Genghis Tron
Interview mit Hamilton
Interview
GENGHIS TRON sind eine Band, die stets über sich selbst hinauswächst. Das zeigten sie erneut mit ihrem neuen Album „Board Up The House“, welches bei keinem geringeren Label als Relapse Records erschienen ist. Mit Gitarrist Hamilton sprach ich über die anstrengende Arbeit in der Band, Schockfaktoren, falsche Verkaufszahlen und darüber, dass man trotz eines Albums wie „Board Up The House“ immer vorsichtig mit Begriffen wie „Zukunft“ oder „Innovation“ umgehen sollte.
Tach Hamilton! In meinem Review schrieb ich, dass sich Relapse Records eigentlich den besten Zeitpunkt ausgewählt haben, um Euch unter ihre Fittiche zu nehmen. Wie kam denn der Deal zustande, wer hat den ersten Schritt gemacht?
Nun, wir haben bereits vor einigen Jahren mit Relapse Kontakt aufgenommen, noch bevor „Dead Mountain Mouth“ draußen war. Sie haben schon nach der Veröffentlichung von „Cloak Of Love“ Interesse an uns gezeigt, aber wir wollten für das nächste Album zunächst bei Crucial Blast bleiben. Wir hatten es ja nicht eilig, das Label zu wechseln. Nach vielen Unterhaltungen und wachsenden Freundschaften waren wir uns dann einig, dass Relapse die beste Wahl für unseren nächsten Schritt sind.
Relapse stehen für Innovation und extreme Musik – genauso wie ihr. Ich erinnere mich noch, wie ich eure Musik zum ersten Mal gehört hab. Euer Demosong „Penultimate…“ war einer der besten Tracks von der Drummachine Compilation #2 (2004, Einsteinium Records).
Wann habt ihr mit dem Musikmachen angefangen, wie seid ihr zusammengekommen und wann habt ihr euch dazu entschieden, mit dieser Musik an die Öffentlichkeit zu gehen?
Als wir mit GENGHIS TRON anfingen, hatten wir noch keine Pläne hinsichtlich Veröffentlichungen, Touren oder überhaupt mal live zu spielen. Es fing mit mir und Michael (Keys, Drum Programming) an, als in meinem Zimmer im College damit begonnen, Musik zu schreiben. Wir erkannten bald, dass keiner von uns irgendwelche Sangesfähigkeiten hatte, also fragten wir Michaels Zimmergenossen Mookie, ob er es mal probieren würde. Im Laufe der Zeit kam dann auch für ihn noch das Keyboard dazu. Nachdem wir dann ein 3-Song-Demo fertig hatten, schickten wir es an verschiedene Labels, von denen Crucial Blast Interesse anmeldeten, die dann „Cloak Of Love“ herausbrachten.
GENGHIS TRON machen nicht einfach nur „Drummachine Musik“, sondern weitaus mehr – aber wie würdet ihr das beschreiben? Es fliegen ja eine Menge von Begriffen durch die Luft, von Cybergrind, IDM bis Mathcore, aber auch wenn sich davon jeweils Elemente in eurer Musik wiederfinden, kann wohl keines dieser Genre euer Spektrum gebührend beschreiben.
Yeah, unsere Musik zu beschreiben versuche ich nicht gerade oft. Ich weiß, dass ist ein Klischee, aber es ist wahr: Es erweist der Musik einen Bärendienst, wenn man versucht, sie mithilfe von Genrenamen oder Band-Vergleichen zusammenzufassen. Klar, manchmal ist das notwendig, deshalb erzähle ich den Leuten meistens, dass wir harte, raue Rockmusik mit vielen elektronischen und vielleicht auch „progressiven“ Elementen spielen, wobei „progressiv“ schon wieder so eine Sache für sich ist.
Welche Philosophie verfolgt ihr mit eurer Musik? Drei Typen wie ihr sagen sich ja nicht einfach „hey, lasst uns mal ein paar Stile zusammenschmeißen, wie es vorher noch keiner gemacht hat“. Ich hab‘ zwar in meinem Review geschrieben, dass sich endlich mal jemand daran gewagt hat – aber was gehört dazu, diese Elemente alle so zu arrangieren, dass es auch tatsächlich zusammenpasst? Was ist sozusagen der Grundgedanke hinter eurem Schaffen?
