Ghost Brigade
Interview mit Gitarrist Wille Naukkarinen zu "Isolation Songs"
Interview
Bereits das 2007er Debütalbum „Guided By Fire“ war eine außerordentlich tiefgründige Angelegenheit, doch mit „Isolation Songs“ ist dem finnischen Dark-Metal-Sextett GHOST BRIGADE ein Album gelungen, das von erdrückender Anmut und ergreifenden Seelenschmerzatmosphären lebt und vor intensiver Leidenschaft sprüht, wie kaum ein anderes Album der letzten Zeit. Gitarrist Wille Naukkarinen unterhielt sich mit mir über die Schattenseiten des Lebens und darüber, niemals die Hoffnung zu verlieren.
„Guided By Fire“ war nur der Stein des Anstoßes, der euch von Null an die Spitze von Bands katapultierte, die einen ähnlichen, dunklen Stil verfolgen, wie CULT OF LUNA, ANATHEMA oder OPETH, um nur ein paar Namen zu nennen. Was hat sich für dich persönlich, für die Band und die Art und Weise, wie ihr Songs komponiert, seit eurem Debüt, das teilweise überwältigende Reviews erhielt, bis heute verändert?
Ich weiß nicht, ob sich diesbezüglich etwas signifikant geändert hat. Ich meine, natürlich sind wir mittlerweile versierter, nicht nur an unseren Instrumenten, sondern auch gereifter in der Weise, wie wir Songs komponieren. Uns ist jetzt einfach viel bewusster, wie wir an bestimmte Dinge herangehen können und wie wir einige Sachen sehr viel effektiver gestalten. Auf der anderen Seite sind wir natürlich immer noch die selben Personen wie vorher auch, wir haben keinen Evolutionssprung gemacht, sondern die Grundideen, wie für das Debüt auch, nach und nach zu fertigen Songs ausgearbeitet. Wir waren schon sehr überrascht darüber und natürlich erfreut, wie viel positives Feedback wir zu „Guided By Fire“ erhalten haben, und so etwas zieht auch nicht spurlos an dir vorbei. Aber wir haben trotzdem versucht, uns davon nicht beeinflussen zu lassen, um nicht genau das zu machen, was man von uns erwartet, nur um hinterher dazustehen und einsehen zu müssen, dass du einen völlig falschen Weg gegangen bist und dich selbst nicht mehr wohlfühlst.
„Guided By Fire“ und „Isolation Songs“ sind zwei Alben, die im Wesentlichen für Musik stehen, die von Emotionen angetrieben ist und aus der Seele und dem Herzen kommt. Welche Philosophie steht hinter diesen Titel und GHOST BRIGADE als Band selbst?
Für jeden von uns ist GHOST BRIGADE eine genrefreie Spielwiese, und mit diesem Gedanken im Hinterkopf benötigt es keine großartige Philosophie um zu wissen, dass wir mit dieser Band nichts weiter beabsichtigen, als barrierefreie Musik zu machen, die von Herzen – und wie du schon sagtest – auch aus unserer Seele kommt. Ich bin sehr glücklich damit, und wenn es irgendetwas gibt, an dass sich die Leute erinnern sollen, nachdem es GHOST BRIGADE einmal nicht mehr geben sollte, dann genau an diese Sache. Ich möchte, dass uns die Leute als eine Band in Erinnerung haben, die Musik aus den richtigen Gründen macht. Was die Titel anbelangt, so steht „Guided By Fire“ stellvertretend für das, was diese Band ausmacht. Über das, was wir mögen, ganz egal welcher Meinung andere sind. Solange wir glauben, dass das Zeug, was wir machen, gut ist und Seele hat, werden wir genau das fortführen, was wir begonnen haben. Der Titel zum neuen Album umschreibt eher das allgemeine Gefühl und die Atmosphäre der Platte, sowohl musikalisch als auch textlich. Ich glaube beide Titel klingen so, wie sich letztendlich auch die Musik anhört, wenn du verstehst was ich meine.
GHOST BRIGADE steht innerhalb der finnischen Szene relativ allein für sich. Wie passt die Band überhaupt dort hinein?
Ich habe nicht die geringste Ahnung. Wir sind zwar mit einigen Bands wie INSOMNIUM oder SWALLOW THE SUN zum Beispiel befreundet, und wir kennen eine Menge Leute aus der hiesigen Metal-Szene, aber wir selbst sind innerhalb dieses Zirkels nicht sehr aktiv. Man kann uns diesbezüglich schon als Außenseiter bezeichnen. (überlegt) Wenn ich genauer darüber nachdenke, dann habe ich wohl mehr Freunde aus der Punk- und Hardcore-Szene…
Die meisten finnischen Bands starten ihre Karriere bei einem finnischen Label, aber ihr seid eine Außnahme von der Regel. Wie seid ihr in Kontakt mit Season Of Mist gekommen und warum habt ihr euch dazu entschieden einen Vertrag bei einem ausländischen Label zu unterschreiben?
