Helmet, Totimoshi
Konzertbericht
Ihr aktuelles Album „Monochrome“ ist die kränkelnde Erinnerung an die eigene Stärke, es ist Page Hamiltons vielleicht letztes Aufbäumen. Denn so löblich und logisch Hamiltons Versuch, alte Stärken mit neuen Ansätzen zu kombinieren auch sein mag: Der Vorwurf der Gefälligkeit ist nicht von der Hand zu weisen. Sie sind beliebig geworden. HELMET fühlt sich mittlerweile wie ein Ego-Projekt an, nicht wie eine Band. Nach jedem Album, nach jeder Tour ist Stühlerücken angesagt. Und unter neuer Besatzung ¬– aktuell sind das Dan Beeman (Gitarre), Jon Fuller (Bass) und Kyle Stevenson (Schlagzeug) – und altem Steuermann zeigt man den Willen, zu knackigeren Breaks und strafferen Gitarren zurückzukehren. Nur klappt es nicht. Auf Platte zumindest. Schnell muss man aber zur Einsicht kommen, dass das live nicht gilt und HELMET immer noch bedingungslos unterstützenswert sind.
Die Vorband machen TOTIMOSHI aus Kalifornien. Das ist Psychedelic-Stoner-Atmosphäre mit ruppigem SONIC-YOUTH-Garagentouch. Wer so einen hundertprozentigen Sänger und Gitarristen – ganz in schwarz gekleidet, eine Ähnlichkeit mit der Figur Anton Chigurh aus dem Coen-Film „No Country For Old Man“ ist nicht von der Hand zu weisen – in seinen Reihen hat, hat den sublimen Wahnsinn auf seiner Seite. So ganz zünden, wollten die Songs nicht, sodass sich der Raum unmittelbar vor der Bühne auch bei ihrem letzten Song „The Dance Of Snakes“ nicht füllte.
Kurz nach halb zehn und die Stuttgarter Röhre ist voll. Mit ihrer Setlist fahren HELMET die ganz große Bandbreite ihrer musikalischen Ausdrucksmittel auf und scheinen jedem unmissverständlich klarmachen zu wollen, dass sie eine der besten Live-Acts überhaupt sind. Losgelöst betrachtet von Kult-Status und aller Hamilton-Patina ist das hier heute Abend schlicht und einfach ein sehr drückendes, überzeugendes Konzert: Der etwas missglückte Einstieg mit „Swallowing Everything“ wird gleich mit „Renovation“ und dem raubeinigen Riffrock von „See You Dead“ ausgebügelt. Von treibenden Postpunk-Nummern wie „It’s Easy To Get Bored“ mit den programmatischen Zeilen „If I’m half informed / sympathize because it’s easy to get bored / I don’t have time to waste / I’m busy cultivating useless good taste“, über „Milquetoast“ bis hin zu „Diet Aftertaste“ und natürlich „Wilma’s Rainbow“, es gelingt ihnen von da an der Spagat zwischen stumpfen In-your-face-Effekten und tieferer Struktur, gerade durch die Mitte zu punchen, aber hintenherum mit Melodie und viel Groove zu überraschen.
Eine Show auf Autopilot. Die wuchtige Rhythmusarbeit dient nicht allein als Katalysator für heftige Kopf- und Hüpfbewegungen im Publikum, sondern ist auch tragende Basis für wunderschöne Feedback-Experimente in alle Himmelsrichtungen auf der Bühne. Mit ungespielter Spielfreude und pointierten deutschen Ansagen schicken Hamilton – der übrigens mehrere Jahre in Stuttgart gewohnt hat – und seine junge Truppe mit transparent-glasklarem Sound eine kleine Revolution durch die Boxen. „Ironhead“ und „Unsung“ von dem meist übersehenen Klassiker „Meantime“ gibt es dann sogar auf Zuruf aus dem Publikum. Mit diesen Songs wird man wieder daran erinnert: Das Zusammendenken von wild wucherndem Ideenreichtum, ausladender Improvisation und Minimalismus kann so einfach klingen. Spätestens als mit „In The Meantime“ der Zugabenblock beginnt, hat das jeder verstanden und es wird deutlich, wie wenig die Stil-Traditionalisten HELMET an der Gegenwart hängen: Sie haben heute komplett bis auf eine Ausnahme ihr neues Album „Monochrome“ ausgespart. Altes war die Regel.
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