Soviel Philosphie gibt’s da eigentlich nicht, wir wollen einfach Musik kreieren, die uns fordert und uns gefällt – und um das zu erreichen, spornen wir uns gegenseitig an um etwas zu erschaffen, was wir noch nie vorher gehört haben. Es braucht eine Menge Arbeit und tonnenweise mentale und emotionale Anstrengung, damit wir Songs schreiben, die diesen hohen Ansprüchen auch genügen. Wir bürden uns schon einiges auf, damit wir am Ende ein Resultat haben, mit dem wir glücklich sein können. Und selbst dann kann es passieren, dass uns ein Song nach einem oder zwei Monaten nicht mehr gefällt, und wir uns dazu zwingen, in umzuschreiben. Es ist ein steter Kampf mit uns selbst, aber letztendlich hat uns dieser Weg zu unserem bisher besten Album verholfen.
Wie können wir uns als Außenstehende denn diesen kreativen Prozess näher vorstellen? Wie komponiert und arrangiert ihr eure Songs? Was inspiriert und beeinflusst euch? Gibt es sozusagen ein Alphamännchen unter euch, oder hat die gesamte Band Anteil daran?
Es ist sehr egalitär – wir alle beteiligen uns intensiv beim Schreiben neuer Songs, sonst wäre GENGHIS TRON absolut nicht die gleiche Band. Jeder Song wurde in einer anderen Weise geschriebe, viele entstehen in Zusammenarbeit, manche aber auch völlig selbständig. Michael und ich haben einige Songs für uns allein geschrieben, was bei diesem Album völlig neu war. Dennoch gehört es zur „Essenz“ dieses Prozesses, dass wir uns gegenseitig verbessern können. Selbst wenn ich einen neuen Song anbringe, den ich komplett alleine geschrieben habe, haben Michael und Mookie großen Einfluß darauf, was letztendlich mit dem Song geschieht. Sie haben sehr gute Ohren, und wir sind alle sehr auf die Stärken und Schwächen von uns eingestellt. Das Überarbeiten und Verbessern der Songs nimmt gewöhnlich mehr Zeit in Anspruch, als das eigentliche Komponieren.
Die ersten Songs, die ich von euch gehört habe (v.a. auf „Cloak Of Love“) waren wie eine Explosion, totales Chaos, aber alles auf eine intelligente und effektive Art und Weise. Wie waren die ersten Reaktionen auf eure Musik und wo habt ihr heutzutage die größte Fanbasis?
Danke! Die ersten Reaktionen waren sehr positiv, sogar so sehr, dass es uns ziemlich geschockt hat. Wir haben die ersten GENGHIS TRON Songs eher zum Spaß aufgenommen, und ehe wir uns versahen, hatten wir schon unsere erste Tour gebucht und waren dabei, die erste EP aufzunehmen. Seit den ersten Tagen der Band war es sehr anspornend, überall mit einem Van hinzufahren und Leute kennenzulernen, die sich mit der verrückten Musik, die wir machen, identifizieren können.
Es ist schwer zu sagen, wo wir die meisten Fans haben – New York City und Philadelphia waren schon immer sehr stark für uns, ebenso wie Kalifornien, Florida und Austin, Texas. Aber wenn ich einmal damit anfange, Städte zu benennen, kommen mir immer mehr in den Sinn… Seattle, Portland, Chicago, etc… und in Großbritannien ebenfalls.
Mit „Dead Mountain Mouth“ habt ihr einen deutlichen Stilwechsel unternommen. Mir erschien es, als hättet ihr den Songs eine viel tiefere Struktur gegeben und wärt auch „ernsthafter“ geworden. Nun, nicht dass du mich falsch verstehst: Damit meine ich natürlich nicht, dass die Musik vor diesem Album nicht ernst gemeint war, aber auf dem Album erschien sie mir viel bestimmter und fortgeschrittener zu sein. Wie siehst du das Album im Vergleich zu den früheren Werken?
