Bubonix
Bubonix

Interview

Eigenständige Musik mit Inhalt, fein präsentiert, auf Konzerten herzhaft umgesetzt – was willst du mehr, Freund des Schubladendhüpfercore? Zugegeben, in Berlin glich der Auftritt im Vorprogramm von SMOKE BLOW eher einer öffentlichen Generalprobe: Einige Zeit nicht zusammen geprobt, ein Gitarrist war gerade ausgestiegen (mal wieder Vater geworden, andere Prioritäten) und als die Gitarristin zum großen Schreien ansetzte, kam kein Ton aus dem Mikro. Es gibt bessere Tage. Der Applaus war trotzdem ordentlich. Zuvor im Van beim Interview: Markus (ebenfalls Gitarre und eine Prise Mikrobeanspruchung) und Thorsten (Gesang – auch bei SIX REASONS TO KILL). Wer schauen mag, wie sich die Band beim SMOKE-BLOW-Heimspiel in Kiel gemacht hat, kann das übrigens hier tun: http://sly-fi.hobnox.com/sid794pmih6mfmmvo1589ote0mjt4/index.html

BubonixEure neue Platte ist draußen – auf Vinyl und in einer Baumwolltasche…

Thorsten: Genau. Wir sind Vinylfetischisten. Das ist old school. Und die Tasche ist aus Bio-Baumwolle, was uns wichtig ist, weil oft über Freiheit und so geprahlt wird, aber dann sind die Shirts chemisch behandelt und nicht Fair Trade.

Markus: Wir wollen weg von diesem ganzen Plastik-Zeug. Durch Zufall bin ich im Internet auf einen Bericht gestoßen über die Vermüllung in der ganzen Welt. Nach Indien wird der ganze Dreck von uns hingeschippert und dort rennen die Kids, die Kühe und alle in Mülltüten rum. Da haben wir uns halt gedacht, dass wir damit ein kleines Zeichen setzen können.

Steckt auch hinter dem Titel “Capsaicin“ und dem Cover, das vielleicht an Plakate der Stummfilmära erinnert, ein Konzept?

Thorsten: Ich finde, es passt zur Stimmung der Songs ganz gut, weil das so trist und direkt rüberkommt. Den Titel habe ich in einem Spiegel-Artikel gefunden.

Markus: Capsaicin ist ja der Wirkstoff der Chilischote. Das wird in der Medizin verwendet und auch zur Abwehr in Pfeffersprays eingesetzt. Und wenn du dir das Cover anguckst, ist ja die Person in einer schützenden Haltung. Das hat sehr gut zum Konzept gepasst. Auf der einen Seite ist es scharf und brennt nach, auf der anderen Seite ist es auch heilend.

Thorsten: Noch dazu kommt, dass es auch ein Abschluss mit verschiedenen Sachen ist. Für uns persönlich. Muss man jetzt hier nicht ansprechen. Aber auf jeden Fall hat der Titel damit was zu tun, wie jede Person für sich selbst damit umgeht – wie extrem oder wie vernünftig. Das kann auch auf die Schärfe zutreffen.

Bringen wir gleich noch etwas Klarheit ins Textheftchen zu “Please Devil, Send Me Golden Hair“. Dort gibt es einen Text mit der Zeile: „Free love on Rügen / If you feel like Klaus Kinski / Masturbating on Adorno.“ Dazu den Hinweis: „Lyrix were written by T10 and Xbeneralx while a tasty breakfast.“ War das ein Frühstück mit Zauberpilzen? (Markus gluckst)

Thorsten: Äh, ach so, T10 ist für mich. So hat mich meine Mutter früher oft auf ’nen Zettel geschrieben. Und Xbeneralx ist mein alter Mitbewohner. Wir haben halt erst mal ’nen Schrotttext geschrieben, dann ist daraus irgendwie der Refrain entstanden. Anschließend haben wir uns noch mal Gedanken gemacht. Der Refrain spiegelt die Personen wieder, die einfach einen Stock im Arsch haben, vielleicht politisch ultrabewandert sind, von Adorno jede Textzeile kennen und kinskimäßig sich verhalten, zwischenmenschlich überhaupt nichts auf die Reihe kriegen. Da komme ich – ganz plump vielleicht – auf einen Satz von Marcus Wiebusch von KETTCAR, der früher bei BUT ALIVE war: „Politisch voll korrekt und menschlich voll am Ende.“

Mit dazu kommt, dass man auch zu geschlechtsspezifisch ist. Ich denke mir, wir sind auf jeden Fall eine Transgender-Band. Es gibt halt Themen, die kotzen uns an. Auf der einen Seite sind wir auch Prollos, aber irgendwo schauen wir immer noch, dass wir Respekt gegenüber dem anderen Geschlecht haben. Das stellen wir auch gar nicht in Frage, weil wir das einfach leben. Aber wir kriegen das halt oft genau mit. Auf Arbeit und überall triffst du solche Leute. Und so kam der Text – Beobachtung.

