Judas Priest
Nostradamus - Die zweite Meinung

Special

Einst als eine der einflussreichsten Bands des Genres gefeiert, haben JUDAS PRIEST dieser Tage erstmals ein Konzeptalbum vorgelegt, das die Fangemeinde in zwei Lager spalten wird. Denn nüchtern betrachtet lässt das Ergebnis – ohne zu behaupten, dass die Band an ihrem eigenen Anspruch gescheitert ist – nur einen Schluss zu. So habe ich für die wohlwollenden, gar überschwenglichen Worte, die mein Kollege Colin in seinem Review für den aktuellen Longplayer „Nostradamus“ übrig hat, auch nur ein verständnisloses Kopfschütteln übrig und frage mich, wie komplett anders meine Musikwahnehmung sein muss, um die echten Kracher und tatsächlichen Klassiker der Band zu vergessen und einem Gekurke wie dem auf „Nostradamus“ Perfektion zu bescheinigen? Im Folgenden meine Meinung zu JUDAS PRIESTs Rock-Musical „Nostradamus“.

Judas Priest

Alben wie „British Steel“, „Ram It Down“ oder das von Fans ganz besonders abgefeierte „Painkiller“ sind zum Teil wirklich aufregende Alben, die auch irgendwo weit oben in meiner Gunst zu finden sind, aber – Hand aufs Herz – ohne diesen gewissen Nostalgiefaktor sind auch diese Alben nicht wirklich das Ultimatum im Metal. Erst als Tim „The Ripper“ Owens als Nachfolger von Rob „Metal Ist Tot“ Halford angekündigt wurde, horchte ich wieder auf und wurde von einem meisterhaften Album mitgerissen, das zugleich traditionell als auch modern und vor allem aggressiv ist: „Jugulator“. Auch „Demolition“ ist ein bombiges Werk, das nicht nur völlig unterschätzt ist, sondern auch einen der besten Tracks der Band zu bieten hat, nämlich „Subterfuge“. Allerdings – das möchte ich nicht beschönigen – hat dieses Album leider mit dem Sound zu kämpfen. Sei’s drum. Ich wage zu behaupten, dass die (Metal-)Welt und JUDAS PRIEST selbst für Alben wie „Jugulator“ und „Demolition“ einfach noch nicht reif genug war und die Genialität der Verbindung Tipton-Downing-Owens weder begreifen noch komplett ausschöpfen konnten. Dabei ist Tim Owens im Vergleich zu Halford der deutlich variablere Sänger.

Es kam wie es kommen musste: JUDAS PRIEST und Rob Halford feierten ihre (vieldiskutierte) Wiedervereinigung mit einem für meinen Geschmack ziemlich durchwachsenen Album. – „Angel Of Retribution“ offenbart keinerlei Überraschungen und geht – zur Freude vieler alter Fans – auf Nummer sicher. Einem solchen Vorwurf wollte sich die Band jedoch nicht beugen und kündigte ein Konzeptalbum über den kontrovers diskutierten Apotheker Michel de Nostredame an, der bereits zu Lebzeiten für seine Prophezeiungen berühmt aber auch gefürchtet wurde.

Dass ein Konzeptalbum mit orchestralen Parts kein typischer PRIEST-Stoff werden würde war natürlich klar und ist für mich auch kein Hindernis, dieses Album nicht gut zu finden, denn nur die Qualität zählt, doch diesbezüglich muss man auf „Nostradamus“ klare Abstriche machen: die Produktion lässt sehr zu wünschen übrig, die Gitarren klingen dünn und das Schlagzeug klingt billig, ohne Punch und manchmal ähnlich elektronisch getriggert wie zu „Ram It Down“-Zeiten, wo zumindest beim Titelsong und für „Hard As Iron“ ein Drumcomputer verwendet wurde. Der Drumsound hätte deutlich fetter sein können. Auch die Gesangsleistungen von Halford, der ausschließlich in mittleren Lagen singt und auf diesem Doppelalbum komplett auf hohe und aggressive Shoutings verzichtet, haben ihren alten Glanz verloren. Der Mann wirkt deutlich gealtert, was immer häufiger auch auf Live-Gigs zu bemerken ist. Dieser Faktor ist allerdings nicht allzu tragisch, da auf „Nostradamus“ die schnellen und typisch-screamigen PRIEST-Doublebass-Hämmer sowieso komplett fehlen und sich die Gesangslinien oft am Rand der Eintönigkeit bewegen.

Die Songs an sich kommen nur selten auf den Punkt (z.B. „Prophecy“, „Revelations“, „Future Of Mankind“) und einige Passagen wirken zu sehr in die Länge gezogen. Die vielen Zwischenspiele, obwohl teilweise stimmig umgesetzt, tragen auch nicht dazu bei, „Nostradamus“ zusätzliche Dynamik zu verleihen. Bei einer kompletten Spielzeit von über 100 Minuten zieht sich das Album daher unheimlich in die Länge und wirkt auf Dauer nur noch ermüdend.

„Nostradamus“ klingt zu brav, zu schwülstig, einfach zu zäh und einschläfernd-langweilig, um auch nur annähernd an die vielen Klassiker (beim Gedanken an Songs wie „Electric Eye“, „Rapid Fire“, „Heavy Metal“, „Leather Rebel“, „Breaking The Law“, „Night Crawler“, „Burn In Hell“ oder auch einfach nur „Bloodsuckers“, kommen mir schon fast die Tränen) der Band heranzureichen. Um es auf den Punkt zu bringen: JUDAS PRIEST liefern mit diesem Album ein Gekurke ab, das weder Klassik noch wirklich Metal zu bieten hat und zu den bisherigen Tiefpunkten des Jahres und auch der Band selbst zu zählen ist.

3/10

Galerie mit 17 Bildern: Judas Priest - Rockharz Open Air 2024
21.06.2008

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