The Ocean
The Ocean
Interview
Angesichts der hervorragenden Kritiken für “Precambrian“ war es klar, dass mit Kollektivführer Robin Staps mal wieder ein Interview her musste. Während der Record-Release-Show in Berlin bot sich die passende Gelegenheit, ein Foto zu schießen und sich auf den aktuellen Stand zu bringen.
Die langweiligste Frage zum Einstieg: Wenn ich nach den Ausschnitten gehen kann, die bisher zu hören waren, scheint “Precambrian” wieder der gewohnt konventionelle Bastard für Freunde des MESHUGGAH-NEUROSIS-MASTODON-Dreiecks geworden zu sein. Warum sollte ich mir nach dem Interview trotzdem das Album von Metal Blade zukommen lassen?
Der Begriff „konventionell“ in Verbindung mit den Namen MESHUGGAH und NEUROSIS, ist eine contradictio in adiecto (Widerspruch in der Beifügung), wie man das in der Philosophie nennt. Beide Bands sind auf ihrem Terrain absolut einzigartig und insofern will ich mir das gar nicht anmaßen, mir so ein Schild anzuhängen.
Es ist schwer, darüber zu sprechen, wenn du die Platte noch nicht gehört hast. Ich glaube, die Platte ist etwas sehr besonders – ein Konzept-Doppelalbum, bestehend aus zwei sehr unterschiedlichen Hälften. Ich habe von vielen Leuten gehört, dass diese Hälften im Prinzip klingen, wie von zwei verschiedenen Bands. Die erste Hälfte, “Hadean/Archaean“, setzt dort an, wo “Aeolian“ aufgehört hat. Das sind harte, brutale Stücke, mit einer Instrumentierung von Bass, Schlagzeug, Gitarre, Gesang – sehr reduziert. Die andere Hälfte, “Proterozoic“, geht in eine ganz andere Richtung. Das sind ausufernde, orchestrale, atmosphärische Kompositionen, mit vielen Streichern, klassischen Instrumenten. Ich denke, dass wir damit versucht haben, irgendwie einen Spagat zu begehen, der aber ganz gut gelungen ist.
Es gibt fast 90 Minuten Musik, also eigentlich so viel, wie auf zwei Alben einer normalen Band üblicherweise angeboten wird. Wir haben unser Aufnahme-Budget massiv überstrapaziert und aus eigener Tasche draufgezahlt, um das zu realisieren. Wir haben versucht, ein Album zu machen für Leute, die immer noch glauben an die Idee des Albums und nicht nur die verfügbaren Songs über Myspace hören. Ich hoffe, dass die Leute das auch wahrnehmen, die Platte kaufen und sich dafür interessieren.
Wie du schon angedeutet hast, habt ihr – Sex, Drogen, Rock’n’Roll – euer Budget massiv überzogen. Die Musiker der Berliner Philharmonie habt ihr euch dagegen durch Kontakte an Land gezogen. Was mich diesbezüglich noch interessieren würde: Wussten die eigentlich, was ihr für Musik spielt und in welchem Zusammenhang ihre Sachen später stehen werden?
Die haben nicht das volle Bild bekommen, sondern ich habe denen Noten ausgedruckt. Die haben ziemlich strikt nach Blatt gespielt und ein Metronom gehabt, auf das sie eingespielt haben und zum Teil auch Schlagzeug- und Gitarrenspuren, aber zum Beispiel überhaupt keinen Gesang. Also das wussten die natürlich nicht! Manche waren interessiert, denen habe ich dann ein bisschen vorgespielt, wie das im Kontext klingt und, äh, es hat auch sehr interessante Reaktionen provoziert – generell positive. Klassische Musiker werden auf Perfektion am Instrument trainiert. Im klassischen Instrumentalstudium ist so was wie Kreativität und Komposition praktisch überhaupt nicht gefragt. Von diesen Leuten zu verlangen, dass sie mal auf einen Part improvisieren, ist eine große Herausforderung und der sind auch die meisten nicht gewachsen. Deshalb habe ich auch den meisten strikte Noten vorgegeben. Ich glaube, die meisten haben das durchaus genossen, mal etwas in einem ganz anderen Kontext zu machen. Auch wenn das sicherlich nicht die Musik ist, die sie normalerweise zu Hause in ihren CD-Player schmeißen, war das dann doch am Ende für sie ein positives Erlebnis. Wir haben niemanden dafür bezahlt, insofern muss da ja auch eine gewisse Motivation dagewesen sein.
