Die Mimmi's
Punk den Covid 19 nieder
Konzertbericht
Konzerte in Zeiten von Corona? Klar! Vor dem PC, im Auto in 200 Metern Entfernung von der Bühne oder gibt es noch eine andere Möglichkeit? 16 Bundesländer, 16 mal Spaß sich mit anderen Regeln rumzuärgern und dann wollen die lokalen Gesundheits- und Ordnungsämter auch noch zeigen, wie wichtig sie sind. Als alternative (Club-)Szene ist man Ärger gewohnt, hält sich aber deutschlandweit doch recht einsichtig an die Regeln. Ausufernde Partys und andere Verfehlungen hört man immer nur von anderen Szenen und so haben sich DIE MIMMI’S auf das Wagnis eingelassen, unter dem Motto „Punk den Covid 19 nieder“ fünf Konzerte in vier verschiedenen Bundesländern zu spielen. Drei Wochenenden mit Auftritten in Hamburg, Essen, Karlsruhe, Münster und Bremen sind geplant, mal als Opener, mal als Headliner, mal als einzige Band, mal drinnen und mal draußen. Ein großes Experiment. Ob sich denn alle auch an die Regeln halten? Denn wenn Punks irgendwas nicht mögen, dann sind es Regeln.
In Karlsruhe ist die Alte Hackerei der lokale Veranstalter und hat sich für eine Open-Air-Variante des Konzertes auf dem Parkplatz des benachbarten Substages entschieden. Doch da tut sich erstmal gar nichts, denn in der auch benachbarten Fleischmarkthalle findet eine Oper statt und da die wegen der Hitze alle Fenster und Türen geöffnet hat, bitten die Veranstalter draußen noch um Ruhe. Man hat noch nie so viele Besucher eines Punkkonzertes verständnisvoll „Ruhe“ zischen hören, aber auch „coole Vorgruppe“ kam oft.
Nichtsdestotrotz also erstmal in den Biergarten der Alten Hackerei, wo sich mit Kaltgetränken und warmen Essen auf das Konzert vorbereitet werden kann. Gegen 21.15 Uhr darf dann auch vor der Bühne reichlich Platz genommen werden. 99 Stühle sind an kleinen Tischen aufgebaut und je nach Größe der Gruppe darf man sich aussuchen, wo man sich niederlassen will. Das Publikum ist bunt gemischt und liegt im Altersdurchschnitt jenseits der 30, denn die erste Veröffentlichung der MIMMI’S stammt auch von 1982.
Vor uns sitzen drei Damen, die vielleicht sogar schon die 60 überschritten haben, hinter uns vier Punks, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie volljährig sind. DIE MIMMI’S verbinden und ziehen ihre Fans. Da ist die Gruppe aus der Schweiz, die sonst auch immer zur Rock ’n‘ Roll Butterfahrt nach Helgoland anreißt, und der Band extra eine Fresskorb aus der Schweiz mitgebracht hat. Da sind die acht Hamburger, die alle einen mächtigen Wohlstandsbauch vor sich hertragen, und auch schon gestern in Essen dabei waren und da sind noch viele andere Leute, die unter anderem auch von draußen von der anderen Seite vom Zaun zuschauen. Aber selten ist die Stimmung so entspannt, friedlich und euphorisch auf einem Konzert. Macht das der Abstand zwischen den Leuten, die Vorfreude endlich wieder an einem Konzert teilnehmen zu dürfen oder ist das einfach immer so bei DIE MIMMI’S? Sogar die Polizei kommt mal kurz vorbei, schaut durch den Bauzaun und fährt gleich wieder.
Sänger Fabsi ist mittlerweile im 65. Lebensjahr, doch an die Rente ist nicht zu denken. Punkt 21.30 Uhr entern DIE MIMMI’S die Bühne und legen mit Jörgi an der zweiten Gitarre los. Er wird später als Gitarrenlehrer aus Bremen vorgestellt und kriegt erstmal die große Breitseite an Sprüchen ab, als ihm ziemlich zu Beginn eine Gitarrensaite reißt. Doch im Publikum findet sich jemand, der ihm eine neue aufzieht, während er auf Elfs zweiter Gitarre weiterspielt.
Die Band ist sowieso bester Laune, haut dumme Sprüche zwischen den Songs raus, lacht über die eigenen Verspieler oder Ansagen zu den falschen Songs. Fabsi, heute im Union-Jack-Anzug, holt auch wieder verschiedene Kostüme raus, denn eigentlich ist er ja aus Düsseldorf und damit Karnevalist. PINK FLOYD’s Schwein wurde geschrumpft und ist eigentlich gar nicht von PINK FLOYD, denn dieses hier quietscht und hat seinen Bruder mitgebracht, wie auch Fabsi eine Zugflöte und und und.
Konzerte der MIMMI’S sind auch immer etwas Show, nur der obligatorische „Dosenbier“-Song muss heute aufgrund von Corona ohne Verteilaktion der Gerstenkaltschale auskommen. Wir wollen lieber nicht wissen, welche Temperaturen das Billigbier im Bandbus ausgesetzt worden wäre. 90 Minuten DIE MIMMI’S umfassen heute Songs von 1984 wie „Vater’s Kellerbar“ bis zur neuen Single „Wichtig ist am Strand“, der ersten Veröffentlichung seit 2014, die schon am Merchandise erworben werden kann und offiziell im September erscheint.
Die Begeisterung im Publikum und bei der Band kennt heute keine Grenzen, die Hamburger reißen sogar beim zweiten Song „Eines Tages wird es passieren“ ein Bengalo an. Wortwörtlich sind alle Feuer und Flamme. Hier spielt Städtefeindschaft keine Rolle und Fabsi kann gerne seiner Fortuna aus Düsseldorf in der zweiten Liga die Daumen drücken, auch wenn 1982 die erste Single dem SV Werder Bremen gewidmet war. 90 Minuten vergehen wie im Fluge und danach geht es entweder an den Merchandise oder wieder rüber in den Biergarten der Alten Hackerei, um mit sich selbst und/oder der Band noch den einen oder anderen zu heben.
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37295 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!