God Forbid
God Forbid

Interview

10 Jahre Bandgeschichte, kein einziger Lineupwechsel, schleichende Transformation von Metalcore zu modernen, progressiven Musik-Mix fern des Einheitsbreis, das sind die Eckdaten von GOD FORBID im Jahr 2009. Mit "Earthsblood" steht Mitte Februar die fünfte Langgrille der Amerikaner in Europa in den Startlöchern, über die uns Gitarrist Doc Coyle so einiges zu erzählen weiß.

God ForbidHey Doc. Ihr bringt gerade euer neues Album auf den Markt und habt garantiert eine ganze Menge Interviews zu bewältigen, wie gehts dir im Moment?

Mir gehts gut. Ich bin natürlich aufgeregt wegen der ganzen Betriebsamkeit, versuche gleichzeitig aber auch ein wenig vorsichtig zu sein um sicher zu gehen, dass alles gut und reibungslos abläuft.

Lass uns mit ein bischen Geschichte zu GOD FORBID anfangen, wie seid ihr Jungs zusammen gekommen?

Du solltest wirklich einen Blick auf unsere DVD werfen, ist eine ziemlich lange Geschichte. Um es kurz zu fassen, 1996 haben Dallas und ich Corey und Byron durch einen gemeinsamen Freund getroffen und, zusammen mit einem weiteren Freund namens Robbie, angefangen in einem Keller rum zu jammen.
Am Ende wurden wir Rob los und Byron wechselte vom Bass ans Mikrofon. Wir haben noch ein paar mal den Namen gewechselt und ein weiteres Mitglied am Bass namens Lisa ausprobiert, ehe wir schlussendlich John in die Band holten, unser Lineup festigten und 1998 zu GOD FORBID wurden.

Für eine Major Band ist es relativ ungewöhnlich das Lineup über Jahre ohne Wechsel zu behalten. Ihr macht mittlerweile mehr als 10 Jahre Musik zusammen, habt ihr irgend ein Rezept um die Band beisammen zu halten?

Um ehrlich zu sein machen wir das nun schon so lange zusammen, dass ich denke, die meisten von uns könnten sich wohl garnicht mehr vorstellen wie es wäre kein Teil von GOD FORBID zu sein. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es fast schon tief in unserer DNA verwurzelt ist.

Obwohl wir vom Typ her die selben fünf Jungs sind, formen wir gemeinsam eine ziemlich unberechenbare Truppe und standen schon viele Male kurz davor ein Mitglied gehen zu sehen oder es auf Eigeninitiative raus zu schmeissen, ja sogar die Band komplett aufzulösen. Ich bin immer noch mit von der Partie weil ich das Gefühl hatte und habe, dass es für mich noch etwas mit GOD FORBID zu erreichen gibt. Bis jetzt denke ich, dass da ich die richige Entscheidung getroffen habe.

Wie sind denn die ersten Reaktionen auf das neue Album, “Earthsblood”? Habt ihr bereits erste Reaktionen von euren Fans und den Medien einfangen können?

Bis jetzt waren die Reaktionen unglaublich. Einige Leute die der Band sehr nahe stehen, Bekannte sowohl aus dem geschäftlichen als auch dem privaten Umfeld, haben uns gesagt, dass es nicht nur unser künsterlisch bestes Album sondern auch das am besten zu genießende ist. Die meisten Pressevertreter, mit denen ich gesprochen habe, lieben es, darunter sogar einige die zugaben, keine sonderlichen Fans unserer früheren Werke zu sein. An Reviews hab ich bisher nur zwei gesehen, eine 8/10 und eine 10/10.

Ich gebe natürlich zu ich genieße es, wenn Leute das loben was wir tun. Deshalb werden wir mal sehen wie es letztlich aufgenommen wurde, wenn alles gesagt und der Rummel vorüber ist.

Wie wichtig sind euch Plattformen wie Myspace für die Verbreitung und Promotion eurer Alben und um einen Eindruck von der Reaktion der Fans zu bekommen?

Im Moment dürfte es mit das wichtigste Werkzeug für Promotion überhaupt sein, auf einer Stufe mit Touren. Es ist nicht so spassig und praktisch wie eine Tournee, kann aber außerordentlich effektiv sein wenn du immer auf der Höhe der Zeit bist. Um ehrlich zu sein denke ich, dass wir mit unserer Internet Promotion ein wenig hinterher sind, aber glücklicherweise haben wir einen großartigen Beauftragen fürs Web-Marketing, der für unser Management arbeitet und einfach fantastische Arbeit abliefert. Dummerweise sitzt das Geld für massig Print und Fernsehwerbung nicht mehr so locker wie noch vor ein paar Jahren und manches davon wirkt garnicht so effektiv wie man vielleicht glauben mag.