Die letzten beiden Platten habt ihr mit Kurt Ebelhäuser (BLACKMAIL, SCUMBUCKET…) produziert. Er soll ein Händchen für melodische Gitarren haben. Würdet ihr sagen, er hat euch in diese Richtung beeinflusst?

Thorsten: Das kann man nicht sagen. Ich glaube, der kitzelt einfach das, was schon vorhanden ist, noch mehr aus uns raus. Klar, er ist eine außenstehende Person, aber wir arbeiten gut zusammen. Manchmal hat er auch einen Einfall und sagt: „Probier doch mal das und das.“ Das ist immer ganz schön.

Markus: Wir spielen das live ein und dann meint er auf einmal: „Ey, was spielst du da auf der Gitarre?! Mach noch mal! Boah, das muss ich mir für nachher merken.“

Thorsten: Der ist teilweise unser Ordner, der Ideen erkennt, die situationsbedingt entstehen. Aber das ist halt immer Geschmackssache. Jeder Produzent hat ein eigenes Flair. Wir kommen gut mit ihm aus, wollen auch bei ihm bleiben, weil die Songs in unserem Spektrum homogen klingen.

Fakt ist trotzdem, dass ihr einen ziemlichen Sprung gemacht habt, wenn man die letzten Veröffentlichungen mit älteren Aufnahmen vergleicht, die eher in eine klassische Hardcorepunk-Ecke tendieren.

Markus: Das ging aber auch über zehn Jahre lang. Wenn ich überleg, ich hab damals angefangen, hab dann dagestanden mit BAD RELIGION und dachte: „Boah, das musst du mal irgendwie nachbollern.“ Oder damals METALLICA – “Master Of Puppets“ in den Achtzigern. Heute würde ich mich nicht mehr hinsetzten und versuchen, James Hetfield nachzuspielen.

Thorsten: Wir haben vielleicht auch spät in Punk-Rock reingefunden. Eine Zeit lang waren wir in der Crust-Szene gut vertreten. Das hat uns teilweise gut geprägt, aber auch dazu gebracht, dass wir das kritisiert haben. Man betrachtet die Situation, in die man sich begibt, dann auch mal aus anderen Sichtweisen.

Es gibt auf den neuen Alben eigentlich auch keine Parolen. Ihr bringt kein ’Nazi Punks Fuck Off’.

Thorsten: Ne, „Nazi Punks fuck off“ ist halt in den Achtzigern schon gesagt worden. Das kann man auch immer noch sagen, aber wir machen das lieber so, dass wir zum Beispiel Kein Bock auf Nazis trotzdem unterstützen. Da gibt’s bei uns in der Baumwolltasche so ein Heft mit dazu. Wir unterstützen auch Turn it down!. Aber wir müssen nicht damit prahlen.

Wir wollen ja auch Spaß haben und man kann auch abschalten. Wir müssen nicht unseren Antirassismus oder die und die Einstellung immer raushängen lassen. Das ist uns zu dogmatisch. Sonst würden wir auch nicht zusammen funktionieren. Ich hatte Zeiten, da war ich eigentlich Hardline-Vegan-Straight-Edge und die anderen haben trotzdem getrunken und gefeiert. Scheißegal, es kommt auf einen Spirit an!

Markus: Selbst wenn wir nicht mehr so “krass politisch“ sind, rütteln wir die Leute mit Aktionen wie der Baumwolltasche an und unser Merchandising ist 100 Prozent organisch.

Ihr macht es euch dadurch nicht immer einfach. Es kam schon vor, dass ein Schriftzug leicht abblätterte oder Ärmel verschieden lang waren. Man hat also immer zu tun…

Markus: Wir probieren halt vieles. B&C war der erste Versuch Fair Trade zu gehen. Bei dieser Marke waren die Größen total unterschiedlich. Aber wir waren uns wenigstens sicher, dass nicht irgendwelche kleinen Kinder an den Maschinen stehen. Wir müssen Erfahrungen sammeln. Auch jetzt ist es bei dem Merchandising so, dass die Größen alle ganz anders ausfallen. (gluckst) Vielleicht sind die organisch eingestellten Menschen alle etwas korpulenter oder die Maschinen nehmen das nicht so genau.

