Oceansize
Interview mit Mike Vennart zu "Self-Preserved While The Bodies Float Up"

Interview

Nach dem schwer verdaulichen letzten Brocken „Frames“ melden sich OCEANSIZE mit „Self-Preserved While The Bodies Float Up“ wieder und vermitteln ziemlich deutlich den Eindruck, dass sie nicht vorhaben zugänglicher zu werden. Um zu verstehen, was die Band ausdrücken möchte und wie ihre Musik überhaupt funktioniert, lag es nahe, direkt an der Quelle nachzufragen. Sänger und Gitarrist Mike Vennart stand Rede und Antwort.

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Zunächst mal Gratulation zum neuen Album. Es ist immer wieder erfrischend, neue Musik von euch zu hören, weil ein neues OCEANSIZE-Album eine große Herausforderung darstellt. Es beginnt wieder die Zeit, in der man sich hinlegen, die Anlage aufdrehen und intensiv den Klängen lauschen muss, um zu verstehen, was passiert. Gefällt es dir, wenn ich sage, dass ihr weit weit weg von Easy-Listening seid und mit „Self-Preserved While The Bodies Float Up“ ein äußerst anspruchsvolles Album erschaffen habt, für das man sich Zeit nehmen muss, weil man es sonst nicht versteht… nicht verstehen kann?

Ja, so kann man es sehen. Ich meine, es ist jetzt nicht SUNNo))) oder Brian Eno. So weit entfernt vom Mainstream, dass die Leute es nicht mehr verstehen können, sind wir gar nicht. Für uns ist das Album sogar ziemlich einfach gehalten, verglichen mit dem Vorgänger, der ja erheblich dichter und komplexer war. Aber scheinbar müssen wir ziemlich schwer zu greifen sein, sonst wären wir sicherlich total berühmt!

Als „Everyone Into Position“ erschien, war ich restlos begeistert, hin und weg, „Frames“ hat mich aufgrund der Sperrigkeit erst einmal abgeschreckt, nachdem ich mich jedoch mit dem Album intensiv auseinandergesetzt habe, entfaltete es sich zu einem Meisterwerk, und immer noch ist „Trail Of Fire“ mein ungeschlagener Lieblingssong von euch. Wie siehst du „Frames“ oder den Vorgänger heute? Viele Bands sehen ihre vergangenen Alben eher kritisch; wie ist das bei euch?

Tja, das ist echt seltsam. Ich dachte immer, dass unser zweites Album das beste wäre, was wir jemals machen könnten, aber es hatte nach seiner Veröffentlichung 2005 nicht den erhofften Erfolg. Erst als wir „Frames“ rausbrachten, begannen die Fans sich auch mehr für „Everyone Into Position“ zu interessieren. Zu diesem Zeitpunkt wurde „Frames“ als Rückschritt betrachtet. Und nun, mit dem neuen Album, hören wir von manchen Leuten, dass wir „Frames“ niemals überbieten werden. Unsere Fans liegen sozusagen immer drei Jahre hinter uns. „Frames“ war eine sehr befreiende Phase, in der es uns alles schlicht egal war und wir einfach die Musik machten, die wir selber mögen. Und das tun wir immer noch.

Denkst du, dass für manche Fans der Sprung von „Everyone Into Position“ hin zu „Frames“ schwer war? Ich meine, du kannst nicht verleugnen, dass sich die Komplexität der Songs zwischen den Album um ein enormes Maß gesteigert hat…

Vielleicht. Mit „Frames“ haben wir unsere Identität und Menschlichkeit gefunden. „Music For A Nurse“ und „Ornament/The Last Wrongs“ sind die menschlichsten und traurigsten Stücke, die ich jemals gesungen habe. Persönlich halte ich nicht viel von Komplexität, Virtuosität oder irgendwelchen technischen Raffinessen, da könnten vielleicht die anderen aus der Band mehr dazu sagen.

„Self-Preserved While Bodies Float Up“ setzt dann genau da an, wo „Frames“ geendet hat. Das Album ist der logische Blick nach vorne, noch feiner, noch verspielter, noch schwieriger?

Ich würde sagen, es ist weniger komplex. Wenn „Frames“ problematisch sein sollte, dann denke ich, ist es die Musik, die nur von Musikern voll verstanden und genossen werden kann, und das finde ich sehr, sehr schade. Meiner Meinung nach ist das neue Album sehr verspielt – „Part Cardiac“ ist darauf angelegt, so absurd zu klingen, genau wie „Sleeping Dogs“. Sowas wie Cartoon-Härte. Uns allen geht es um Detailarbeit, in den Songs ist eine Menge Unterschwelliges verarbeitet worden. „A Penny’s Weight“ ist ein sehr vielseitiges, texturenreiches Stück, genau wie „Build Us A Rocket“. Ich denke, es ist wichtig, dass man in die Songs ein gewisses Maß an Dimension hineinbringt, die zum mehrfachen Hören animiert.