Warum bringt ihr bei THE OCEAN eigentlich immer diesen klassischen Hintergrund mit ein? Es wäre vom Sound her naheliegender, wenn ihr euch jemanden aus der Industrial- oder Noise-Ecke nehmen würdet, finde ich.
Das ist die Frage, ob das wirklich näher liegen würde. Wir sehen uns nicht als Metal-Band im klassischen Sinne, sondern eher als Prog-Band. Wir versuchen, verschiedenste Einflüsse zu verbinden und daraus etwas Neues entstehen zu lassen. Ich finde, bei düsterer, atmosphärischer Musik liegt es nahe, Instrumente wie Cello und Posaune zu verwenden. Wir machen auch keinen Lärm. Auf dem Album hörst du nicht viele disharmonische Lärm-Passagen. Von der Komposition her, ist das wirklich weitgehend sehr klassisch. “Aeolian“ war dagegen gewissermaßen ein Experiment, aber ansonsten war das von Anfang an Teil unseres Komposition- und Songschreibeprozesses.
Die Platte habt ihr wieder komplett im Oceanland eingespielt?
Fast. Wir haben Drums und ein paar Schlüsselgitarren in einem abgelegenen Bauernhaus im Norden Finnlands aufgenommen, in einem sehr gut klingenden Holzraum, mit sehr, sehr gutem Equipment. Wir sind da mit der Fähre hingefahren, haben uns völlig abgeschottet und zum Teil sechzehn Stunden am Tag aufgenommen. Bass, Gesang, Streicher und weitere Gitarren-Parts haben wir dann bei uns eingespielt.
Seid ihr dort eine konzentrierte, ernsthafte Band oder gibt es in eurer Kommune auch Frauen und Gelächter?
Aber hallo! Das könnte man sich so vorstellen, dass da jede Menge nackte Frauen liegen und Weintrauben essen oder uns in den Mund schieben, während wir gelegentlich mal unsere Gitarren bearbeiten. Aber meistens sind da nur zwei bis drei Leute: Das bin ich, der am Rechner sitzt und die Knöpfe drückt, dann der jeweilige Instrumentalist und noch ein Techniker vielleicht oder jemand, der gerade rumhängt und Bier trinkt. Mehr Leute sind da meistens nicht, wenn wir aufnehmen. Wenn wir proben, tun wir das natürlich zum Teil auch mit zwölf, dreizehn Leuten, aber ansonsten ist das relativ unglamourös und wirklich ein sehr konzentrierter Prozess.
Im ersten Interview mit Metal.de hast du damals gesagt: „Die Zeit wird sicher kommen, in der wir uns vier Wochen in Schweden einschließen werden.“
Tatsächlich, habe ich das bereits vorhergesehen?!
Was würdest du denn meinen, wie viel Potenzial ihr jetzt noch nach oben habt?
Das ist eine schwierige Frage. Ich bin im Moment an dem Punkt, wo ich sage: Ich will nie wieder ein anderes Album machen! Ich bin mit diesem Album sehr, sehr zufrieden – mehr als mit allem anderen, was ich bisher gemacht habe. Ich sage „ich“, weil ich die Songs weitgehend geschrieben und auch aufgenommen habe. Ich weiß im Moment gerade nicht, wie wir das noch toppen werden in der Zukunft. Das wird ein Weilchen dauern – mindestens zwei, drei Jahre. Für dieses Album sind die ersten Song-Ideen im Sommer 2005 entstanden, noch bevor “Aeolian“ überhaupt released wurde. Wir haben große Teile des Jahres 2006 mit Touren verbracht und dann erst in der zweiten Hälfte 2006 die Arbeit fortgesetzt. Bis zum Release war es ein Jahr, wo wir im Prinzip fast täglich daran gearbeitet haben – sei es durch Aufnahmen, Proben, weitere Touren, wo sich Ideen verfestigt haben und wir auch gewisse Dinge ausprobiert haben. Wir haben bis Ende Oktober mit dem Packaging gekämpft, mit täglichen E-Mails zwischen Presswerk, Grafiker und uns. Das war der letzte, aufwändige Schritt des Produktionsprozesses. Davor gab es endlose Probleme beim Mastering, beim Mixen und beim Aufnehmen sowieso. Das hat sich alles zum Guten gewendet und im Moment bin ich einfach extrem erleichtert, dass die ganze Sache raus ist. Und ich kann gerade keinen Gedanken ans nächste Album verschwenden.
Dann kommen wir doch noch mal aufs aktuelle Album zurück. Ihr habt euch mit der Erdentstehung beschäftigt. Diesmal keine persönlichen Probleme gehabt, keine Gesellschaftskritik mehr?
