Campaign For Musical Destruction Tour 2020
Der Bericht aus Stuttgart
Konzertbericht
27 Shows an 31 Tagen zu spielen hatten sich NAPALM DEATH und das bunte Package an Bands der härteren Musikrichtungen vorgenommen. Und bis auf die Absage des Konzertes in Zürich wegen der Corona-Pandemie wurde der Tourplan mit vielen ausverkauften Shows auch so durchgezogen, denn vier der fünf Bands waren schließlich in der Vergangenheit schon als Headliner unterwegs. Stuttgart war dann an einem Mittwoch in der letzten Tourwoche an der Reihe, beschallt zu werden.
Vor Ort steht schon eine kleine Gruppe vor dem Im Wizemann und die Schwarzhändler / Flaschensammeler philosophieren sich einen über Ticketverkäufe und das Coronavirus zusammen. Neben der „Campaign For Musical Destruction“-Tour in der großen Halle findet im kleineren Club heute auch ein bestuhltes Konzert des Engländers LLOYD COLE statt, dessen Besucher sich den Vorraum, die Theke und die Toiletten mit den Langhaarigen teilen, aber dank des Besucherverhältnisses von 4:1 zu Gunsten der Haarlänge nicht stark auffallen.
18.00 – 18.30 BAT
Den Abend eröffnen pünktlich um 18 Uhr BAT, die Band um die beiden MUNICIPAL WASTE Gitarristen Ryan Waste und Nick Poulos. Vor einer handvoll Leuten legt das Trio seinen Speed Metal aus dem bisher einzige Album „Wings Of Chains“ aus dem Jahr 2016 aufs Parkett, um ihn dem Publikum nahe zu bringen. Das gelingt recht treffsicher, denn BAT sind die musikalischen Exoten an diesem Abend und lassen so aufhorchen.
Zwischendurch ein Blick auf das Angebot am Merchandise, wo es faire Preise zwischen 10 und 20€ pro T-Shirt gibt und dementsprechend den ganzen Abend eine hohe Geselligkeit herrscht.
18.45 – 19.15 ROTTEN SOUND
Vor nicht mal 12 Monaten waren ROTTEN SOUND zum letzten Mal in Stuttgart und wie 2019 gibt es auch 2020 einfach mal 30 Minuten auf die Ohren. Jedenfalls nachdem das Mikro dann auch funktioniert, denn Sänger Keijo ist beim ersten Song nur zu erahnen. Danach fährt der Hochgeschwindigkeitszug aus Finnland einfach über einen weg und hinterlässt wie immer fragende und glückliche Gesichter. ROTTEN SOUND haben auf dieser Tour zum ersten Mal David Kasipovic aus Passau als Livebassisten dabei und der macht sie wie bei VOR DIE HUNDE gut auf der Bühne.
19.30 – 20.15 MISERY INDEX
Wenn MISERY INDEX an einem Abend die Band sind, bei der man sich musikalisch erholen kann, dann sagt das schon einiges über das Angebot nichtvorhandener Melodien bei den anderen Bands aus.
Was ist heute anders als an den bisher gesehenen Auftritten von MISERY INDEX? Jason Netherton macht mal wieder eine Ansage komplett auf deutsch, denn Mark Kloeppel hat Geburtstag und das Publikum stimmt gleich mit einem „Happy Birthday“ ein. Die Stimmung ist gut, der Sound ist gut und auch an den zehn Songs lässt sich nichts aussetzen. MISERY INDEX überzeugen in der mittlerweile gut gefüllten Halle mit einem Mix der Songs aus mehreren Alben. Hier kommt aber komischerweise das vorletzte Album „The Killing Gods“ mit „Conjuring The Call“ und dem vom Band kommenden „The Oath“-Intro etwas kurz. Trotzdem kann nicht viel mehr Qualität in die Dreiviertelstunde hinein packen. MISERY INDEX? Immer wieder gerne.
MISERY INDEX Setlist:
Embracing Extinction
The Spectator
The Great Depression
Ruling Class Cancelled
New Salem
The Choir Invisible
The Oath
Conjuring The Cull
The Carrion Call
Hammering The Nails
Traitors
20.40 – 21.25 EYEHATEGOD
Wann hört der Soundcheck auf, wann fängt die Performance an? Wahrscheinlich dann, wenn Mike Williams ans Mikro tritt, denn Jimmy Bower und Aaron Hill sind schon länger auf der Bühne. Während erstgenannter Blues-Melodien auf der Gitarre spielt, trommelt Hill einfach irgendwas vor sich hin. Ist das noch Soundcheck? In welchem Universum befinden sie sich gerade?