Benötigt ihr eigentlich lange, um einen Song komplett fertigzustellen? Wie entsteht ein Stück bei euch? Alle haben Ideen oder gibt es ‚den‘ kreativen Kopf bei euch?

Das ist immer unterschiedlich. Wir haben eine Ewigkeit an Songs gesessen, die es letztendlich doch nicht aufs Album geschafft haben. Und dann wiederum kann es passieren, dass jemand mit einem fertigen Stück ankommt, das nur noch den Gesang braucht – zack, fertig. Auf dem neuen Album gab es einige solcher Soloarbeiten, Hodson z.B. hat fast im Alleingang „Oscar Acceptance Speech“ geschrieben und aufgenommen. Durose schrieb „Superimposer“ und „Pine“, etc.

…und wie ist das mit den Texten, werden sie um die Musik herum gebaut oder steht erst der Text oder entsteht sogar beides im Einklang?

Die Texte kommen immer ganz am Schluß, weshalb es teilweise Monate dauert, bis die Songs vollendet werden. Wenn ich mir nicht selbst in den Hintern trete und mich von den Songs inspirieren lasse, liegen die manchmal sogar jahrelang rum.

Wolltet ihr ein bestimmtes Konzept für das Album oder passierte das einfach so?

Wir machen nie bewusst etwas, alles läuft instinktiv. Das hört sich für viele Leute zwar nach ausgemachtem Blödsinn an, aber so ist das nunmal bei uns. Wir sprechen fast nie darüber, was die Musik bewirkt oder was wir bewirken wollen. Wir machen es einfach. Nichts ist geplant, alles ist real.

Ich habe in meinem Review geschrieben, dass Musik und Gesang bei euch nur im Einklang funktioniert. Wäre der Gesang nicht da, hätte man zwar vorzügliche Instrumentalmusik, aber irgendwie wäre auch eine Lücke da, und würde der Gesang ohne die Musik dastehen, könnte man die besungenen Melodien kaum nachvollziehen. Würdest du dem zustimmen?

Aber selbstverständlich. Die Texte sind mir sehr wichtig – ich muss für immer mit ihnen leben. Ich muss sie singen und hinter ihnen stehen, jede Nacht. Deshalb nehme ich mir auch viel Zeit, um die lyrischen Ideen zu formen und Gestalt annehmen zu lassen.

Ihr habt, genau wie bei „Frames“, wieder auf ein relativ minimalistisches Artwork gesetzt und dieses Mal durch die Farben sogar noch eine etwas dunkle und durch das Motiv eine leicht skurrile Note hinzugefügt. Ist das vielleicht auch ein visueller Ausdruck eurer Musik, die leicht melancholisch (die Farben) und nicht ‚mal eben so‘ zu konsumieren (das Motiv) ist?

Ich glaube, künstlerisch bevorzugen wir alle eine gewisse „Stumpfheit“. Es geht vor allem um die Musik, deshalb spielt das Artwork nur eine untergeordnete Rolle.

Ihr werdet oft mit in den Prog-Topf geworfen, wobei ich behaupte, dass ihr da nicht so richtig hingehört. Aber wo gehört ihr hin?

Keine Ahnung… und ehrlich gesagt ist mir das vollkommen egal.

Ich kenne keine andere Band, mit der man euch vergleichen könnte, deshalb behaupte ich mal, dass ihr einzigartig seid und aus dem großen Wust an Bands deutlich herausstecht…

Vielen Dank, dass nehme ich als Kompliment auf.

Ich hatte leider noch nicht die Gelegenheit euch Live erleben zu dürfen. Wie würdest du eure Shows jemandem wie mir schmackhaft machen… was erwartet mich?

Die gleichen Songs, die du kennst und liebst, nur dass sie von verschwitzten Herren in einem verschwitzten Club vor viel zu wenig Zuhörern gespielt werden.

Gibt es einen Song, den du am liebsten live spielst?

„Part Cardiac“, „Ornament“ und „Nurse“.

…und welcher kommt am besten beim Publikum an?

„Ornament“.

Ich denke, bis wieder von euch zu hören ist, kann man die Zeit ausgiebig mit „Self-Preserved While Bodies Float Up“ nutzen und genießen. Es gibt viel darauf zu entdecken. Danke für dieses tolle Album!

Ich danke DIR.

20.09.2010

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