Wenn du die Texte liest, wirst du feststellen, dass sie sich allenfalls gelegentlich metaphorisch tatsächlich auf das Präkambrium beziehen, auf das erste Kapitel in der Entstehung der Erde. Insofern haben die Texte mit dem gesamten Konzept des Albums und dem Artwork nur bedingt zu tun. Das ist der Natur der Sache geschuldet. Man kann nicht ein ganzes Album und schon gar nicht ein Doppelalbum über eine Zeit machen, wo es noch kein menschliches Leben auf Erden gab. Man kann nicht fünfzehn Songs über Steine und brodelnde Lava schreiben. Das wird irgendwann langweilig. Wenn Musik emotional sein will – und das soll unsere Musik sein –, muss sie sich mit menschlichen Themen und Belangen auseinandersetzen.
Es war also nicht etwa Ziel, ein Album zu machen, das völlig losgelöst von menschlichen Gefühlen sein sollte?
Überhaupt nicht, das Gegenteil ist der Fall. (Wer übrigens noch mehr über die Entstehung des Albums sowie den Einfluss des Schriftstellers Lautréamont auf die Texte erfahren mag, der lenke seine Blicke gen www.theoceancollective.com.)
Ihr arbeitet einerseits im Studio ziemlich perfektionistisch, andererseits bietet ihr auf euren Gigs mit der Licht-Show eine wichtige visuelle Komponente. Besteht da immer ein Ausgleich oder eine Spannung, weil nur beide Sachen in Kombination das komplette THE-OCEAN-Erlebnis ermöglichen?
Ich sehe diese Trennung oder Spannung nicht. Das, was wir auf dem Album liefern, bringen wir auch live eins zu eins. Alle Instrumente, die auf der CD zu hören sind, sind auch live zu hören. Die Studiospuren kommen halt vom Sampler, weil wir aus logistischen und finanziellen Gründen nicht mit einem Orchester auf die Bühne gehen können. Ich glaube, dass auch genug Leute auf der Bühne stehen und ihre Instrumente bearbeiten, damit die Glaubwürdigkeit erhalten bleibt. Die visuelle Seite gibt es in beiderlei Hinsicht. Die gibt es auf dem Album in Bezug auf Artwork, Grafik und aufwendige Verpackung, die gibt es live in puncto Videos und Licht-Show, die man natürlich nicht hat, wenn man nur die CD hört. Insofern glaube ich eher, dass die Leute live noch einen gewissen Bonus kriegen, weil wir da keine Kompromisse machen.
Ihr bietet auch diesen MELVINS-Faktor, also oft spielt ihr mit zwei Schlagzeugern…
Wir sind ein Kollektiv – nicht in kreativer Hinsicht, aber in Bezug auf die Leute, die mitwirken und Dinge tun für uns. Da ändert sich ständig was. Wir haben auf der Tour zwei Gitarristen gehabt – die erste Hälfte hat einer gespielt, die zweite Hälfte ein anderer. Das wird immer so sein. Nicht jeder kann es sich halt leisten, vier, fünf Monate im Jahr auf Tour sein. Das ist auch cool, wenn sich die Leute damit abfinden, nicht einzigartig und unersetzbar zu sein, sondern in einer Position zu sein, wo das vielleicht zwei, drei andere auch machen können…
…wo du weiterhin den Diktator spielen kannst.
…wo die Leute Freunde sind und das auch akzeptieren. Der Diktator bin ich sowieso, damit müssen sich alle von vornherein abfinden. (schmunzelt) Heute spielen wir zum Beispiel ohne zusätzlichen Percussionisten, aber dafür zum ersten Mal mit vier Gitarristen, obwohl wir sonst nur mit zwei oder drei Gitarristen auftreten.
Bringt das was oder doppelt man sich nur?
Man doppelt sich. Aber das ist ja eine Technik, die man im Studio durchaus benutzt.
Und wenn ihr heute nur einen Schlagzeuger auf der Bühne habt, könnt ihr dann das Schlagzeug nicht so rüberbringen wie im Studio?
