Turilli/Lione Rhapsody - Zero Gravity (Rebirth And Evolution)

Review

Soundcheck Juli 2019# 10

Luca Turilli und Fabio Lione sind endlich wieder unter dem Banner RHAPSODY vereint und ergeben das wenig elegant betitelte Projekt TURILLI/LIONE RHAPSODY, das ursprünglich ZERO GRAVITY heißen sollte. Dieser Name wurde nun aber zum Albumtitel, dem noch die Subline „Rebirth And Evolution“ hinzugefügt worden ist, um zu signalisieren, dass die „alten“ RHAPSODY (OF FIRE) für die Band ad acta gelegt sind und dass Turilli und Lione hier den nächsten Schritt gehen. Das klingt alles natürlich erst einmal nach komplizierter Faktenklopperei, kümmern wir uns deshalb um das, was hierhinter steckt. Das ist nämlich viel spannender.

Vorhang auf für TURILLI/LIONE RHAPSODY

„Zero Gravity (Rebirth And Evolution)“ ist natürlich ein symphonisches Kraftpaket, das seine italienische Herkunft kaum verleugnen kann. Es sprüht praktisch über vor weitläufigen, quirligen Melodien, nennt einen Hang zu Dramatik und Pathos sein eigen und verfügt mit Fabio Lione über ein gewohnt verlässliches Sprachrohr, der ergänzt durch zahlreiche weitere Stimmen durch das Album führt. Eingebettet ist seine Darbietung in ein erfrischend modernes Symphonic-Metal-Gewand, das statt mittelalterlich inspirierter Fantasy-Sagen mehr eine Sci-Fi-Ästhetik anstrebt. Statt dem ausgenudelten Drachenkäse gibt es leckeren Space-Cheese.

Und tatsächlich servieren TURILLI/LIONE RHAPSODY einen anderen Metal, wie wir ihn dieses Jahr unter dem Banner RHAPSODY OF FIRE auf „The Eigth Mountain“ serviert bekommen haben. Die Power-Komponente ist hier zwar vorhanden, doch das Songwriting gestaltet sich als deutlich komplexer und symphonischer, nicht nur im Hinblick auf den orchestralen Bombast, der den Melodien die nötige Wucht verleiht. Insgesamt wirkt „Zero Gravity“ deutlich filigraner durcharrangiert, von den Gitarren Turillis über die vielschichtigen Gesangsarrangements hin zu den käsigen Synthesizern – TURILLI/LIONE RHAPSODY lassen aber auch nix anbrennen.

„Zero Gravity“ steht vor allem für furiosen Symphonic Metal

Gleich im Opener „Phoenix Rising“ wird der Raketenstart durch ein entsprechendes Sample stimmungsvoll eingeleitet. „All Engines Running“ – die Italiener heben ab und klatschen uns nebenher noch einen hymnischen Opener auf den Tisch, wie er im Buche steht. Der Bombast schwillt effektiv an und ab, Lione schmachtet, als gäbe es nichts Schöneres, Turilli packt einige seiner moderneren Riffs mit gewohnter, chirurgischer Präzision aus und erhabene Symphonik sowie die wie angegossen sitzenden Chorgesänge lassen den Hörer sogleich mit gen Äther steigen. Etwas Keyboard-Genudel im Instrumental-Part gibt es obendrauf – wer’s mag.

Im folgenden bildet sich eine wahre Tour de Force des symphonischen Metals ab, die sich ihre Klasse fast durchweg bewahrt – dazu gleich mehr. Die Intensität vom Opener wird im folgenden „D.N.A. (Demon And Angel)“ jedenfalls locker gehalten, das zudem ein Duett zwischen Lione und Elyze Ryd (AMARANTHE) beinhaltet. Und ja: die beiden harmonieren hervorragend miteinander, besonders wenn sie sich im Wechselspiel duellieren. Auch hier zeichnet sich Turillis Spiel wieder durch moderne Härte und Kante aus, während die Synthesizer eine größere Bedeutung im Sound für sich beanspruchen.

Filigrane Arrangements und klassischer Bombast

Der Titeltrack verlagert den Schwerpunkt indes auf den symphonischen Anteil der Musik und setzt diesen mit dem leidenschaftlichen Feuer um, das man von den Italienern gewohnt ist. Besonders gut gelungen ist das dynamische Wechselspiel zwischen den metallischen Passagen und den Parts, in denen sich der Metal nahezu komplett zurück hält. Noch weiter geht in dieser Hinsicht „Amata Immortale“, das den Metal komplett über Bord wirft. Stattdessen bekommt der Hörer ein bombastisches Stück klassischer Musik vorgetragen, das dennoch in den klanglichen Kosmos von „Zero Gravity“ hinein passt.

„I Am“ kommt noch am ehesten auf der Power-Schiene angebraust, bewahrt sich aber den symphonischen Charakter. Die eigentliche Überraschung wartet ohnehin in der zweiten Trackhälfte in Form des wohl deutlichsten QUEEN-Verweises der Platte, fast hin zum Punkt, dass man von einer Verbeugung vor „Bohemian Rhapsody“ sprechen kann. „Arcanum (Da Vinci’s Enigma)“ zieht als Rausschmeißer noch einmal sämtliche Register in Sachen bombastischen Symphonic Metals und lässt das Album mit einem furiosen Finale im großen Stil zum Ende kommen.

TURILLI/LIONE RHAPSODY feiern die geglückte Wiedergeburt

Im Grunde wäre „Zero Gravity“ damit perfekt gewesen, wenn die vergleichsweise gewöhnlichen Tracks „Fast Radio Burst“ und „Multidimensional“ nicht wären, die sich zwar keinerlei grobe Schnitzer zu Schulden kommen lassen, die aber bei weitem nicht so derartig schneidige Hinhörer sind wie der Rest der Platte. Der krumme Takt in „Fast Radio Burst“ zum Beispiel klingt mehr erzwungen denn natürlich und bremst den Song so eher aus, als dass er ihn die nötige Würze verleiht. „Multidimensional“ wirkt dagegen wie ein gewöhnlicher Power-Metal-Song im Midtempo, der durch orchestralen Bombast kräftig angefeuert wird, ansonsten jedoch vergleichsweise konventionelle Melodien und Arrangements aufweist.

Aber wohlgemerkt: Das sind Haare in einer ansonsten hervorragend schmeckenden, unglaublich feinsinnig zubereiteten Suppe. Wenn Turilli richtig reinhaut, dann sind die Kompositionen einfach auf einem ganz anderen Level als heuer bei den Ex-Kollegen. Dass sich ein bisschen Durchschnitt hinein geschlichen hat, ist angesichts dessen zwar etwas ärgerlich, mindert den insgesamt großartigen Gesamteindruck der Platte jedoch nicht so sehr. TURILLI/LIONE RHAPSODY feiern hier mit „Zero Gravity“ die geglückte Wiedergeburt. Und derweil dürfte der Symphonic-Meute das Wasser im Mund zusammenlaufen…

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03.07.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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