Euer Label kokettiert ein wenig damit, dass ihr engstirnigen Szenewächtern vor den Kopf stoßen würdet. Gab es denn tatsächlich kritische Stimmen, die mit „Ausverkauf!“-Vorwürfen ankamen?

Markus: Veranstalter, die uns gebucht haben, haben uns erzählt, dass Bands, mit denen wir spielen sollten, abgesagt haben, weil wir jetzt bei einem Label sind.

Thorsten: In der DIY-Szene gibt es auch teilweise so einen Neidfaktor.

Markus: Das ist jetzt nicht bös gemeint, aber ich hab das Gefühl, dass das so läuft: „Oah, das ist unentdeckt, das gehört mir ganz allein! Das hab ich in irgendnem Keller gesehen. Hier, willste mal hören?“ Jetzt ist es auf einmal in jeder Presse. „Öh, ist nicht mehr meins, tu ich weg.“

Der Micha von IN EXTREMO hat mal im Interview zu mir gemeint: „Es wird immer Leute geben, die dich fürs Wohnzimmer gemietet haben. Und wenn du nur auf den Balkon gehst, bist du schon ein Verräter.“

Markus: Genau!

Thorsten: Ja, so ist das. Die rechnen halt auch einfach nicht die Anreise und was noch dazu kommt.

Abgesehen von Reviews in den üblichen Magazinen und weniger Organisationsaufwand, hat sich doch für euch eigentlich gar nicht viel geändert. Ich meine, Arne (Nois-O-Lution) wird nicht sagen: „Hier, zehntausende Euros – kauft euch einen Swimmingpool!“

Markus: Mir gefällt das für den Arne auch sehr gut, wenn man dann irgendwo liest: „Ey, Ausverkauf! Major-Label!“ Da klopfe ich ihm schon gerne auf die Schulter: „Wir sind jetzt bei dem Major-Label Nois-O-Lution!“ Er ist ein neues Familienmitglied geworden. Die Band ist ja, wie Thorsten eben schon sagte, auf einer Wellenlänge und der Arne sitzt jetzt mit uns im selben Boot.

KAKI KING, eine New Yorker Musikerin, ist aufgetaucht…

Thorsten: Haste mal gehört?

Ich kann mir vorstellen, dass ihr gegrinst habt, weil ’Fashion Tattoo’ im Original besser ist als ihre Live-Version.

Thorsten: Trotzdem ist das schon ’ne Ehre. Wir bewundern KAKI KING auch. Sie ist eine Freundin von Sarah, unserer Gitarristin, und supportet uns auch. Bei Myspace kann man sich das anschauen (www.myspace.com/bubonix).

Da stehen auch Remixe. Auf der anderen Seite sind eure Alben mit 35-40 Minuten Spielzeit relativ kurz. Habt ihr mal überlegt, das zu erweitern – Remixe raufzupacken oder die Elektro-Noise-Sachen ein bisschen auszubauen?

Thorsten: Auf jeden Fall! Das hängt auch mit Zeit zusammen. Es kann vielleicht ein bisschen dauern, bis die nächste Platte rauskommt, aber vielleicht ist die dann auch noch ausgereifter. Vielleicht ist die jetzt auch torschlusspanisch rausgekommen – und so muss es auch sein. Das gehört dann einfach zu unserer Entwicklung.

Markus: Wir haben da aber keinen Plan. In der Band sind alle musikalisch komplett anders drauf und alles entsteht spontan im Proberaum.

Thorsten: Ich hör zum Beispiel auch viel Singer-Songwriter-Kram, hab trotzdem Grindcore gemacht und mache Hardcore.

Eure Gitarristin hat sich neulich auf der Bühne das Bein verletzt. Wie schafft man das?

Markus: Wir springen ja auch ein wenig, sie ist unglücklich aufgekommen und dann ist das Kreuzband gerissen. Auf Tour zu gehen ist für uns ein bisschen wie der Ballermann- oder Familienurlaub. Na gut, Familie haben wir auch alle, aber da fahren wir getrennt weg. Jedenfalls ist die Freude immer ganz schön groß. Und bei der Sarah war sie halt übergroß. Das war direkt die erste Show, der erste Ton, den sie gespielt hat. Dann haben wir abgebrochen und den Krankenwagen geholt.

