Alter: ONE DAY IN FUKUSHIMA schießen deinen Arsch in tausend Stücke! Die Italiener haben ein massives Aggressionsproblem und nutzen ihr Full-Length-Debüt „Ozymandias“ als Ventil, um einfach alles rauszulassen, was keine Miete zahlt. Mit weit aufgerissenen Augen, gefletschten Zähnen, Schaum vor dem Mund, geschwollenen Adern und geballten Fäusten stürzen sich die Herren wie verhungernde Allesfresser auf den Hörer, bereit ihm das Fleisch mit bloßen Händen von den Knochen zu reißen und sich in dessen Blut zu suhlen. Denn das Quartett weiß: Entweder ganz oder gar nicht brutal.
ONE DAY IN FUKUSHIMA haben Schaum vorm Mund
Und es ist den Italienern dabei auch scheißegal, ob da am Ende so etwas wie ein „strukturierter Song“ oder was Neumodisches wie eine „anspruchsvolle Komposition“ bei herauskommt. Als hätten sie die Großmütter der Bandmitglieder beleidigt, verprügeln ONE DAY IN FUKUSHIMA ihre Instrumente aufs Äußerste und blasen zur schweißtreibenden, knüppelharten Grindcore-Jagd durch 18 Songs, die wie ein Orkan durch die Boxen brausen – kurz aber heftig. 22 Minuten lang gibt es vollkommen enthemmt aufs Maul, und zwar richtig. Von wegen „Bella Italia“.
Unterdessen erleidet Sänger Valerio einen krankhaften Wutausbruch nach dem anderen hinter dem Mikrofon, scheint ein ums andere Mal kurz davor, ebenjenes förmlich aufzufressen, so ungehalten wie er fast durchgängig in das arme Ding reinbrüllt. Die einzige Ausnahme bildet der politisch geladene Rausschmeißer „Bergoglio’s Fistful Of Sanctity“, in dem er seine beeindruckenden Hardcore-Shouts zum besten gibt. Mit denen könnte er locker den Mob in den Slums von New York anheizen. Passend dazu diszipliniert sich die Musik fast ein bisschen und wandelt die sonst eher ungerichtete Wut in gerichteten Zorn um.
Die geballte Zerstörungswut mit Mut zur Musikalität
Auch an anderer Stelle nimmt man immer wieder kleinere Fetzen von überraschender Musikalität war, die aus dem Klang gewordenen Wutanfall hervorstechen. Am ehesten trifft das auf das ungewöhnlich melodische „La Giustizia Defli Spaventapasseri“ zu, das zum Ende hin fast ein bisschen Melancholie anklingen lässt. Unterdessen wird in „Sawney’s Eyes“ ein kurzer, stampfender Monumental-Part eingeschoben, der das Tempo regelrecht ins schlammige Doom-Territorium hinein drosselt, ehe der Song zu seinem punkig angepissten Ausganspunkt zurückkehrt.
Auf „Ozymandias“ regiert also die Zerstörungswut, die gerne Platz für kleinere, kreative Kniffe lässt. Doch der Großteil der Songs zelebriert die pure, kondensierte Aggression und addiert lediglich punkige Grooves oder Melodieversatzstücke, um die Sache nicht zu eintönig werden zu lassen. Der Opener „Bhopal Inc.“ geht direkt in die Vollen und hat mit seinen 35 Sekunden natürlich keine Zeit für so einen Schnickschnack. Das nur unwesentlich längere „Desomorfina“ hält sich zwar auch an die volle Breitseite, hebt sich aber schon durch deutlich markantere Gitarren ab.
„Ozymandias“ zelebriert die Wut in kondensierter Form
„Automi“ lässt ein bisschen mehr Punk sprechen mit seinen einleitenden Grooves, die auch später immer wieder für reges Kopfnicken sorgen, während der Song das natürlich wie nicht anders zu erwarten mit beinhartem Geknüppel kontrastiert. Bei „Priypiat Syndrome“ dagegen gibt es zwar keinen Chernobyl-Thrash, doch kommt der Song dennoch mit aggressiven Melodien daher, die den Track merklich aufpeppen. Und mit „Ridursi Al Niente“ haben ONE DAY IN FUKUSHIMA sogar eine Art Callback zu NAPALM DEATHs „You Suffer“ geschaffen.
