Atheist
Interview mit Kelly Shaefer
Interview
Mit ATHEIST hat sich dieser Tage noch einmal eine Band zusammengefunden, die vor 15 Jahren die Speerspitze des technischen Death Metal bildete. Mit ihren drei lange Zeit vergriffenen Alben „Piece Of Time“, „Unquestionable Presence“ und „Elements“ haben die Floridianer zweifellos Geschichte geschrieben. Relapse haben diese drei Perlen nun mit reichlich Bonus-Material versehen wiederveröffentlicht, um ein Stück Geschichte Revue passieren zu lassen und damit abzuschließen. Denn ein neues ATHEIST-Album wird es genauso wenig geben, wie die Band Bestand haben wird. Vielmehr nahm die Band die Festivals diesen Sommer zum Anlass, sich ein letztes Mal den Fans zu präsentieren. Auf dem Wacken Open Air packte ich die Gelegenheit beim Schopfe und unterhielt mich mit Frontmann und Gründungsmitglied Kelly Shaefer, der die bewegte Geschichte ATHEISTs noch einmal aufrollte.
Vielleicht liegt es daran, dass ATHEIST als Band keine Zukunft hat und sich die Band nach diesem Sommer wieder – diesmal wohl für immer – auflösen wird. Jedenfalls wirkte Kelly sehr nostalgisch, als er von früher erzählte, was sicher auch mit dem tragischen Unfalltod von Bassist Roger Patterson zu tun hat, der vor genau 15 Jahren ums Leben kam. Wie auch Cliff Burton, dessen Todestag sich in ein paar Tagen zum zwanzigsten Mal jährt, riss auch sein Tod eine große Lücke in die Band, die bis dahin aus Kindheitsfreunden bestanden hatte. Bei aller Nostalgie sollte im Gespräch aber auch die Zukunft ein Thema sein. Doch lest selbst…
Schön, dich mal zu treffen, Kelly. Um ATHEIST-Fan der ersten Stunde zu sein, bin ich leider etwas zu spät geboren. Deshalb freut es mich umso mehr, euch doch noch einmal live sehen zu können!
Schön zu hören! Darum geht es uns auch im wesentlichen: wieder mit Leuten in Kontakt zu treten, die heutzutage noch technischen Metal mögen. Damals war das ziemlich schwer für uns. Niemand hat wirklich verstanden, was wir gemacht haben, oder hat sich darum geschert. Es scheint, als seien jüngere Fans – so wie du – technischem Metal gegenüber offener. Und das ist großartig für uns!
Denkst du wirklich, dass dem heute so ist? Da gibt es doch so viele Hüpfcore-Bands wie SOULFLY oder EKTOMORF, eben dieses ganze „Jumpdafuckup“-Gedöns, bei dem ein Song wie der andere klingt.
Ja, aber das ist eine ganz andere Szene. Es gibt auch den offenherzigen Metalfan, der auf DILLINGER ESCAPE PLAN steht. Auch IN FLAMES sind wirklich gute Musiker. Mir fällt auf, dass diese Bands ihr Handwerk verstehen und das in die Musik einfließen lassen. Für technischen Metal gibt es zwar kein riesiges Publikum, aber es ist auf jeden Fall größer als damals, als wir unsere Platten gemacht haben. Und das ist gut, in jeglicher Hinsicht. Deshalb sind wir auch wieder da, um in diesem einen Sommer so viele Shows wie möglich zu spielen.
Eigentlich hätte ja Mitte der Neunziger Eure Zeit sein müssen, als DEATH ihre technischeren Alben herausgebracht haben.
Hätte sie wohl müssen. Aber DEATH wurden erst mit Sean [Reinert, Drums – Anm. d. Verf.] und Paul [Masvidal, Gitarre – Anm. d. Verf.] von CYNIC technisch. Wir hatten damals einigen Ärger mit Chuck. Er hat ein paar ziemlich gemeine Dinge über die Band gesagt, weil er nicht verstanden hat, warum wir Jazz-Elemente in unsere Musik einfließen ließen. Er hat den Leuten erzählt, wir klängen wie ein Bahnhof. Als er selbst dann zu seiner „Human“-Platte kam, realisierte er, dass er dabei war, technischen Metal zu spielen und das einiges mehr an musikalischen Fähigkeiten erforderte. Er hatte aber einige sehr gute Musiker dabei, wie Steve DiGiorgio, Sean und Paul. Dann hat auch er kapiert, dass es cool ist, diese unterschiedlichen Einflüsse im Metal zu verarbeiten. Die DEATH-Fans zu dieser Zeit waren Old School DEATH-Fans. Sie waren ebenso engstirnig, wie Chuck es gewesen war. Bevor Chuck starb, haben wir uns zusammengesetzt, ein bisschen Dope geraucht und unsere Differenzen ausgebügelt. Ich habe eine Menge Respekt vor Chuck und seiner Rolle als Übervater des Death Metal. Er ist jemand, der von Anfang an dabei war, und der es verdient, so einen Titel zu tragen. Viele Leute denken allerdings, dass DEATH als erste den technischen Death Metal geprägt haben und wir nachkamen. In Wahrheit ist es aber genau anders herum gewesen. Wir standen mit unserem technischen Metal allein da und es gab niemanden, mit dem wir hätten spielen können. Wir spielten mit CANDLEMASS und CANNIBAL CORPSE, zwei völlig entgegengesetzten Extremen, und trotzdem mochten uns die Leute nicht. Das hat uns ziemlich frustriert, was schlussendlich zum Niedergang der Band beigetragen hat.