Bei manchen Songs ist es kritisch. Es gibt gewisse Parts, die für einen zusätzlichen Schlagzeuger oder Percussionisten ausgelegt sind, die man dann weglassen muss. Ich würde behaupten, das fällt den meisten Leuten nicht auf, ob hier und da eine Ride-Glocke fehlt, die gerade nicht gespielt werden kann. Da macht man natürlich gewisse Abstriche. Bezüglich der Gitarren ist es aber zum Beispiel eine durchaus übliche Technik bei fetten Metal-Produktionen, dass man mindestens vier Gitarrenspuren einspielt – halt mindestens zwei pro Gitarristen. Dadurch hat man diesen natürlichen Delay-Faktor. Die wenigsten Bands machen das live. Für uns ist das heute ein Experiment und man wird sehen, ob sich das wirklich bewährt. Das weiß man vorher nie so genau.
Habt ihr mit eurer relativ komplexen Musik eigentlich den Vorteil, dass ihr euch eher mal einen Fehler erlauben und improvisieren könnt oder wiegen Patzer schwerer, gerade weil es ein relativ konzentrierter Sound ist?
Letzteres. Es gibt überhaupt keine Improvisation! Alles ist vorgezeichnet bis ins allerletzte Detail. Wir spielen nach Sequenzer und Klick – und der Sequenzer steuert die Samples und die Licht-Show. Da können wir also nicht einfach mal länger spielen, weil sich gerade ein Teil geil anfühlt. Die Songs sind alle zu 100 Prozent vorher ausgelegt. Wenn man verkackt, dann verkackt man – und es wiegt meistens schwer. Ob es den Leuten tatsächlich auffällt, ist immer noch eine andere Frage. Wir haben es oft gemerkt, dass wir von der Bühne runter sind, die Hände über den Kopf zusammengeschlagen und gedacht haben: „Das ging ja gar nicht, was wir heute gerissen haben.“ Und dann kommen immer noch zwanzig Leute zu dir und sagen: „Great Show!“
Nico, einer eurer Sänger, hat auf dieser Tour auch noch bei WAR FROM A HARLOTS MOUTH ausgeholfen. Das Geschrei zerrt wahrscheinlich eh an den Stimmbändern, dann hat er sich auch noch die Texte raufgepackt und musste während der kompletten Tour die Doppelbelastung überstehen. Hat der sonst kein Leben?
Nicht wirklich, hähähä! Nein, die Situation war die: WAR FROM A HARLOTS MOUTH waren gebucht für die Tour, deren Sänger hat sie kurz vorher im Stich gelassen und sie hätten entweder die Tour absagen oder Nico fragen können, ob er einspringen will. Nico kennt die Jungs seit geraumer Zeit und hat sich ohne Proben im Bus die Texte und Songs draufgeschafft. Es hat geklappt für ein 20-Minuten-Set und seitdem hat er die Tour gemacht und wohl auch Lust, in Zukunft weiter bei denen mitzumachen. Nico hat von vornherein immer sehr starke Stimmbänder gehabt und die beiden Shows pro Abend, die er jetzt seit zwei Wochen spielt, haben ihn nie so belastet, dass die Stimme heiser wird. Insofern war das durchaus machbar. Und ansonsten hätten wir eine Tour ohne zweite Support-Band spielen müssen, deshalb war das für alle Beteiligten von Vorteil.
Wer organisiert und bewirbt eigentlich den Gig heute Abend?
Das haben Freunde von uns durchgeführt, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten – www.octacle.de. Einer von den Leuten war auch als Fahrer bei uns mit auf Tour. Das sind also im weiten Sinne auch alles Mitglieder des Kollektivs.
In den letzten Jahren scheint sich diese ganze internationale Progressive-Post-Math-Rock-Metal-Stoner-Core-Szene ziemlich entwickelt zu haben. Bands wie MANATEES und DEVIL SOLD HIS SOUL sind in diesem Jahr neu dabei, ISIS und CULT OF LUNA sind inzwischen sehr etabliert und viele andere Gruppen kamen in dem Umfeld noch mit hoch. Mit PORCUPINE TREE kam vor einigen Jahren frischer Wind in den Prog-Rock und selbst die alten Krautrock-Sachen wie HARMONIA tauchen wieder auf…
Geile Band.
…Ihr habt auch einige internationale Kontakte, beispielsweise zu BOSSK, die gerade ihre EP veröffentlicht haben. Täuscht das oder hat sich da in den letzten Jahren enorm was etabliert?
Ich sehe eine Veränderung in positivere Gefilde als vor zwei Jahren. All das, was du gerade genannt hast, kann man meiner Meinung nach subsumieren unter dem Begriff „progressive, harte Musik“. Das erfreut sich heute größerer Beliebtheit und das finde ich gut. Ich denke, das ganze Metalcore-Ding ist am Sterben. In den Staaten fängt das an, hier wird es noch ein halbes Jahr dauern, aber dann wird das auch den Bach runtergehen. Die Leute haben einfach keinen Bock, siebenmal am Abend die selbe Band zu sehen, sondern wollen durch Musik auf eine Reise mitgenommen werden.
