Château Laut
Château Laut
Konzertbericht
Kurz nach 20 Uhr liegt die Zahl der zahlenden Gäste gerade mal bei etwas über 20. THE SEASON STANDARD grooven jazzig, singen eunuchig und entlocken einer Heimrechner-Kiste dezent integrierte elektronischen Klänge. Hinter den unauffälligen Studententypen läuft stumm ein Film in Schwarz-Weiß ab. War was? Ja, zwar nichts direkt Greifbares, aber auf diesem Niveau so leichtfüßig aufzutreten, schnuppert nach einer gewissen Klasse. Ein 15-Minüter wird mir in die Hand gedrückt. Die dunkelrote Mini-CD im handgebastelten Pappschuber kommt ein bisschen wie die Musik daher: Komplexität, Sperrigkeit und Individualität gehen im Zweifelsfall über Funktionalität, doch das Gesamtprodukt ist schmal genug, um in jede Schublade rein- und wieder rauszuhüpfen. Klarer Tipp für Freunde verspielter Post-Prog-Jazz-Avantgarde-Rock-Stücke. Weniger Hits, eher Ambient-Charakter, Fluss, Atmosphäre… Für Unschlüssige noch folgende Fakten: Das erste Album erscheint dieser Tage im auf 2000 (!) Einheiten limitierten Digipack und wird auch in Japan, USA und Großbritannien erhältlich sein – also eher nicht die Dimensionen, in denen eine völlig belanglose Amateur-Truppe spielen würde. Ach ja, Markus Reuter, der beispielsweise zusammen mit Musikern von EMPEROR und ULVER an STAR OF ASH arbeitete, übernahm die Produktion, Denis Blackham (LED ZEPPELIN und Co.) masterte, Trey Gunn (KING CRIMSON) trat als Gast auf. Spätestens jetzt sollte die Zielgruppe aufhorchen und bei www.myspace.com/theseasonstandard vorbeischauen.
Aufmerksamen Lesern ist die nächste Band bereits neulich im Bericht zum LONG-DISTANCE-CALLING-Auftritt begegnet. CHÂTEAU LAUT wirken diesmal etwas besser und spielsicherer. Wahrscheinlich liegt das auch am Sound, der weniger überzogen klingt. Zwei Kameras zeichnen auf. Mir sind die Jungs mit der jungen Frau am Bass im Vergleich zum Restprogramm aber zu unscheinbar. Warten auf den nächsten Programmpunkt: Black Metal. Moment, Black Metal? Richtig. Digitalen Hardcore und progressiven Death Metal soll’s später auch noch geben. Verantwortlich für diese bunte Mischung sind Octacle. Der Berliner Veranstalter buchte sich in den letzten Jahren quer durch die hart rockende Musiklandschaft. Alle Gruppen, die heute auftreten, hat man schon mal als lokalen Support auf einem Konzert begrüßt. Als Dank ist dieser Abend gedacht, noch bleibt jedoch fraglich, ob sich das für die beteiligten Musiker lohnen wird.
Kunstblut? 200 EUR Reinigungspauschale! Fackel? Brandschutzbestimmungen! Misanthropische Musikanten haben es auch nicht immer leicht. Doch auf die ganz abgedroschenen „Heil Satan“-Klischees verzichten NEITHAN sowieso. Der Schlagzeuger schlendert im weißen T-Shirt zum Arbeitsgerät, der neue Gitarrist trägt Glatze und Brille. Dem Sänger (Foto) bleibt neben Camouflage-Hose und lockiger Haarpracht immerhin auch sein Leibchen, das ihn als Nihilist ausweist. Er und seine Mitstreitern überzeugen eine gute halbe Stunde – auch ohne ursprünglich geplante Spezialeffekte. Ein angenehmes Maß an Eigenständigkeit, Variabilität sowie der druckvoll-rockige Sound halten die inzwischen ca. 50 Anwesenden bis zum abschließenden ’Neithan II’ bei der Stange. Lediglich das oft blau-gelbe Standlicht stört die Atmosphäre. Wenn zudem Schwarzmetaller „was Neues“ ankündigen und gleichzeitig der startende Beamer ein MODERN-TALKING-Logo in den Bühnenhintergrund rotzt, grenzt das an Sabotage. Für mich trotzdem die livehaftige Bestätigung, dass es mindestens eine nennenswerte Black-Metal-Band in Berlin gibt. Tonträgerbesprechungen und Interview finden sich übrigens auf diesen Seiten.
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