Ihr habt euch also ziemlich missverstanden gefühlt?
Ja, sehr sogar. Es gab eine kleine Gruppe von Leuten, die es verstanden haben, die kapiert haben, was wir wollten. So z.B. Monty Conner von Roadrunner. Er kam ins Studio, als wir „Unquestionable Presence“ aufnahmen und wollte, dass wir damit zu Roadrunner kommen. Aber zu dem Zeitpunkt hatten wir schon bei Metal Blade unterschrieben. Er hat zu diesem Zeitpunkt aber schon verstanden, wo es lang gehen wird und was wir zu tun versuchten. Sonst waren da vielleicht ein Dutzend Journalisten, die uns verstanden. Der durchschnittliche Metalfan war jedoch einfach verwirrt von uns.
Denkst du, dass die Zeit noch nicht reif war für diese Art Musik? Der Metal an sich war ja noch ziemlich jung und hatte gerade einmal eine Dekade auf dem Buckel.
Die Musik war sehr visionär, wobei ich jetzt nicht groß tönen will, von wegen „ohooo, sie war ihrer Zeit voraus…“, aber sie war definitiv einen Schritt weiter, als der Metal insgesamt. Jetzt, 15 Jahre später, besteht die perfekte Metal-Landschaft. Deshalb ist es auch für uns eine gute Zeit, um noch einmal zurückzukommen, für so viele Leute wie möglich zu spielen, diese Alben als Klassiker zu feiern und unseren Platz in der Geschichte des Metal zu zementieren.
Geht es euch nur um die Anerkennung, die euch damals verwehrt blieb?
Es geht zumindest nicht um Geld. Wir sind z.B. ohne Crew unterwegs…
… und ihr macht kein neues Album!
Nein. Wir wollen unser Erbe nicht selbst beflecken. Es geht darum, für ein dankbares Publikum zu spielen, um den Leuten Dank zu sagen, die uns über die Jahre die Treue gehalten haben und noch ein paar andere Gründe. Hauptsächlich eben um den Spaß, unsere Musik endlich Leuten präsentieren zu können, die sie zu schätzen wissen. Wir mussten eine schwere Zeit durchstehen, als wir auf unserer ersten Tour unseren Freund Roger Patterson verloren. Er war mein bester Freund, wir sind zusammen aufgewachsen und er ist in meinen Armen gestorben. Er war ein fantastischer, wegweisender Bassist… Das hier ist so etwas wie eine Gelegenheit, unseren Platz in der Geschichte in Beton zu gießen, sodass die Leute sich immer an ATHEIST erinnern, wenn sie von technischem Death Metal reden.
Wären ein paar intime Clubshows nicht angebrachter gewesen, als diese großen Festivals, wo die Hälfte der Besoffenen noch nie von euch gehört hat?
Für den Zuhörer vom Sound her wahrscheinlich schon. Für uns ist es allerdings sehr schwer, uns zusammenzufinden, da wir alle 500 Meilen von einander wohnen und wir uns mit neuen Bands in unterschiedliche musikalische Richtungen entwickeln. Ich habe drei andere Bands, mit denen ich in den USA toure. Allein die Proben auf die Beine zu stellen, um den Speed für ATHEIST wieder draufzukriegen, war schon schwierig. Ich habe in den letzten Jahren viel richtig gesungen und schon ewig nicht mehr so viel geschrieen. Damals haben wir alle in derselben Stadt gewohnt und konnten einfach auf Tour gehen. Heute haben wir alle Familie. Ich bin eben erst Vater geworden, Steve hat zwei kleine Kinder. Es ist einfach schwieriger, mal eben für 40 bis 60 Tage auf Tour zu gehen, und dabei nicht aufs Geld zu schauen, das wir für unsere Wohnungen und Familien brauchen. Mit Touren verdienst du kein Geld, und wir sind keine 19 oder 20 mehr, wo du noch keine Rechnungen bezahlen musst. Das können wir uns heute nicht mehr leisten. Deshalb haben wir uns gefragt, wie wir für so viele Leute wie möglich in möglichst kurzer Zeit spielen können. Und das sind eben Festivals.