Vor drei Jahren haben wir ein Demo aufgenommen und das dann eher willkürlich an ein paar Labels geschickt. Wir standen letztendlich mit vier oder fünf Labeln in Kontakt und drei davon sind im Ausland beheimatet. Wir haben dann aber bei Season Of Mist unterschrieben, weil sie uns einen Vertrag anboten, der unseren Wünschen am besten entsprach. Season Of Mist waren wirklich an unserer Musik interessiert und für uns entsprach auch die Größe des Labels hunderprozentig unseren Vorstellungen: Nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Außerdem laufen die Geschäfte heute global, und durch das Internet spielt es keine Rolle mehr, in welchem Teil der Erde sich jemand befindet.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Season Of Mist bisher?
Es läuft alles hervorragend. Season Of Mist stehen wirklich hinter uns, mögen unsere Musik und tun alles, um uns zu promoten. Wir sind nicht immer mit allen Sachen einverstanden, die uns vorgeschlagen werden, aber das wäre bei anderen Labeln auch nicht anders. Wir haben keinen Grund uns zu beklagen. Ich bin sehr glücklich darüber, ein Teil von Season Of Mist zu sein, und ich bin mir sicher, dass dieses Gefühl auch auf Gegenseitigkeit beruht.
Das neue Album nennt sich „Isolation Songs“ und erneut habt ihr es geschafft, unterschiedliche Emotionen einzufangen und zu verarbeiten, Emotionen, die wohl jeder von uns schon einmal erlebt hat: Frustration, Trauer, Verzweiflung, aber auch Tiefe, eingebettet in metaphorischen Melodien und universeller Schönheit. Wie passt so etwas überhaupt in diese grausame, berechnende und oft auch emotionslose Welt von heute?
Das ist die Millionen-Euro-Frage. Ich hoffe natürlich, dass es dort draußen Leute gibt, die in der Lage sind anstatt Trauer und Depression Schönheit und Hoffnung zu finden, auch und vor allem in unserer Musik. Einige unserer Songs handeln von den Schattenseiten des Lebens, ja, aber es gibt immer Hoffnung, und das darf man nie vergessen, egal in welcher Lage man sich auch immer befindet. Und was die von dir angesprochene Tiefe anbelangt, so denke ich, gibt es davon eine Menge Musik, auf die das zutrifft. Wer genau hinhört, wird auch entsprechendes für sich finden können.
Ich habe mal versucht einige Interpretationen für den Titel des neuen Albums zu finden, und vielleicht spielt dabei der tägliche Wahnsinn keine so geringe Rolle. Jedenfalls sehe ich diese elf Songs auf „Isolation Songs“ getrennt von Chaos und dem täglichen Wahnsinn auf Erden…
Das ist gar keine so schlechte Interpration. Tatsächlich habe ich mir die Texte, bevor wir ins Studio gingen und das Album aufgenommen haben, viele Male durchgelesen und dabei festgestellt, dass das Wort „Isolation“ sehr häufig darin vorkommt. Der lyrische Inhalt handelt nicht so sehr von Isolation selbst, aber dieses Gefühl, auf bestimmte Weise isoliert zu sein, ist definitiv ein Faktor, warum ich diese Texte geschrieben habe und warum wir letztendlich auch diesen Titel für das Album gewählt haben. Darüber hinaus schreibe ich die Texte auch am liebsten, wenn ich mich selbst von der Außenwelt abgeschottet habe und mich voll und ganz auf die Musik konzentrieren kann. Dies sind die Gründe, warum wir uns für diesen Titel entschieden haben.
Mit „Isolation Songs“ habt ihr die menschliche Seele und das Wesen der sie umgebenden Natur mit all ihrer Schönheit und Kraft eingefangen und vertont. Wie intensiv waren die Arbeiten an diesem Album? Habt ihr bewusst an den Songs gearbeitet, oder haben sich auch einige Dinge ganz spontan ergeben?