Kurz: ONE DAY IN FUKUSHIMA ballern alles zu Klump, was ihnen leichtfertig vor die Flinte watschelt. Die Produktion zieht mit und verpasst den Gitarren einen massiven Klang, der im besten Sinne wie Knüppel auf den Kopf klingt, während das Gebrüll von Valerio stets im Mittelpunkt steht und das Schlagzeug ebenfalls ausreichend herausgearbeitet ist. Und dank der kurzen Spielzeit gerät das auch kaum zur Geduldsprobe, sondern ist die perfekte, „musikalische“ Begleitung für praktisch jeden Wutausbruch im alltäglichen Leben. Der Sound lässt das Blut in den Adern kochen und vermittelt die Lust, im Takt mitzufuchteln.
Im Übrigen ist das Album eigentlich schon im vergangenen Jahr erschienen, erfährt nun aber dank WOOAAARGH! eine Neuauflage. Eine onomatopoetisch passendere Heimat hätte sich die Band nicht aussuchen können…
Okay, die sind wirklich pissig.
Schade nur dass sie sich für das 57-sekunden Hardcoresong Konzept entschieden haben, ich werde das Gefühl nicht los dass hier mehr drin stecken könnte.
Japp, selbst in Sachen Grind sind mir die Songs zu kurz. Die paar Zweiminüter sind ja regelrecht episch verglichen mit dem Rest. Andererseits: Du willst längere Songs? Bekommst du aber nicht du angepasstes Schwein! 😉
Womöglich zum nächsten Album. Nasum hatten diesbezüglich ja auch irgendwann einmal das große Einsehen.
Na ja, kurz und knackig und genau die richtige Albumlänge für diese Musik. Länger dürfen solche Alben nicht sein, sonst wird´s schnell langweilig. Assück, Noisear, Phobia, Blockheads ect. haben halt auch nichts anderes gemacht. Hier stimmt wenigstens der Sound, was bei vielen anderen Bands aus dem Bereich oft der Schwachpunkt ist. Vieles klingt nicht selten nach blöden öden Kellergeschepper.
Ist ja alles schön und gut so. Grindcore hat halt einfach nicht den Tiefgang, dafür gibt es andere Genres.
Aber aus einer derart talentierten Band könnte man einfach mehr machen finde ich.
@clutch: da sich ja schon alle anderen Bands dieser 1,5 Minutenregel unterworfen haben sind doch die die angepassten Schweine, oder?
So ein guter doomiger 22 Minutensong wäre doch mal rebellisch. 😉
14 Songs a 52 Sekunden und ein 22 Minüter.
🙂
@Sane: Auch wieder wahr 😉, allerdings darf ich in Sachen Tiefgang vehement widersprechen, belehren uns diesbezüglich Antigama, Gadget, Amygdala, Tellusian und Co eines besseren wie ich finde.
Und @Stahlhelm : Auch Phobia haben heuer mitunter „längere‘ Songs von nahezu drei Minuten. Klar kann man die Essenz dessen, was heute als Grind bezeichnet auf kurze Songs und ne antikommerzielle Produktion reduzieren. Das wird dem Genre an sich aber nicht mehr gerecht.
PS Sane: „So ein guter doomiger 22 Minutensong wäre doch mal rebellisch. 😉“
So wie Pig Destroyer damals mit Natasha 😝
@ Clutch, klar haben Phobia heute z.T. längere Lieder, stimmt schon. So ein paar Slo-Mo-Parts zwischendurch sind auch völlig ok. Ich glaube aber nicht, dass das je bei Agoraphobic Nosebleed passieren wird, hrhr.
@ Sane, das mit dem Tiefgang ist wieder so eine Sache. Musikalisch vielleicht, aber textlich hauen die Bands -das muss ich dir nicht erklären, schätze ich mal- eben raus, was die so ankotzt. Ich weiß jetzt nicht, ob du den Film „American Hardcore“ gesehen hast, da sagt Ian McKaye sinngemäß, dass er in 38 Sekunden eben dass rausgelassen hat, was ihn persönlich anpisst. Und ich finde es halt mal ganz angenehm, wenn Bands aus diesem Vers-Chorus-Vers-Solo-Moshpart-Text-vergessen-Schema ausbrechen.
Das war damals bei Forced to Decay umgekehrt, die wurden gefragt, warum die keine schnelleren Parts haben. Die Antwort war, dass die das zwar gerne gemacht hätten, es aber nicht konnten. Und das war ja kein 1-2-3 Ramones-mäßiger Punk. 😉
Forced to decay!!! 😍 LÄCHELN ALS LEISTUNG!!!