Absolut, deine Einschätzung trifft es ziemlich genau. Seit Tag 1 unserer Existenz meinen wir es ernst mit unserer Musik, aber „Cloak Of Love“ war auf jeden Fall verspielter als das Material, was danach kam. Wir waren einfach gesagt glücklich mit der EP, aber wurden dieses Stils schnell überdrüssig. Diese Songs waren provokativ, aber in ihnen ging es eher darum, extreme Genres gegenüber zu stellen, als sie wirklich zu kraftvollen Songs zu machen. Natürlich haben unsere frühen Songs ihre Momente und tolle Ideen, aber in der Gesamtheit betrachtet haben wir uns mit „Dead Mountain Mouth“ und vor allem mit „Board Up The House“ viel mehr auf Melodien, Rhythmen und Texturen konzentriert, und weniger um den Schockfaktor und Kontrast, den wir noch auf „Cloak Of Love“ angestrebt hatten.
Das fordert uns viel mehr heraus – und deswegen bereitet es uns auch viel mehr Freude.
Ich habe ja irgendwo gelesen, dass ihr von „Dead Mountain Mouth“ sage und schreibe 15 000 Einheiten absetzen konntet, was angesichts der Musik und eures „Underground-Status“ wirklich beeindruckend wäre. Wer kauft denn das alles, wer hört sich eure Musik an? Freaks und Bekloppte? 😉
Oder einfach Leute, die generell sehr aufgeschlossen für Musik sind? Gibt es sowas wie den typischen GENGHIS TRON Fan?
Haha, keine Ahnung wo du das her hast – Ich wünschte, es wäre wahr! „Dead Mountain Mouth“ hat auf keinen Fall dermaßen viel verkauft. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass es einen typischen Fan gibt, was uns sehr freut. Zu unseren Shows kommen alle möglichen Leute, auf jedenfall eine Menge Freaks aber auch genauso viele normale Leute, haha!
„Board Up The House“ hat sicherlich die Erwartungen von vielen Fans getroffen, hat aber auch sehr viele Überraschungen bereitgehalten. In meinen Augen ist es ein weiterer großer Schritt nach vorne. Es ist ein sehr anspruchsvolles Album, welches großartiges Talent und Innovation vorweisen kann. Was kannst du uns zur Entstehung von „Board Up The House“ erzählen?
Was die Überraschungen betrifft: Während wir nicht vorhatten, jemand mit „Board Up The House“ zu schocken, wollten wir etwas ganz anderes machen als auf „Cloak Of Love“ und „Dead Mountain Mouth“, aber immer noch dem natürlichen Weg seit unseren Anfangstagen folgend.
Der Entstehungsprozess war ziemlich anstrengend. Wir sind alle in ein Haus in West Philadelphia eingezogen und haben für etwa 8 bis 9 Monate auf sämtliche Jobs verzichtet und uns statt dessen den ganzen Tag hingesetzt, und geschrieben, geschrieben, geschrieben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie lange das gedauert haben muss, bis wir das Album fertig hatten. Die meisten Songs haben wir 10 bis 30 mal überarbeitet. Wir waren wirklich extrem kritisch mit uns selbst, deshalb ist es wohl auch eine unglückliche Tatsache, dass wir mit jedem neuen Song härter mit uns ins Gericht gehen, und jedes neue Album mehr Zeit beanspruchen wird.
Es war eine sehr auslaugende Erfahrung, aber letztendlich bin ich mir sicher, dass sich die ganze harte Arbeit ausgezahlt hat. Selbst jetzt, sechs Monate nach Fertigstellung, sind wir immer noch mächtig stolz auf „Board Up The House“, und das bedeutet uns echt sehr viel!
Das Album als „massentauglich“ abzustempeln, wäre vermessen, aber ich denke, es wird viel mehr Leute ansprechen, als die Vorgängerwerke, vor allem jetzt, wo es bei Relapse Records erscheint. Welchen Effekt sollte das Album deiner Meinung nach auf die Welt haben? Von vielen werdet ihr als Innovatoren, die neue Generation, die Zukunft der Musik gehandelt. Wie seht ihr das Ganze? Was bedeutet in euren Augen „Innovation“, und was ist für euch die Zukunft der Musik?