Für eine Band wie GHOST BRIGADE ist das Songwriting natürlich schon eine Herausforderung und insgesamt auch ein langer Prozess. Innerhalb der Band arbeiten sechs Perfektionisten, und du kannst dir sicherlich vorstellen, dass eine solche Situation nicht immer sehr einfach ist. Natürlich kannst du auf die Erfahrungen vom letzten Songwriting zurückgreifen, wir lernen aus unseren eigenen Fehlern genauso wie aus denen von anderen, aber um ehrliche Songs zu schreiben, muss man etwas Zeit investieren. Ein Teil ist auch spontan entstanden, einzelne Parts oder bestimmte Elemente, die noch hinzugefügt wurden, aber in einem Großteil der Songs steckt extrem viel Herzblut. Ich kann auch ehrlich gesagt nicht einfach meine Gitarre in die Hand nehmen und sagen: „Ok, los jetzt, hier kommt ein neuer Song.“ In der Regel spiele ich so lange, bis neue Melodien und Riffs entstehen und dieser Prozess ist wie eine Art Ritual für mich. Manchmal kommen mir dann Ideen recht schnell in den Sinn, und ein anderes Mal dauert alles einfach etwas länger. (überlegt) Ja…doch…ich denke der Entstehungsprozess besteht aus einer Hälfte aus bewussten Kompositionen, und zur anderen Hälfte aus Spontanität. Insgesamt aber sind die Aufnahmen zu „Isolation Songs“ sehr viel harmonischer abgelaufen, als noch zu „Guided By Fire“.
Wie wichtig ist dir denn Harmonie, für dich selbst, aber auch für die Musik und für deine Umgebung?
Harmonie ist mir extreme wichtig. Ich glaube jeder ist auf der Suche nach Harmonie, völlig egal ob du bewusst danach strebst oder ob du es dir unbewusst wünschst. Meine Harmonie habe ich noch nicht vollständig gefunden, aber ich bin auf dem besten Weg dorthin.
Alles kann inspirieren, jeder Augenblick des Lebens, genauso wie Orte oder Menschen. Mit welchen Themen setzt ihr euch auf „Isolation Songs“ speziell auseinander?
Hier kann ich nur für mich selbst sprechen, denn ich habe noch nicht mit Manne über die Themen gesprochen, die er in seinen Lyrics verarbeitet hat. Ich habe diesmal nur die Texte für drei der neuen Songs geschrieben, und die sind sehr persönlich, sehr selbstkritisch und beobachtend. Es sind Geschichten, die das Leben schrieb und handeln von eigenen Erfahrungen und umschreiben wer ich bin, was ich sein will, ob ich glücklich bin, dort wo ich bin, und wie ich Kraft finde, um meine Träume zu verwirklichen. Es sind kleine Geschichten über die Suche nach Glück und Harmonie.
Es ist schon eine Weile her, da habe ich mal in einem anderen Interview gelesen, dass ihr euch ursprünglich zusammengefunden habt, um die Musik zu spielen, die ihr gern von euren Lieblingsbands hören würdet. Welche Bands gehören denn zu euren Favoriten?
Ach du Scheisse, Mann, da fragst du mich jetzt aber was… (lacht) Wir haben alle so unterschiedliche Geschmäcker und jeder in der Band würde dir wohl eine andere Antwort geben. Also meine Lieblingsbands aller Zeiten? OK… (überlegt) METALLICA, KYUSS, XYSMA, DJ SHADOW, ENTOMBED, KENT, THE CARDIGANS, GOD IS AN ASTRONAUT, NEUROSIS, TRAGEDY, SIGUR ROS, MASTODON, ONLY LIVING WITNESS, AT THE GATES, CARCASS, NAPALM DEATH, UNKLE…und noch tausend andere. (lacht) Und warum? Weil jede dieser Bands Musik geschrieben hat, die mich in ganz unterschiedlicher Weise persönlich sehr berührt hat.
In einem weiteren Interview habe ich gelesen, dass ihr euch wünscht, Remixe von euren Songs zu hören. Hat sich diesbezüglich schonmal ein Künstler bei euch gemeldet oder gibt es vielleicht sogar bereits ein paar Remixe?
Remixe von MASSIVE ATTACK, DJ SHADOW oder von UNKLE könnte ich mir sehr gut vorstellen. Also wenn jemand von denen dies hier lesen sollte… (lacht) Ich glaube, auch eine Band wie ULVER wäre prädestiniert für diese Aufgabe, jedenfalls stelle ich mir das Ergebnis sehr interessant vor. Aber… Nein, bisher wurden noch keine Songs von uns geremixt, und bisher hat sich auch noch niemand dafür angeboten. Vielleicht irgendwann. Es wäre toll.
Das stelle ich mir auch interessant vor, und ich drücke die Daumen. Wir kommen langsam zum Schluss… Habt ihr bereits Pläne für eine ausgedehnte Tour?
Bisher stehen definitiv nur ein paar Shows in Finnland fest, aber eine Tour durch Europa ist bereits in Planung. Laßt euch überraschen!
Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören dir:
Ich danke dir für das Interesse und ich hoffe man sieht sich demnächst während der ein oder anderen Show!
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