RPWL
Interview mit Yogi Lang zu "The RPWL Experience"
Interview
Dass gute progressive Rock-Musik auch aus Deutschland kommen kann, beweisen die Süddeutschen RPWL bereits seit einigen Jahren, und mit ihrem neuen Werk „The RPWL Experience“ liegen sie auch weiterhin absolut goldrichtig auf der Überholspur. Sänger Yogi unter anderem über das aktuelle Album, PINK FLOYD und seine Hörgewohnheiten.
Hallo Yogi, zunächst einmal ein großes Lob für das neue Album. Nachdem ich ein wenig skeptisch war, ob ihr wohl den Vorgänger „World Through My Eyes“ toppen könnt oder zumindest ein gleichwertiges neues Album abliefert, haben sich meine Erwartungen doch erfüllt. „The RPWL Experience“ merkt man deutlich einen weiteren Schritt nach vorne an. War das auch euer Ansinnen? Als ob ihr absichtlich darauf geachtet habt, dass das neue Album noch mehr Facetten und Feinheiten (in diversen Belangen) aufweisen soll oder ist für euch ein neues Album halt einfach nur ein neues Album? Oder noch anders: Geht ihr mit Kalkül an die Sache oder entwickeln sich die Songs aus einem absolut natürlichen Prozess heraus?
Die Songs entwickeln sich immer aus dem vorgegebenen Thema des Albums. Der Vorgänger mit seinen spirituellen Inhalten war dadurch natürlich wesentlich verträumter und abgehobener als „The RPWL Experience“ mit seinem realen und sozialkritischen Inhalt.
Unsere Absicht war es auf jeden Fall uns nicht zu kopieren, es gibt nichts Schlimmeres als einen „Teil 2“ auf den Markt zu werfen! Das mag vom Marketing her funktionieren, aber künstlerisch ist es nur selten sinnvoll.
Was mir sofort äußerst positiv aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass du deine englische Aussprache deutlich verbessert hast. Noch auf „World Through My Eyes“ gab es einige Stellen, die mich regelrecht ein wenig geärgert haben, weil durch den hörbaren deutschen Akzent nach meinem Empfinden der eine oder andere Song qualitativ in seinem Gesamteindruck geschmälert wurde, was natürlich nicht heißen soll, dass die Scheibe mangelhaft war, aber manchmal war mir das Englisch einfach nicht sauber genug.
Das kann ich nicht sagen, denn wir haben für RPWL schon seit dem zweiten Album einen englischen Toningenieur. Das hatte vor allem den Grund, dass Mark, mit dem ich auch textlich sehr gern zusammenarbeite, auch ein kleines Studio hat und wir so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnten. Aber naturgemäss sind da die Deutschen wesentlich empfindlicher, den Übrigen ist das eher egal. Ist eben auch etwas eine Sache des persönlichen Geschmacks: Vielleicht war ich deshalb nur nie Howard Carpendale Fan, weil er einen englischen Akzent hat und nicht weil ich die Musik nicht mag, wer weiss…
Ein weiteres dickes Plus muss ich für das Songwriting aussprechen, das trotz der stellenweise vielfältigen Arrangements immer packend und äußerst Aussagekräftig auf mich wirkt. Die Stücke besitzen noch mehr Tiefe als zuvor, noch mehr Feeling und die unterschiedlichen Stimmungen gleiten absolut passend wie eine einzige Reise durch das gesamte Album. Trotzdem steht aber immer der Song an sich im Vordergrund und nicht ein grundsätzlich im Ganzen zu sehendes Werk. Ich will damit sagen, dass es besonders im Bereich des Progressive Rock etliche Alben gibt, die man einfach nicht zerpflückt hören kann. „The RPWL Experience“ kann man sowohl komplett durchziehen als auch einzelne Songs herauspicken, es funktioniert alles wunderbar. Siehst du das ähnlich oder hast du eine andere Einschätzung über die Ausstrahlung und Wirkung des Albums?
Wir achten eigentlich schon immer darauf, dass die Songs auch als separate Tracks funktionieren. Wir kommen ja aus einer Zeit, in der man noch in Alben dachte und der Song im Kontext oft genauso wichtig war wie der einzelne Titel. Die Möglichkeit heutzutage, Titel für Titel herunter zu laden, drängt diese Art des Musikhörens in den Hintergrund. Das ist nach meiner Auffassung sehr schade, denn dadurch geht die Gesamtheit des Werkes oft verloren.