Viel mehr Bands bekennen sich heute zum Begriff „Prog“ – wir selbst tun das. Vor zwei Jahren haben sich Bands bei dem Begriff noch sämtliche Rückenhaare gekrauselt. Ich höre momentan unglaublich viel 70er-Prog. Ich höre KING CRIMSON, GENTLE GIANT, ANDROMEDA, frühe GENESIS und erfreue mich an der Experimentierfreudigkeit und dem Wagemut, der jener Tage geherrscht hat. Es gibt immer aber noch viele Bands, die sich davon peinlich berührt fühlen. OPETH zum Beispiel sagen: „Wir machen keinen Prog.“ Das finde ich meinerseits peinlich; die sollten dazu stehen, sich dazu bekennen. (Auf Myspace bekennen sich OPETH allerdings zum Begriff „Progressive“ und 2005 wies Herr Åkerfeldt im Gespräch mit Metal.de explizit darauf hin, dass er musikalisch stark von den Siebzigern beeinflusst sei.)
Du hast im letzten Interview beklagt, dass es in Deutschland kaum eine Szene für harte, innovative Musik gebe. Jetzt haben unter anderen LONG DISTANCE CALLING gerade eine Platte veröffentlicht, auch in Berlin gibt es beispielsweise WAR FROM A HARLOTS MOUTH, VOLTRON und BOLZ’N. Ist da auch innerhalb der Stadt eine kleine Szene entstanden oder gibt es zumindest Kontakte zwischen den Leuten, die ein bisschen experimentierfreudiger sind?
Wir kennen die Bands alle. Trotzdem ist die Szene hier hochgradig separiert. Es ist schwierig – ich bin überrascht, dass heute doch sehr viele Leute gekommen sind! Hatte ich so nicht unbedingt erwartet. Das zeugt aber auch davon, dass sich durchaus was tut. Trotzdem ist Berlin eine schwierige Stadt, obwohl es eine sehr große Szene gibt. Wenn du zu ISIS gehst, kommen mindestens 600 Leute oder so. Es gibt also tendenziell Leute, die eine Disposition haben, solche Musik zu mögen und zu hören. Trotzdem ist es weitgehend eine Szene von Zuhörern und weniger eine Szene von Machern. Wenn ich mir andere europäische Städte angucke, wie zum Beispiel Genf: Da gibt es bestimmt fünfzehn Postrock-Bands, die erstklassig sind und zum Teil natürlich Mitglieder untereinander teilen – Berlin ist eine wesentlich größere Stadt, aber hier gibt es vielleicht zwei, maximal drei. Das finde ich ein bisschen schade. Das liegt aber auch daran, dass die Leute hier ein bisschen überdrüssig und verwöhnt sind. Jede Tour kommt durch Berlin, jeden Abend ist irgendwas. Das bringt natürlich eine gewisse Verwöhntheit mit sich, die sich nicht unbedingt positiv auf die lokale Szene auswirkt. (Andererseits gibt es in Berlin und Umgebung inzwischen zumindest unzählige mehr oder weniger traditionelle Metal- und Hardcore-Underground-Bands.)
Wobei das ja noch nicht erklärt, warum beispielsweise BOLZ’N auf England-Tour waren, diese vermutlich do-it-yourself-mäßig organisiert haben, aber innerhalb der lokalen Szene kaum Kontakte zu haben scheinen. (Inzwischen hat die Band ihre letzten Aufnahmen ins Netz gestellt und sich still aufgelöst.)
Das kann ich dir nicht erklären. Ich kenne BOLZ’N nur über deren Sängerin Alex – die ganz, ganz, ganz früher auch mal bei uns, beim Ozean, gesungen hat – und hab die längere Zeit nicht live gesehen. Die Stadt ist riesengroß, die Szene ist riesengroß, aber auch unterteilt in ganz kleine Kompartimente und das verläuft sich, man redet nicht viel miteinander und wenn halt jede Woche ISIS, QUEENS OF THE STONE AGE und MONO spielen, dann geht man nicht auch noch zu einer lokalen Show. Diesen Vorteil haben einfach kleinere Städte. In Umeå, in Schweden, gab es auch mal 25 Straight-Edge-Hardcore-Bands. Das ist in solchen Provinzstädten oft besser als in einer Hauptstadt.
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