Subway To Sally
Subway To Sally

Konzertbericht

Billing: Subway To Sally
Konzert vom 2006-04-23 | Quasimodo, Pirmasens

Das Mittelaltergenre wurde in den letzten Jahren durch stetige Veränderungen aufgewühlt: Klassische Spielmänner nahmen plötzlich E-Gitarren in die Hand, bastelten kurze Zeit später mit Elektronik, und bauen neuerdings auf Orchester und Akustiktouren. Dass die Potsdamer von SUBWAY TO SALLY als Nachziehende dieses Trends keine gute Ausgangsposition bei den Kritikern hatten, konnte jedoch glücklicherweise durch die ungewohnt starke Konsequenz ihres Handelns wieder ausgebügelt werden. So blieb das Orchester in „Nord Nord Ost“ brav im Hintergrund und bildete nicht das ausschlaggebende Kaufargument, und auch die Akustiktour „Nackt“ entfernt sich vom SCHANDMAULigen „Wir tauschen einfach eine E-Gitarre gegen eine akustische“ und bildet in Klang, Atmosphäre und Ideologie einen kompletten Kontrapunkt zu bisherigen Live-Auftritten.

So verabschiedete man sich von etlichen bisher im Überfluss rausgeschossenen Showelementen (wie jegliche Pyros, Stageacting oder ein komplexes Bühnenbild), setzte sich auf große, mit Efeu umrankte, Holzstühle, und stellte die Präsentation der Musik in einem ungewohnt privaten Rahmen weit in den Vordergrund. Dabei spielte auch der eigentliche Livesound eine große Rolle: Die Instrumente (die nebenbei alle aus Holz waren – gerade Sugar Rays Akustik-Bass war eine Augenweide) waren gerade laut genug um die Halle komplett angenehm auszufüllen, ohne dass aber knarzende, schwingende und pochende Beitöne beim Spielen verloren gingen. Selten klangen vier Gitarren und zwei Streicher (Aushilfe von Cellist B. Deutung) live derart stark.

Um dies auszunutzen, wurde jeder Song oftmals enorm verändert. Die Tendenz ging in eine dominante düster-melancholische Stimmung (selten so genial: „Böses Erwachen“ als Opener), da die Songs auch oft etwas langsamer als auf der Platte gespielt wurden und durch die vielen übereinander gelegten Instrumentspuren einen neuen filigran-barocken Beiklang bekamen. Wer stattdessen auf eine tanzbare Ausrichtung zurück zu den Wurzeln gehofft hat, musste bis zum Ende des regulären Sets warten, als „Arche“ die Halle in ein keltisches Volksfest verwandelte, und „Sag dem Teufel“, „Die Braut / Der Bräutigam“, „Ohne Liebe“ und das bekannte „Julia und die Räuber“ in eine ähnliche Richtung gingen.

Die Überhand behielten aber Balladen und ältere Songs. In ersterer Rubrik wurde „Minne“ überraschend eine neue dritte Strophe dazugedichtet, in zweiterer spricht die Setlist wohl für sich. Oder wann haben SUBWAY zum letzten Mal das legendäre „Bannkreis“ mit sage und schreibe 9 Liedern berücksichtigt? Besonders stark waren aber vor allem die etwas neueren Midtempo Songs wie „Das Rätsel II“ oder „Sieben“, die durch das fehlen krachender Gitarren und der Hinzufügung filigraner Verspieltheit ein völlig neues Gesicht bekamen, und zwischendurch auch dank lebendig organischen Tempowechseln begeisterten. Die Schattenseite der tiefen Beachtung alter Werke bekamen aber Fans neuerer Scheiben offenbart: „Engelskrieger“ wurde total ausgespart (was ich sehr bedauert habe), das Bandhighlight „Herzblut“ bekam allein die akustische Version von „Kleid aus Rosen“ spendiert (unsterbliche Klassiker wie „Die Schlacht“ [!], „Wenn Engel Hassen“ [!!] oder der „Veitstanz“ [!!!] blieben also völlig außen vor), und auch ganz neue Songs wirkten etwas verloren zwischen diversen älteren Nummern.

Glücklicherweise tröstete die intime Atmosphäre und viele Lacher seitens der Band voll und ganz darüber hinweg. Herrlich war der Kommentar zu Ingos Hervorkramen einer kleinen Mandoline, als Bodenski meinte: „Bitte alle Fotoapparate abschalten – die Metalpresse darf niemals erfahren dass der größte Metalgitarrist Deutschlands so kleine Gitarren spielt“, und auch die Gestik von Gast B.Deutung bot einen ziemlichen Unterhaltungseffekt. Das krankste Beispiel für den herrlich bekloppten Humor der Band bot aber Eric Fish, als er während der Darbietung des dreistimmigen „Sanctus“ in schallendes Gelächter ausbrach und sich vor dem autoritär strengen Mahnens Bodenskis mit einem mühsam hervorgepressten „Ich musste nur daran denken die Simon letztens diesen Leguan geschlachtet hat“ (??) verteidigte.

Womit dieser Abend dann nach guten zwei Stunden auch durch das „Seemannslied“ endete. Den Auftritt als „komplett gelungen“ zu bezeichnen wäre noch untertrieben, denn selten hat eine Band das Akustik-Schema derart konsequent und qualitativ hochwertig ausgereizt. „Nackt“ hat sich nicht einfach als Verbindungsglied zwischen zeit Studioalben herausgestellt, sondern als eigenständiges Gesamtkunstwerk, das die Band sympathischer denn je darstellt.

1. Intro
2. Böses Erwachen
3. Das Rätsel
4. Minne (complete original version)
5. Ein Baum
6. Horo
7. Der Hofnarr
8. Sieben
9. Element des Verbrechens
10. Kruzifix
11. Alle psalite cum luya
12. Mephisto
13. Das Rätsel II
14. Kleid aus Rosen
15. Abgesang
16. Unterm Galgen
17. Traum vom Tod II
18. Sanctus
19. Maria
20. Liebeszauber
21. Arche
22. Sag dem Teufel
23. Die Braut / Der Bräutigam
24. Carrickfergus

25. Schlaflied (Vertonung eines Bodenski-Gedichts)
26. Ohne Liebe

27. Julia und die Räuber

28. Lacrimae ’74
29. Feuerkind
30. Seemannslied

Subway To Sally

15.05.2006

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