Ich habe keine Vorstellung darüber, welchen Effekt das Album haben sollte – Ich bezweifle, dass es überhaupt einen großen Effekt haben wird! Ich hoffe einfach, dass sich die Leute so wie wir mit unseren Songs identifizieren können. Erfolg ist für uns keine Selbstverständlichkeit, deshalb ist es auch schwer, vorauszuschauen und zu hoffen, dass alles stärker, besser und größer wird. Es ist schon anstrengend genug, diese Songs zu schreiben und die ganze Zeit auf Tour zu sein. Ich würde wohl irgendwann durchdrehen, wenn ich mich zu sehr mit der Frage beschäftigen würde, was die Zukunft eventuell für GENGHIS TRON bringen könnte oder nicht.
Meine Meinung darüber, was Leute über unsere Musik denken, spielt keine große Rolle, denke ich – jeder hat halt seine Meinung. Aber die „Zukunft der Musik“ und „neue Generation“ – das sind alles sehr hochtrabende Phrasen. Ich bin sehr selbstkritisch, was meine Musik betrifft, und meiner Meinung nach haben wir noch Album geschrieben, was wirklich überragend ist. „Board Up The House“ ist sicherlich unser bisher stärkstes Album, worauf ich SEHR stolz bin, aber gleichzeitig ist es für mich nur Inspiration, um in Zukunft etwas besseres zu erschaffen.
Wohin wird euch euer weiterer Weg führen?
Ich kann nur sagen, dass wir uns weiter entwickeln, uns weiterhin zu Höchstleistungen anspornen. Aber ich habe keine Ahnung, wohin uns das bringen wird, oder was wir kreieren werden…
Gibt es Musiker, mit denen ihr gern mal zusammenarbeiten würdet? Was würdet ihr gerne mal ausprobieren, wenn ihr die Möglichkeit dazu hättet?
Es gibt eine Menge Musiker, mit denen wir gern was machen würden, aber dazu will ich derzeit noch nichts verraten. Wir haben auf jeden Fall ein paar interessante Projekte auf dem Schirm…
Die limitierten EPs „Cape Of Hate“ und „Triple Black Diamond“ waren interessante Experimente und enthielten einige coole Remixes. Werden sie irgendwann mal neu aufgelegt, oder bleiben sie vergriffen?
Sie werden auf keinen Fall neu aufgelegt. Es hat Spaß gemacht, diese EPs für die Touren zusammenzustellen, aber sie waren nicht sehr ernsthaft, und wir haben längst nicht soviel Arbeit reingesteckt, wie wir es normalerweise tun würden. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sie gut genug sind, um eine Neuauflage zu rechtfertigen. Da gibt es weitaus interessantere Dinge, auf die wir uns in Zukunft konzentrieren.
Wie schwer ist es eigentlich für euch, die Musik live rüberzubringen? Müsst ihr in Sachen Technik viele Kompromisse auf der Bühne eingehen? Was für Equipment benutzt ihr, wenn ihr unterwegs seid?
Unsere Musik ist ziemlich schwer live umzusetzen. Weil wir nur drei Leute sind, sind wir immer ziemlich beschäftigt, alle die Melodien und Beats zu replizieren, die man auf den Alben hört. Aber wie es bei jeder Band ist: Je mehr wir die Songs live spielen, umso besser werden wir dabei. Es ist eine Herausforderung, aber eine sehr angenehme. Auch wenn unsere Musik Stück für Stück im Studio zusammengestellt wird, lieben wir es, live zu spielen, auf Tour zu gehen und den Leuten zu zeigen, dass wir unsere Songs auf der Bühne zum Leben erwecken können.
Wir benutzen einen Sampler, verschiedene Mixer, drei Synthesizer, eine Gitarre mit Verstärker und jede Menge Effektpedale!
Ok, dann hoffe ich mal, dass ich euch irgendwann mal live spielen sehe. Danke für’s Interview!
Danke auch! Vielleicht sehen wir uns mal in Deutschland!
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