug plätschert teilweise kaum hörbar, langweilig im Hintergrund. Für ein Gothic Metal Album noch ok und teilweise klingt es sogar wie Gothic Metal, aber auch hier hat man der Musik, meiner Meinung nach die falsche Produktion verpasst.
Insgesamt kommt trotzdem noch ein ordentliches Album dabei raus, bei dem aber vieles nicht zusammenpasst.
Es gibt kein Enslaved Album wo du ne 7 ziehen kannst. Die neue Scheibe geht wieder Richtung Vertebrae, also vom Sound deutlich rockig und warm, aber immer kalt. Niemand weiss wie sies hinbekommen. Super Album, wie seit 30 Jahren. Absolute Kaufempfehlung.
Ich habe es wegen dieses Reviews (und der mittelmäßigen Soundcheck-Noten) ewig verschoben, dieses Album auch nur zu hören.
Als ich es dann doch tat, fand ich’s zuerst sehr sperrig, aber nach sehr vielen Durchläufen doch sehr geil. Gerade auch die hier irgendwie zweite Hälfte ist m. E. noch besser als die erste. Storms of Utgard ist einer der besten Enslaved-Songs überhaupt, und das ganze Album ist von vorne bis hinten stark.
Nicht so ziellos ausufernd wie E gelegentlich, aber trotzdem progressiv. Und gut produziert. Für mich das beste der letzten drei und eines der besten überhaupt.