Second To Sun - Leviathan

Review

Soundcheck Dezember 2020# 22

St. Petersburg – für viele die schönste Stadt Russlands und gleichzeitig einer der Hotspots der russischen Metalszene, in der in den letzten Jahren viel spannendes passiert ist. Da die dortigen Voraussetzungen einfach anders sind und ein Großteil der Szene auch später entstand, scheint man dort viel weniger Angst davor zu haben, auch moderne Einflüsse zuzulassen und einfach alles, was den eigenen Musikgeschmack beeinflusst auch auszuprobieren. SECOND TO SUN bilden hier keine Ausnahme, reichern ihren grundsätzlich im melodischen (Post-)Black Metal angegliederten Sound mit vielen kleinen Schnipseln aus anderen Bereichen an und haben mit „Leviathan“ ihr siebtes Album (das von der Band ungeliebte Sludge-Experiment „Based On A True Story“ ausgeklammert) am Start – und das völlig ohne die Unterstützung eines Labels.

SECOND TO SUN – Monströse Welle samt mythischem Ungeheuer

Ja, eigentlich müsste es dafür nen Euro in’s Phrasenschwein geben, aber „Eerie“ überrollt den Hörer nun mal nach kurzem Intro wirklich wie eine Dampfwalze, oder hier passenderweise eher wie eine monströse Welle samt mythischem Ungeheuer. Der erst 2017 eingestiegene Fronter Gleb Sysoev ist ein absoluter Glücksgriff, schreit sich die Seele aus dem Leib, während die Instrumentalfraktion neue Geschwindigkeitsrekorde aufstellt. Trotz einiger Schockmomente, beschränkt sich der Song nicht auf Effekthascherei, sondern entwickelt sich vielmehr zu einer ungeheuer fesselnden, aber eben auch melodischen Nummer. Die durchaus prominent eingesetzten Keyboards sind dabei zu keiner Sekunde klebrig, sondern getreu dem Songtitel unheimlich, erinnern im gesamten Verlauf der Platte mehrfach an BURZUM.

Das aus dem Opener bekannte Rezept wird von SECOND TO SUN letztlich immer weiter verwendet, aber trotzdem stets ausreichend variiert. Dabei entfesseln sie immer wieder absolute Urgewalten, klingen dabei aber eben nicht wie eine Kopie ihrer skandinavischen Vorbilder. Einflüsse aus Death Metal und Post-Hardcore ergeben zusammen mit dem dominierenden Schwarzmetall eine unwiderstehliche Mischung, mal mit brutal schneller Abfahrt wie im mächtigen „Shaitan“, oder auch atmosphärisch-stampfend wie in „Marsch der Wölfe“.

Immer dann, wenn man denkt, den Sound von SECOND TO SUN ausreichend erfasst zu haben, sich eventuell so etwas wie Übersättigung einstellen könnte, kommen die Russen mit einer neuen spannenden Wendung um die Ecke, vor allem mit großartigen Gitarrenmelodien, die eher dem schwedischen Melodic Death entliehen scheinen. Auch der Sound lässt letztlich keine Wünsche offen – auch wenn Black Metal-Puristen das Ganze vermutlich zu bombastisch klingen wird. Hut ab vor dieser Leistung, wenn man bedenkt, dass dieses Album auch in Sachen Produktion komplett in Eigenleistung entstanden ist.

Tritt ordentlich Arsch – „Leviathan“

Bandkopf Vladimir Lehtinen haut mit „Leviathan“ wohl das beste Album in der bisherigen Diskographie von SECOND TO SUN raus. Ok, vielleicht gibt es jetzt keinen Überhit, aber die ganze Scheibe ist einfach ein ordentliches Brett, bei dem – auch dank der knackigen Spielzeit von knapp 50 Minuten – der Finger praktisch nie Richtung Skip-Taste wandert.

Für Black Metal-Trvester vermutlich allein schon ob der modernen Produktion ein Graus, sollten hier nicht nur alle, die melodischem Schwarzmetall etwas abgewinnen können ein Ohr riskieren, sondern auch Melodic Death-Fans. „Leviathan“ bietet dichte Atmosphäre, ausreichend Abwechslung und tritt trotzdem ordentlich Arsch. Respekt!

22.09.2020

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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1 Kommentar zu Second To Sun - Leviathan

  1. BlindeGardine sagt:

    Als ich Burzum gelesen hab musste ich mir kurz spontan in den Mund kotzen, aber dann las ich genauer und hörte mal rein. Und es gefiel mir was ich hörte.