Diablo Swing Orchestra
Diablo Swing Orchestra
Interview
Beim ersten Anlauf gleich so ein Niveau und vor allem so ein Stil – das schreit förmlich nach einem Gespräch. Der Sänger Daniel Håkansson beantwortete mir, wenn auch kurz angebunden, so doch bereitwillig alle Fragen. Wie sagt man so schön? In der Kürze – ihr wisst schon. Dann mal rein in die Kartoffeln!
Einen schönen Gruß aus Deutschland!
Ihr seid den meisten unserer Leser sicher unbekannt. Erzähle uns doch bitte grob eure Biographie.
Kurz gefasst lautet sie etwa so: Während des 16. Jahrhunderts gab es ein Orchester, das einiges Chaos in Schweden verursachte, weil es Musik spielte, die den Machthabern der damaligen Zeit nicht recht war. Sie wurden angeklagt, Satanisten zu sein und als „das Orchester des Teufels“ gebrandmarkt. Die Mitglieder wurden später auch fälschlicherweise eines Mordes bezichtigt und deshalb zum Tod durch den Strick verurteilt. Zuvor aber gelang es ihnen noch, einen Vertrag zu unterzeichnen, der an ihre Nachfahren weitergegeben wurde. Diese bekamen die Aufgabe, das Orchester 500 Jahre später wieder zu vereinigen. Die Zeit verging und tatsächlich fanden wir alle die Briefe und einander. Wir wollten unsere Vorfahren nicht hängen lassen. Daher haben wir das Orchester folgerichtig wieder gegründet und begannen, Stücke zu komponieren und arrangieren. Nach einer Menge Anstrengungen ist es uns gelungen, unser Debut ein paar Jahre später zu veröffentlichen.
In der Presseinfo habe ich gelesen, dass ihr „The Butcher’s Ballroom“ ursprünglich auf eurer eigenen Plattenfirma veröffentlicht habt. Wie kam es, dass es auf Candlelight wiederveröffentlicht worden ist?
Weil unsere eigene Plattenfirma keinen echten Vetrieb hatte und das Album durch Candlelight die Chance bekommen hat, die es verdient, nämlich sehr viel mehr Leute zu erreichen. Wir hatten bereits einige Anhänger auf Myspace und einer anderen Internetseite, aber es war nötig, dass wir in einem größeren Maßstab rüberkamen. Wir waren der Meinung, dass das Album eine größere Veröffentlichung verdient hat.
Ich frage mich, wie diese extravagante Stilmischung erreicht werden konnte, denn obwohl ihr ja hauptsächlich die klassische Rock-Besetzung verwendet, ist eure Herangehensweise an die Nicht-Metal-Stile nicht gerade dilettantisch. Haben ein paar von euch Jazz oder sowas studiert oder habt ihr mit professionellen Musikern zusammengearbeitet? Woher bekamt ihr überhaupt die Idee zu eurem musikalischen Konzept?
Die Idee zu unserer Musik kommt zu einem großen Teil aus meinem eigenen musikalischen Hintergrund. Meine Mutter war eine ehrgeizige Opernsängerin, als sie jung war, und ich wurde mit Opern und Chorstücken erzogen. Als ich später angefangen habe, Gitarre zu spielen, bin ich zur Rockmusik und später zur Folkmusik gekommen. Nur Johannes, der das Cello spielt, und Annlouice, die singt, sind klassisch ausgebildet worden. Die anderen in der Band sind Autodidakten. Aber durch ihre Verbindungen ist es uns gelungen, mit einer Menge fähiger Musiker zusammen zu arbeiten und das Album zu bewerkstelligen.
Dermaßen virtuose Sängerinnen sind nichts Neues im Metal, wohingegen das bei Sängern nicht der Fall ist. Hast du Singen gelernt?
Ich für meinen Teil hatte überhaupt keine Gesangsstunden und eigentlich war es gar nicht geplant, dass ich auf dem Album singe. Es kam einfach so zustande, da manche Passagen nicht zu Annlouices Stimme passten. Wir hatten außerdem ein paar Diskussionen, ob wir männlichen Operngesang verwenden sollten, daher könnte das auf einer zukünftigen Veröffentlichung der Fall sein.
So, nun sind wir ja zum Gesang gekommen. Der ist doch sicherlich von NIGHTWISH inspiriert, zumindest der weibliche Gesang, oder? Ich muss daran wirklich oft denken, wenn ich „The Butcher’s Ballroom“ höre.
Um ehrlich zu sein, hatte die Entscheidung, weiblichen Operngesang einzubinden, überhaupt nichts mit NIGHTWISH oder sonst einer Gruppe aus diesem Genre zu tun. Wie ich vorhin gesagt habe, hat meine Mutter Operngesang studiert, als sie jünger war, daher bin ich mit diesem Gesangsstil vertraut. Als wir etwa 2002 oder 2003 begonnen haben, hatte ich keinen Schimmer davon, dass andere Bands eine Opernsängerin in der Metal- oder Rockmusik verwenden. Wir dachten, wir hätten was Neues – da lagen wir wohl falsch.
Zumindest ich kenne keine andere Gruppe, die dermaßen viele verschiedene Stilrichtungen in ihre Musik einbauen. Gibt es da überhaupt Bands oder Combos, die euch inspirieren? Was für Musik hört ihr privat so?