Stichwort „Masters Of War“. Würdest du jemals leugnen, dass PINK FLOYD eine große Inspirationsquelle für euch war, bzw. ist? Selbst der Gesang liegt Gilmour so nahe wie niemand anders es schaffen würde; stimmlich sowie vom Ausdruck her…
Das ist eine der Bands, mit der ich aufgewachsen bin und die sich somit tief in mir verankert hat. In einem Schaffensprozess wie dem Songwriting ist es jedoch generell schwer zu sagen, welche Musik dich beeinflusst. Du bist fokussiert auf die Aussage des Songs und denkst nicht über Stilistiken nach. Bei „Masters of War“ spürten wir, dass es da etwas gibt, das dem Song eine neue emotionale Dimension verleiht. Aber auch wenn er anders produziert ist, so bleibt es ein Bob Dylan Cover. Man kann aber vielleicht an diesem Beispiel erahnen, dass eines der Vorbilder von Pink Floyd auch Bob Dylan heisst!
Was steckt hinter „This Is Not A Prog Song“? Ich meine, jeder der dieses Stück hört wird unschwer merken, dass der Titel durchaus passend gewählt ist. Platt gefragt: Was soll das, bzw. warum hat es gerade dieses Lied auf das Album geschafft?
Ich bin der festen Überzeugung, dass man ab und an auch die Fähigkeit haben sollte, über sich selbst zu lachen. Die Prog-Szene, wie auch andere Sparten, sind oft so derartig ernst, dass es einen schon gruselt. Wir haben uns gedacht, wir nehmen einfach mal die schlechtesten Kritiken und reihen sie aneinander und schon hatten wir den Text zu diesem Song. Inspiration war natürlich auch die Tatsache, dass mir in den letzten 8 Jahren in denen man uns glauben machen wollte, wir machen Progressive Rock, keiner erklären konnte, was das denn genau sein soll. Titel-Alternativen waren „We Will Prog You“, „Let There Be Prog“, „Prog Me Like A Hurricane“… ein paar weitere Titel-Favoriten kannst du auch im Booklet nachblättern!
Das Album beinhaltet wunderschöne Stimmungen (ein Beispiel: „Watch Myself“), die sowohl von der Musik als auch vom Gesang her absolut passend transportiert werden. Nicht jeder Band gelingt es, eine packende atmosphärische Dichte zu erschaffen. Was ist das „Geheimrezept“ von RPWL? Wem von euch müssen wir dafür die Krone aufsetzen?
Ich denke das muss man aus der Band Historie sehen! Als wir uns 1997 entschlossen wieder zusammen Musik zu machen, machten wir Konzerte einfach nur, indem wir über ein paar Themen improvisierten um dabei Klangwelten zu erschaffen, die ihren Ursprung in der emotionalen Tiefe des musikalischen Augenblicks hatten. Die Krone gebührt hier sicher keinem Einzelnen, denn diese Dichte kann nur die Band gemeinsam erzeugen. Ich denke dieser Style liegt uns einfach sehr.
Ich bitte um ein paar Worte zu „Stranger“. Die harte Gitarre in dem Track ist sehr passend. Dazu die Samples (was sind das eigentlich für Geräusche?) und dann das Einsetzen der restlichen Instrumente… das klingt alles ganz groß! Die Dynamiken in dem Stück kommen verdammt gut rüber. Ohnehin ist das Lied äußerst abwechslungsreich und beinhaltet einen Großteil eurer Stielvielfalt. Definitiv eines meiner persönlichen Highlights auf dem Albums.
Menschen töten sich tausendfach im Krieg! Wir haben im Song zwei Feinde gegenübergestellt, von Angesicht zu Angesicht, mit dem Finger am Abzug. Ungewöhnlicherweise fängt einer an, die Situation zu hinterfragen: Wer ist dieser Mensch? Hat er eine Familie? Hat er Kinder? Liebt er Musik? In dieser Situation durchbricht der Protagonist die Anonymität, kann nicht mehr schiessen und stirbt schliesslich! Ihm bleibt nur die Hoffnung auf einen Neubeginn – in einem nächsten, besseren Leben – . Wir alle waren der Meinung, dass die Musik entsprechend härter werden muss. Andererseits sollte aber auch der innere Widerspruch dargestellt werden. Der Song beginnt deshalb mit der Unschuld eines Kinderkarussells und wird von der Kriegsmaschinerie, die selbst vor Kindern keinen Halt macht, unterbrochen.
„Choose What You Want To Look At“ ist ein verspielt flottes Stück mit einem relativ überraschendem Ende. Worum geht es?
Das war lange Zeit der Arbeitstitel des Albums. Der Satz kommt eigentlich aus der Welt der Werbung und will uns glauben machen, dass wir als Konsumenten angeblich die Möglichkeit der Selbstbestimmung hätten. Dabei ist das Marketing im Kampf um ihre Zielgruppen längst in Bereiche unseres Lebens vorgedrungen, in denen wir es nicht einmal vermuten. Bewegung ohne Beworben-werden ist unmöglich. Ich habe sämtliche Werbeslogans, die ich finden konnte aufgeschrieben und sie zu einem Text verarbeitet. Dem letzten Werbeslogan verdanke ich sogar die zwei tollsten Geschenke, die ich in diesem Leben bekommen habe.