Es geht einfach darum kreativ zu sein und neue Wege zu finden, auf die Band aufmerksam zu machen. Wir versuchen unser möglichstes um nicht der Baum zu sein, der im Wald umfällt und keinen interessiert es.

Gewöhnlich ist das neuste Album immer gefühlt das beste bisher abgelieferte Album. Wo aber würdest du “Earthsblood” in eurer Discographie realistisch einordnen, welche Gefühle hast du zu diesem Album?

Ich denke es wird ein paar Jahre brauchen um zu sehen, welchen Platz es in unserem Repertoire einnimmt. Im Moment finde ich natürlich, dass es das beste Album ist. Ich bin aber ziemlich sicher, dass ich das auch zu jedem vorherigen Album gesagt habe, das auf den Markt gekommen ist. Derzeit scheint “Gone Forever” der Favorit der Fans zu sein, aber nur eine Haaresbreite vor “Constitution”. Einige Fans ziehen unsere ersten beiden Alben allen anderen vor. Ich denke nicht, dass wir unser “Reign in Blood” oder unser “Burn My Eyes” bereits abgeliefert haben. Vielleicht wird “Earthsblood” unser erster Klassiker, ich hoffe es zumindest.

Die Musik auf “Earthsblood” hat definitiv ihren eigenen Stil der sie, in meinen Augen, aus der großen Masse an Bands aus dem Metalcore Genre heraus hebt. Wie würdest du die musikalische Stilrichtung von GOD FORBID anno 2009 und die Entwicklung von den Anfängen eurer Karierre bis heute beschreiben?

Wir haben defintiv als Metalcore Band begonnen, aber ich denke noch immer, dass wir schon damals nicht allzu viel “Core” in unserem Sound hatten. Zusammen mit SHADOWS FALL und KILLSWITCH ENGAGE waren wir eine der ersten Bands die definierten und zeigten, was letztlich der moderne Metalcore werden würde. Um ehrlich zu bleiben waren es dann in meinen Augen aber doch Bands wie UNEARTH oder AS I LAY DYING, die diesen Sound mit ihrer steigenden Popularität formten und letztlich noch eine Stufe weiter definierten.

Das war dann der Punkt an dem wir aufgehört haben einfach nur eine simple Metalcore Band zu sein. Wir fühlten uns musikalisch (und nicht persönlich) weitaus wohler auf Tour mit Bands wie ARCH ENEMY und ANTHRAX als auf der “Hell On Earth”-Tour mit HEAVEN SHALL BURN und MAROON. Nicht, dass das keine guten Bands wären, ich denke einfach nur, dass es mehr Gemeinsamkeiten zwischen uns und Bands gibt, die man eher als geradlinige Metalbands bezeichnen würde. Das zeigt sich immer deutlicher mit jeder Veröffentlichung und insbesondere mit “Earthsblood”.

Metalcore hat in den letzten Jahren einen rießigen Hype erlebt, Bands tauchten ebenso schnell aus dem Nichts auf wie sie wieder in der Versenkung verschwanden. Auch wenn ihr bereits eure eigene Interpretation von Metalcore entwickelt habt und euch von der breiten Masse separiert habt, was bedeutet dir der Grundbegriff Metalcore und wie würdest du die Lebendigkeit der Szene beschreiben?

Ich würde nicht sagen, dass der Metalcore verschwunden ist, ebenso wenig wie Nu Metal jemals wirklich verschwunden ist. Es ist einfach nur nicht mehr angesagt als Metalcore Band aufgefasst zu werden. Das Ganze taucht doch jetzt als Deathcore wieder auf, nur dass die Breakdowns dort sogar noch bissiger und grimmiger sind. Die Vermischung von schredderndem Metal und Songs, bei denen anstachelnde und vernichtende Pits über erinnerungswertes Songwriting gestellt werden ist immer noch absolut lebendig. Die gebräuchlichen Szenestatements und Aussagen sind ebenso wenig verschwunden.

Ich weiß nicht ob ich der beste Ansprechpartner dafür bin eine Szene zu beschreiben, zu der ich mich schon lange nicht mehr zugehörig fühle. Als ich den Zugang zur Hardcore Szene fand, da fuhr ich total auf CANDIRIA, FOR THE LOVE OF, CAVE IN, COALESCE, OVERCOAST und HATEBREED ab. Aber die Dinge haben sich verändert als die Musik in den Hintergrund trat und sich alles nur noch ums cool aussehen, Streitereien zwischen Szenegruppen und Dramen zu drehen begann.