Doch dann steht plötzlich Mike Williams auf der Bühne und es kann losgehen. Jimmy Bower reckt die Mittelfinger, eine Feedback-Walze tanzt über das Publikum, Williams steht seitlich zum Pubikum und tanzt wie Ozzy mit seinem Mikroständer. Irgendwann darf er dann aber auch stimmlich mittun.
Tief aus den Sümpfen von New Orleans kommt eine Sludge-Eruption nach der nächsten und hinterlässt ein zer- und verstörtes Publikum. „Wer hat EYEHATEGOD schon mal live gesehen?“ – Drei Arme heben sich. Die Sumpfbewohner machen sowieso was sie wollen, nur alt sind sie geworden. Ok, Mike Williams sah in den letzten 30 Jahren noch nie wie ein Quell der Freude aus, aber auch Jimmy Bower sieht man seine 51 Jahre mittlerweile deutlich an.
EYEHATEGOD sind EYEHATEGOD und erstaunlich wenig Leute verlassen ihren Platz während der Show und erstaunlich lautstark fällt der Applaus nach deren Ende aus. Sollte das Publikum doch mit dieser Art von Musik umgehen können? Die Die-Hard-Fans stürmen jedenfalls direkt im Anschluss nach vorne, wo Bower den Umbau der Bühne zur Autogrammstunde umfunktioniert. Ihm doch egal, ob er hier jemandem beim Abbau im Wege steht.
21.45 – 23.00 NAPALM DEATH
NAPALM DEATH stehen auch auf dieser Tour ohne Mitch Harris auf der Bühne und die Vertretung übernimmt wieder John Cooke, dessen Dreadlocks mittlerweile epische Länge angenommen haben. Cooke soll aber weiterhin Mitglied der Band sein und auch auf dem nächsten Album zu hören sein, von dem es heute schon die erste Single „Logic Ravaged By Brute Force“ zu hören gibt.
Wie bei ROTTEN SOUND, so gibt es bei NAPALM DEATH heute 20 Songs auf die Ohren. Eigentlich 21, denn „You Suffer“ wird zweimal an verschiedenen Stellen des Sets gespielt mit dem Hinweis, doch immer genau aufzupassen, denn sonst könnte man was verpassen. Barney tobt immer noch wie ein Verrückter über die Bühne und die Band spielt immer noch so präzise wie vor 30 Jahren. Wer NAPALM DEATH einmal gesehen hat, weiß, was einen erwartet. Heute fliegen die Crowdsurfer mal wieder tief, aber leider gibt es einen Graben vor der Bühne, so dass die totale NAPALM DEATH-Madness nicht aufkommen kann.
Wie immer ist der Herr Greenway redselig aufgelegt und betont, dass auch in diesen Zeiten jeder oder jede bei NAPALM DEATH Konzerten willkommen sei, egal woher er oder sie komme und welche Hautfarbe er oder sie habe. „When all is said and done“ wird dann dem Thema „My Body, My Choice“ gewidmet und klargestellt, dass kein religiöser Eiferer das Recht habe über den Körper einer Frau zu bestimmen.
So weit, so gut, denn über NAPALM DEATH kann in dieser Form nichts anderes als Lob geäußert werden. Mögen die alten Briten uns noch lang in ihrer einzigartigen Kauzigkeit mit ihrer Power erhalten bleiben. Und sollten sie wieder so ein Package zusammenschnüren, dürfen sie sogar ganz schnell wiederkommen.
NAPALM DEATH Setlist:
I Abstain
Silence Is Deafening
The Wolf I Feed
Can’t Play, Won’t Play
Social Sterility
Scum
Fatalist
Logic Ravaged By Brute Force
Suffer The Children
If The Thruth Be Known
Human Garbage
When All Is Said And Done
Mass Appeal Madness
Unchallenged Hate
You Suffer
Smash A Single Digit
Cleanse Impure
Dead
Nazi Punks Fuck Off (DEAD KENNEDYS-Cover)
White Cross (SONIC YOUTH-Cover)
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