Zum Thema “Major-Label“ muss man auch noch mal sagen, dass ihr teilweise einstellige oder zweistellige Besucherzahlen habt. Also es gibt recht krasse Wechsel und ihr verkauft nicht die Clubs aus.

Thorsten: Vielleicht hat es auch was damit zu tun, dass wir ins kalte Wasser gesprungen sind und uns manche Leute wegen Nois-O-Lution nicht mehr unterstützen. Und die Leute, die es erreichen könnte, sind noch zu wenig.

Und die, die nicht erscheinen, sind dann 3-Euro-Punks, die nicht kommen, wenn es mehr kostet?

Thorsten: 50 Cent sind da noch zu viel.

Markus: Wir haben mal in Mönchengladbach gespielt. Da standen die mit ’nem Sechserpack von der Tanke, der auf jeden Fall mindestens sechs, sieben Euro gekostet hat, mit ’ner Schachtel Kippen, die auch vier Euro kostet. Für fünf Bands sollten sie fünf Euro Eintritt zahlen. „Machen wa net! Eine Band hat schon gespielt, da bezahlen wir maximal nur noch vier.“ Das war so grandios! Der Veranstalter war aber cool; der hat bis zur letzten Band die vollen fünf Euro genommen.

Thorsten: Sagen wir ganz klar: Wir haben da auch gar keinen Bock drauf! Geld wächst nicht auf Bäumen. Ich will die Personen mal sehen, ob sie uns Geld schenken, wenn wir sie zu Hause auf ihrer Party besuchen wollen. Die hätten am liebsten, dass wir noch fünf Euro an der Kasse verteilen. „Hier, T-Shirt kannste auch noch aussuchen!“ (glucksen) Na, ist doch wahr. Scheiß auf den Kram da, weißte! Das ist eine Unverschämtheit. Das hat was mit Anstand zu tun. Wer uns nicht respektiert, soll einfach fernbleiben. Fuck off, hehe!

Klare Ansage. Live versteht man dich dagegen manchmal kaum. Pushst du dich in solchen Fällen eher selber oder würdest du dich schon freuen, wenn die Leute was verstehen?

Thorsten: Ja, da achte ich jetzt auch besser drauf. Einfach kürzere, klarere Ansagen. Man muss nicht zu viel erzählen. Wir sind nicht auf einer politischen Veranstaltung, obwohl wir den Anspruch haben in manchen Texten. Dafür haben wir auch die Texthefte.

Markus: Deswegen haben wir irgendwann angefangen, die zu verteilen. Wir hatten auf einer Show einen Song zum allerersten Mal gespielt und da stand jemand, bei dem ich mir dachte: „Vollidiot, was brüllst du da mit!? Du kannst das nicht verstehen. Du kannst das nicht kennen.“ Da hätten wir singen können: „Ey, du Spacko in der ersten Reihe bist ein Vollidiot!“ Und der hätte dagestanden: „Klar, ich bin ein Vollidiot!“

Es ist immer ein schönes Gefühl, wenn nach dem Konzert ganz wenige Texthefte auf dem Boden liegen. Das heißt, die Leute nehmen es an und interessieren sich für das, was sie live nicht verstehen konnten.

Was würdet ihr alles für den Erfolg tun? Nacktfotos habt ihr ja schon gemacht. (Markus bricht in Gelächter aus)

Thorsten: Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir irgendwie swingermäßig rüberkommen sollten. Ich glaub, das war einfach nur, um…

…die Gruppenliebe darzustellen.

Thorsten: Ja. Man zeigt, man ist ein Kollektiv, ’Free Love On Rügen’ ist drauf und das hat irgendwie gepasst. Aber wir ficken nicht miteinander, so weit kommt es nicht und…

…hehehe, ihr duscht auch nicht alle zusammen.

Thorsten: Ne, das machen wir auch nicht. Wir kennen uns gut, aber wir wollten einfach nur Natürlichkeit zeigen. Wir müssen uns nicht mit Band-Shirts hinstellen, damit die Leute wissen: „Ach, die machen bestimmt solche Musik, weil die solche Band-Shirts haben!“

Markus: Wir wollen uns nicht verkleiden. Und wie kann man dem Menschen näher sein als nackt?

25.07.2008

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