Es gibt allerdings auch ein paar kranke neue Bands die ich mag und die eine ganze Menge in ihre Songs stecken, THE FACELESS, ALL SHALL PERISH, WHITECHAPEL oder WINDS OF PLAGUE zum Beispiel. Ich weiß nicht ob wir persönlich in den gegenwärtigen Kontext hinein passen, aber ich weiß eine gute Band zu schätzen wenn ich sie sehe.

Wo würdest du die Haupteinflüsse von GOD FORBID sehen? Gibt es einen gemeinsamen Nenner oder Favoriten in der Band oder kombiniert ihr eher unterschiedliche musikalische Geschmäcker?

Das ist eine ziemlich umfassende Frage. Wir sind so ziemlich von allem von METALLICA über PANTERA hin zu RADIOHEAD, OPETH, MORBID ANGEL, MUSE oder BLACK DAHLIA MURDER beeinflusst worden. Die meiste Zeit denken wir aber garnicht über diesen Stoff nach wenn wir Songs schreiben. Wir versuchen einfach das zu tun was sich gut anfühlt.

Ich denke diesesmal wurden wir von mehr progressiven Bands wie TOOL, GOJIRA, MASTODON und MESHUGGAH beeinflusst. Es macht Spass Songs ein wenig atmen und ihnen Freiraum, ja Freiluft zu geben. Einatmen und Ausatmen, sozusagen. Sofern das irgend einen Sinn macht.

Die Texte auf “Earthsblood” drehen sich vorwiegund um Umwelt- oder soziale Probleme, obwohl ich es nicht wirklich als Konzeptalbum bezeichnen würde. Wie wichtig sind euch eure Texte generell, glaubt ihr, dass ihr damit Einfluss auf die Meinung eurer Zuhörer habt oder ist es einfach nur ein Ventil um eure Gefühle und Gedanken zu artikulieren?

Meiner Meinung nach ist es ziemlich selten, dass Metal Bands wirklich den Standpunkt ihrer Zuhörer in Bezug auf weltliche Angelegenheiten beeinflussen.
Ab und an gibt es so seltene Fälle wie GOJIRAs Joe Duplantier, der wirklich leidenschaftlich und intelligent über Anliegen spricht, die ihm wichtig sind. Ich denke die Leute hören ihm zu, weil er authentisch wirkt. Er bezieht ebenso aktiv Position wie Tom Morello (AUDIOSLAVE, RAGE AGAINST THE MACHINE, anm. d. Red). Wir mögen zwar ziemlich große Klappen haben, aber wir sind keine Aktivisten. Ich möchte lieber nicht all zu sehr auf die textliche Komponente von “Earthsblood” eingehen, da ich nur eine handvoll Texte selbst geschrieben habe.

Wir wollten vom Tonfall auf “Constitution” weg, der ziemlich schicksalsschwanger und schwermütig war. Es ist ein doppeldeutiges Album. Vielleicht dreht es sich auch garnicht um ein bestimmtes Thema. Les die Lyrics. Entscheide für dich selbst.

Wie sieht es denn mit Tournee und Festivals aus, gibt es da Pläne für Europa und speziell natürlich Deutschland?

Zusätzlich zu unserer Europa-Tour mit ILL NINO, die nächsten Monat beginnt, werden wir zwischen Juni und Juli für eine kleine Festivalrundreise mit ANTHRAX und DEVILDRIVER nach Europa zurück kehren. So weit es Deutschland betrifft werden wir, soweit ich weiß, auf dem VAINSTREAM und dem WITH FULL FORCE FESTIVAL spielen. Unser Ziel ist es Europa für uns zu gewinnen und einzunehmen, das wird ein weiterer Schritt in diese Richtung sein.

Was ziehst du denn persönlich vor, neue Songs zu schreiben und aufzunehmen oder eure Musik den Fans live zu präsentieren?

Live ist sicher am spassigsten, du bekommst einfach einen Austausch der Energie zwischen Band und Publikum. Außerdem verschafft es einem diese sofortige Befriedigung und dem Ego schmeichelnde Wirkung wenn du weißt, dass die Leute genießen was du da tust. Viele Menschen arbeiten ihr Leben lang hart und bekommen nur sehr wenig Lob und Anerkennung. Musiker hingegen sind verwöhnt und bekommen genau das die ganz Zeit. Das ist wohl einer der Gründe dafür, dass wir alle so eigenartig sind.

Letztlich bescheert einem Live zu spielen eine sofortige Befriedigung, aber wenn ein Album fertig wird, dann empfindest du ein Gefühl von Vollendung, das auch absolut fantastisch ist. Insbesondere dieses Mal, da wir so lange gebraucht haben.

Vielen Dank für deine Zeit Doc und viel Glück mit “Earthsblood”.

Danke für deine Zeit, wir wissen die Aufmerksamkeit zu schätzen. Bis bald.

06.02.2009

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