Sólstafir
"The Midnight Sun: A Light In The Storm" live in Nürnberg 2019
Konzertbericht
Obwohl (oder gerade weil?) man ihre Musik guten Gewissens als unkonventionell bezeichnen darf und sie sich ihren Underground-Stallgeruch allen kommerziellen Erfolgen zum Trotz bis heute erfolgreich bewahrt haben, stellen SÓLSTAFIR wohl so etwas wie die Metal.de-Konsensband schlechthin dar. Wohl kaum eine andere Band dürfte von der ultratrven Pandabärchen-Brunftschrei-Fraktion bis hin zu bekennenden Pussy-Metallern wie dem Autor dieser Zeilen einem vergleichbar großen Teil der Redaktion so regelmäßig feuchte Höschen bereiten wie die Isländer um Bandkopf Aðalbjörn Tryggvason. Logisch also, dass wir uns auch die Konzerte ihrer „The Midnight Sun: A Light In The Storm“-Tour nicht entgehen lassen.
Während die Kollegin Andrea Friedrich für das gewohnt brillante Bildmaterial in der Berliner Apostel-Paulus-Kirche zu Gast war, basiert dieser Text auf dem Besuch der Show im Nürnberger Z-Bau am Abend zuvor. Wo der Backsteinbau der unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen SS-Kaserne rein äußerlich einen eher rustikalen Charme verströmt, wurde das heute stark von der linksalternativen Szene der Frankenmetropole geprägte Kulturzentrum in den letzten Jahren sorgfältig saniert. Mit dem rund 1000 Personen fassenden Saal beherbergt der Z-Bau eine exzellente Konzerthalle, deren technische Ausstattung nichts zu wünschen übrig lässt und auch SÓLSTAFIR jene erstklassige Licht- und Tonkulisse ermöglicht, die für die atmosphärisch tiefschürfende Wirkmächtigkeit ihrer Musik absolut unerlässlich ist.
Ein kalter Wind für Musikignoranten
Anders als dieser Artikel sparen sich SÓLSTAFIR die große Vorrede und steigen nach dem kurzen Instrumentalintro „Náttfari“ mit „Náttmál“ direkt in den Set ein. Und anders als noch bei der eher enttäuschenden Festivalshow auf dem letztjährigen Summer Breeze überzeugen die Isländer vom Start weg mit einer unglaublich fesselnden Performance. Wie der kalte Wind ihrer nordatlantischen Heimatinsel zieht die zum Schneiden dichte Atmosphäre auf und macht sich bis in den hintersten Winkel des Z-Bau breit. Dennoch schaffen es einige der Anwesenden noch, ihre Aufmerksamkeit angeregten Privatgesprächen statt dem Geschehen auf der Bühne zu widmen und die ruhigeren Momente des Innehaltens mit albernem Gegackere zu torpedieren – eine gleichermaßen bemerkenswerte wie ärgerliche Demonstration von musikalischer Ignoranz. Oder kommt hier doch nur wieder das Unverständnis eines „grumpy old man“ zum Vorschein, zu dem ich inzwischen wohl selbst längst geworden bin?
Sei’s drum, widmen wir unsere Aufmerksamkeit lieber wieder SÓLSTAFIR als jenen nichtswürdigen Musikignoranten in der Menge. Statt einer Vorband haben die Musiker auf dieser Tour sowohl ein Streichquartett mitgebracht, das dem Sound zusätzliche Tiefe verleiht, ohne sich allzu sehr in den Vordergrund zu spielen. Darüber hinaus kommen Klavier- und Synthesizer-Passagen heute nicht vom Band, sondern werden direkt live von Ragnar Ólafsson beigesteuert. Dieser ist beileibe kein Unbekannter, war er als Mitglied der befreundeten ÁRSTÍÐIR doch in der Vergangenheit bereits mehrfach mit seinen Landsmännern auf Tour. Angesichts der eher ruhigen Klänge seiner Hauptband verwundert es dann aber doch, wie heftig er zu den wesentlich härteren SÓLSTAFIR-Klängen aus sich herausgeht, am Ende gar sein Keyboard (wohlgemerkt keine Keytar!) aus der Verankerung reißt und wild seine Mähne schüttelnd über die Bühne zu tanzen.
Bis es soweit ist, vergehen aber noch knapp zwei Stunden, in denen unterbrochen von einer kurzen Bierhol- und Pinkelpause eher atmosphärischer Genuss als wildes Feiern im Mittelpunkt steht – zumal SÓLSTAFIR sich durch die Verwendung ihrer isländischen Muttersprache alles andere als mitsingfreundlich geben. Das Songmaterial stammt überwiegend von den jüngsten beiden Alben „Ótta“ und „Berdreyminn“, wird durch die Unterstützung der Saiten- und Tastenfraktion aber noch einmal enorm aufgewertet. Man kann den Tonmischer gar nicht genug loben, der heute für ein klares und differenziertes Gesamtbild sorgt, in dem alle Instrumente gleichberechtigt hörbar zur Geltung kommen.
SÓLSTAFIR-Hits mit Endlosfinale
Am Ende der Setlist finden sich mit je zwei Titeln von „Köld“ und „Svartir Sandar“ dann noch einige ältere Stücke. In einer emotionalen und unerwartet ausführlichen Ansprache bittet der sonst so wortkarge Aðalbjörn Tryggvason die Menge, all jenen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis beizustehen, die mit Depressionen und Suizidgedanken kämpfen. Klar, dass nun „Necrologue“ folgt, das die Band für ihren Freund Kristinn Sólberg Jónsson geschrieben hat, der 2005 Selbstmord beging. An dieses schwermütige Gänsehaut-Highlight schließt sich mit „Fjara“ der vielleicht größte SÓLSTAFIR-Hit an, dessen ohrwurmelig-melancholische Refrainmelodie vermutlich jeden in der Halle zum Mitsingen provozieren würde, wäre da nicht die schier unüberwindliche Sprachbarriere. Und tatsächlich profitiert dieses Stück wohl am allermeisten von Streichquartett und Pianist, die jene Zaubermelodie in einem nicht enden wollenden Finale bis in die Ewigkeit weiterzutragen scheinen.
Das übliche Zugabe-Spielchen wird daraufhin mit Ansage übersprungen, stattdessen bleiben SÓLSTAFIR einfach für die letzten beiden Stücke direkt auf der Bühne. Dabei handelt es sich um das eher ruhige „Kukl“, auf welches das umso explosivere „Goddess Of The Ages“ folgt. Und mit diesem grandiosen Schlussakkord ist dann auch der Punkt erreicht, wo sich der gesamte Spannungsbogen der Show in einem ausgelassenen Finale entlädt, das ganz ungeniert zum mitfeiern und -tanzen einlädt. Kein Wunder also, dass es Ragnar Ólafsson da nicht mehr hinter seinem Keyboard hält und er im Bühnenhintergrund jenen beeindruckend ekstatischen Tanz mit seinem Instrument beginnt, der sich als Sinnbild für eine wahrlich beeindruckende Show noch lange im Kopf des Autors festsetzen dürfte.
Galerie mit 20 Bildern: Sólstafir - The Midnight Sun: A Light In The Storm Tour 2019Setlist:
- Náttfari (Intro)
- Náttmál
- Ótta
- Dýrafjörður
- Hula
- Miðaftann
(Pause)
- Lágnætti
- Hvít sæng
- Necrologue
- Fjara
- Kukl
- Goddess of the Ages
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