In der Labelinfo, die ich für das Review bekommen habe hieß es, dass eure Texte früher nicht gebührend wahrgenommen wurden. Ist es wirklich so? Wieso könnte das so sein und wie kommst du überhaupt zu der Annahme?
Ich hatte den Eindruck, ja. Es war zu einfach den textlichen Inhalt zu ignorieren. Sicherlich war es schön all die Emails von Hörern zu erhalten, wie ihnen unsere Songs in manchen Lebenslagen geholfen haben oder wie sie einfach nur diese Dinge sehen über die wir schreiben. Doch vielen Hörern blieb das Kopfkino verschlossen. Ich habe diesmal versucht wesentlich direkter zu sein, eine für diese Musikrichtung nicht sehr typisch Art und Weise. Dadurch kommt es offener zu Meinungsäusserungen über die Thematiken. Im übrigen freut es mich auch, dass man hier einige in ihrem Tiefschlaf überrascht! Inhalte wie bei „Silenced“ als „Schwarz-Weiss-Malerei“ zu bezeichnen, also den von uns mitverursachten Alltag in von uns künstlich geschaffenen Krisengebieten dieser Welt, ist schon menschenverachtend und grotesk.
Gibt es Tracks deiner Band, die du als Musiker nur akzeptierst, weil die anderen drauf stehen? Will sagen: geht ihr Kompromisse ein oder kommen nur Songs auf den jeweiligen Silberling, die von allen ein „OK“ bekommen?
Kompromisse gibt es sicherlich immer, aber kein OK geben hiesse ja, dass man sich nicht darauf einlassen könnte. Dann wäre der Song auch nicht als Band machbar, sondern eher etwas für die Solo Kisten.
Gibt es eigentlich Outtakes wenn ihr ins Studio geht (bzw. es wieder verlässt) oder kommen grundsätzlich alle Stücke, die geschrieben wurden auf das Album?
Ja, die gibt es immer. Unsere grösste Outtake-Sammlung war unser Album „Stock“. Wir hatten uns der nicht bewältigten Ideen der ersten zwei Alben angenommen, um den Kopf frei zu haben für den Neuanfang, der zu „World Through My Eyes“ führte.
Soweit ich eure Tourdaten einsehen konnte, werdet ihr mit kleinen Lücken bis September 2008 unterwegs sein. Was dürfen wir Live von RPWL erwarten und wie wird sich die Setlist zusammenstellen? Wird es Überraschungen geben?
Die Tour wird zweigeteilt sein: Im April werden einige „Nahziele“ gespielt, wie Deutschland, Polen, Belgien oder Niederlande. Im September kommt dann Spanien, Portugal und noch weitere dazu. Auch Festivals sind dabei, wie das Rosfest in Philadelphia oder das grosse baltische Festival in Litauen.
Noch ein paar Worte zur deutschen Prog-Szene. Gibt es diese überhaupt? Mir fallen spontan nicht viele brauchbare Bands aus Deutschland ein, die Progressive Rock spielen. Hast du ein paar Empfehlungen?
Also ich höre eigentlich keinen Progressive Rock.
Huch, na gut… Welche Band oder welcher Künstler (egal welcher Stil) hat dich zuletzt richtig beeindruckt und warum?
Die Band „The Residents“ hat es seit ihrem Bestehen immer wieder geschafft mich zu überraschen und zu inspirieren! Es sollte mehr Mut in der Musik oder Kunst geben. Entertainment ist ein sehr fragwürdiger Sinn für eine so wunderbaren Form des menschlich Möglichen.
Wie schwer ist es eigentlich für eine deutsche Prog-Band, auf dem internationalen Markt zu bestehen, bzw. überhaupt Aufsehen zu erregen? Wie sind diesbezüglich eure Erfahrungen?
Also meine Erfahrung ist es eher, dass die Schwierigkeit als deutsche Band eher auf dem deutschen Markt liegt. Hier ist es immer noch ein Markenzeichen nicht aus Deutschland zu kommen! Im übrigen ein Umstand, der von anderen Ländern oft schmunzelnd beobachtet wird.
Ist Musik für dich immer mit guter Laune verbunden? Die Lieder von RPWL schwanken zwischen einer speziellen Art der Gutmütigkeit und mitunter auch durchaus entspannt melancholischen Momenten.
Die Musik ist eine weitere Ebene der Kommunikation. Es hängt vom Inhalt der Aussage ab ob sie mit guter oder schlechter Laune verbunden ist. Klar versprüht ein Song wie „This is not a Prog Song“ Ironie und Heiterkeit oder ein Song wie „Breathe in, Breathe out“ melancholische Zufriedenheit, was wiederum bei „Silenced“ oder „Stranger“ völlig fehl am Platz wäre.
Musik als Adapter der Emotionen… So soll es sein.
Ich danke für das bereitwillige Beantworten meiner Fragen und wünsche weiterhin viel Glück!
Vielen Dank für das Interview!
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