Wir werden von überall her beeinflusst und wenn wir ein paar Namen nennen sollten, dann wären das:
LESCLAYPOOL, SYSTEM OF A DOWN, FAITH NO MORE, TOMAHAWK, die frühen SEPULTURA, etwa „Chaos A.D.“, SLIPKNOT, MUSE, LED ZEPPELIN, MILES DAVIS, DAVE PIKE, THIEVERY CORPORATION, BOZOO BAJOU, RAGE AGAINST THE MACHINE, TORI AMOS, ELEVEN, JEFF BUCKLEY, BACH, BIG FISH, QUEEN ADREENA, LES TRIPLETS DE BELVILLE, OURS, 16 HORSEPOWER, WOVEN HAND, WAGNER, DJANGO REINHARDT, INFECTED MUSHROOM, SHPONGLE, THE KAIZER’S ORCHESTRA und PUCCINI.
Euer Name, DIABLO SWING ORCHESTRA, und Titel wie „Balrog Boogie“ oder „Pink Noise Waltz“ scheinen zu unterstellen, dass ihr eine satirische Gruppe seid oder euch über die satanistischen Death- und Black-Metal-Bands lustig machen wollt. War das eure Absicht?
Naja, wir verhöhnen nicht absichtlich irgendwelche Gruppen oder Genres, aber du hast Recht, wenn du sagst, dass wir humorvoll an die Musik herangehen. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir sie nicht ernst nehmen würden, es ist eher so, dass wir uns selbst nicht allzu ernst nehmen. Ich denke, es gibt eine Menge Bands, die sich selbst ernster als ihre Musik nehmen, also dachten wir uns, dass wir es anders herum machen.
Euer Stil ist, worauf ich schon früher hingewiesen habe, ziemlich einzigartig. Ist das unausweichlich nötig, um heutzutage auf dem überfüllten Musikmarkt eine Chance zu bekommen, oder, drastischer ausgedrückt, in musikalischer Hinsicht überhaupt relevant zu sein?
Ich bin erfreut zu hören, dass du es so einzigartig findest, was in der heutigen Musik natürlich sehr schwierig zu erreichen sein kann, in der die meisten Dinge einfach schon getan worden sind. Aber letzten Endes ist es alles darauf zurückzuführen, dass wir die Musik spielen, die wir selbst hören wollen und mögen. Wenn andere Leute das anders sehen oder es seltsam finden, ist das in Ordnung, solange sie der Musik eine Chance geben und sie mal hören. Aber ich denke, dass es Bands gibt, die um einiges komplexer und bizarrer als wir klingen.
Auf dem Infozettel wird „The Butcher’s Ballroom“ als Avantgarde Metal bezeichnet. Auf der anderen Seite könnte man Avantgarde leicht mit elitärer oder schwerverdaulicher Musik verbinden, aber ich denke, eure Musik ist weder das eine noch das andere. Wie würdest du selbst eure Musik beschreiben und was bedeutet Avantgarde nach deiner eigenen Definition?
Ja, genau. Ich schätze, wir gehören in dieser Kategorie, weil wir nicht so richtig irgendwo anders hin passen. Aber ich stimme dir zu, dass wir im Vergleich zu anderen Avantgarde-Bands wirklich leicht zu hören sind. Wir mögen den Ausdruck „Riot Opera“ ganz gern. Und obwohl der als solcher kein Genre ist, denken wir, dass er die Atmosphäre unserer Musik insgesamt wirklich ganz gut einfängt.
Avantgardistische Musik ist für mich eher etwas, dem zuzuhören anspruchsvoll ist, nicht etwa gewollt zugänglich, aber ich denke, dass das letztendlich nur von den eigenen Vorlieben abhängt. Sicherlich halten viele Leute das, was wir tun, für unhörbar.
Bitte sage mir deine Meinung zu dem folgenden Satz: „Kategorien stammen von historischen Entwicklungen und sind daher nutzlos. Was wir brauchen, ist ein neuer Standpunkt, der alles in der Musik in Betracht zieht.“
Eine gute Feststellung, muss ich sagen. Genres und Kategorien sind ziemlich nutzlos, wenn es in die kreative Phase geht, weil sie nur einschränken. Wir sind der Meinung, dass wir alles in die Mischung einbringen können, was wir wollen und solange es sich gut anhört, verwenden wir es. Es kann wirklich alles sein – das kümmert uns nicht. Auf der anderen Seite verstehen wir die Werte eines Genres, wenn es an die Vermarktung der Musik geht und sie eben irgendwie bezeichnet werden muss.
Plant ihr bereits ein zweites Album? Werdet ihr tatsächlich eure exotische Stilmischung beibehalten oder wird es mehr Experimente mit anderen Genres geben?
Ja, wir werden mehr Dinge in die Mischung mit reinbringen. In den Stücken, die wir bis jetzt geschrieben haben, haben wir Russische Volksmusik, Tango und Gospel verwendet, zusätzlich zu den Sachen, die bereits auf diesem Album benutzt wurden. Wir hoffen, im Oktober noch ein paar Probeaufnahmen zu machen und dann die eigentlichen Aufnahmesitzungen im Frühling und Sommer 2008 zu beginnen.
So, das war’s dann auch von meiner Seite aus, denke ich. Hast du ein paar letzte Worte zu erwähnen?
Nun. Dank dir für ein nettes Interview und da wir so eine gesprächige Gruppe sind, würden wir gerne jeden in unser Forum unter www.diabloswing.com/forum einladen, wo noch mehr Aspekte diskutiert werden können und man der Band direkt Fragen stellen kann.
Vielen Dank für das Gespräch auch meinerseits.
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