Wenn ich an eine Tour denke, wären als Support vielleicht DILLINGER in Frage gekommen…
Man hat uns die IN FLAMES / SEPULTURA-Tour angeboten. Dort hätten wir sicher einige aufgeschlossene Fans angetroffen. Wir haben uns geehrt gefühlt, dass man uns diese Tour angeboten hat. Aber sie hätte zwei Monate in Anspruch genommen, und hätte dabei gerade einmal genug Geld für die Tour selbst abgeworfen, nicht aber für unsere Familien.
Und da die Band ja eh keine Zukunft hat, ist es das auch nicht mehr wert.
Richtig. Es wird kein neues Album geben. Ich weigere mich, dieses wunderschöne Stück Zeitgeschichte zu beschädigen. Sollten wir uns entscheiden, noch einmal ein neues Album herauszubringen – wie das viele andere Bands machen –, es gäbe keinen Weg für uns, das zu erfüllen, was man von uns erwartet. Wir werden nie wieder so sein wie damals. Diese Zeit hatte eine Menge mit Roger Patterson, mir selbst und Steve Flynn zu tun, und wie wir damals Songs geschrieben haben. Das hat sich bis heute einfach verändert. Das einzige Album, das diesbezüglich aus dem Rahmen fällt, ist „Elements“. Diese Scheibe haben wir komplett in 40 Tagen gemacht. Es war eine magische Zeit! Die Platte verdient ihren Platz neben den anderen beiden auf jeden Fall. Der Versuch, diese Magie mit einem vierten Album wieder herbeizuführen, würde kläglich scheitern. Es wäre erzwungen, es wäre nicht wirklich.
40 Tage für ein komplettes Album ist eine sehr kurze Zeit!
Besonders für ein so komplexes Album wie dieses! Der Drummer, der das Album eingespielt hat, hatte zwei Wochen Zeit, um alles zu lernen. Den Song „Mineral“ haben wir einen Tag, bevor wir ins Studio gegangen sind, geschrieben. Bei dieser Platte hatten wir auch keine Zeit, um uns die Songs vorher anzuhören. Fürs erste Album hatten wir dagegen ein ganzes Leben Zeit, für das zweite zwei Jahre. „Elements“ musste von heute auf morgen stehen und sich danach dem Test der Zeit stellen. So etwas werden wir nie wieder hinbekommen.
Was für ein Gefühl hattet ihr dann, als das Album herauskam? War es genau das, was ihr wolltet, oder wart ihr einfach froh, den Vertrag vollends erfüllt zu haben?
Nein, mit dem Vertrag hatte das definitiv nichts zu tun. Wir wollten dieses Album machen, und wir wollten es so gut machen, wie wir konnten. Wir sind stolz darauf. Und wir waren geradezu schockiert, dass es wirklich so gut geworden ist. Wir standen etwas neben uns. Wir betrachteten die Scheibe und fragten uns nur „Wo kam DAS denn her?“ Gerade auch was die Lyrics anbelangt: ich habe die Texte innerhalb von zehn Tagen geschrieben und heute frage ich mich, wo mir damals eigentlich der Kopf stand, dass ich so etwas fertig gebracht habe. Zugegeben, wir haben eine Menge gekifft. Wir haben zusammen in einem Apartment gewohnt, und alles, was wir 24 Stunden am Tag gemacht haben, war kiffen, spielen, kiffen, spielen, und diese Riffs hervorzubringen. Es ist eine schöne, organische Platte geworden, die textlich auch sehr bodenständig ist. Sie handelt von den Elementen, wobei es sich jedoch nicht unbedingt um ein Konzeptalbum handelt. Die Texte sind alle in diesen gewissen Erden-Komplex eingebunden, was damals für eine Metal-Band ein ziemlich neues lyrisches Konzept war. Ich bin sehr stolz auf die Texte. Es sind die besten, die ich je geschrieben habe. Und sie kamen so schnell und ungezwungen aus mir heraus! Wir lebten also diesen einen Monat zusammen in dieser Wohnung, und mussten die Platte auch innerhalb dieses Monats aufnehmen. Schreiben, aufnehmen und abmischen in 40 Tagen. Ich glaube nicht, dass wir so etwas jemals wieder hinbekommen würden. Trotzdem ist mein Lieblingsalbum „Unquestionable Presence“, denn es verkörpert die Quintessenz dessen, was ATHEIST waren. Roger Patterson half, alle Songs zu schreiben, bevor er starb. Die Songs waren alle fertig, als der Unfall passierte. Wir wollten diese Platte unter allen Umständen noch herausbringen. Das war’s dann aber, danach sind wir auseinander gegangen. Trotzdem mussten wir noch ein weiteres Album machen. Ich dachte mir: wenn ich großartige Musiker finde, mach ich es. Also rief ich Tony Choy an und trat mit Frank Emmi und dem Rest der Jungs in Kontakt. Ich konnte qualitativ wirklich hochwertige Musiker zusammentrommeln. Der Drummer kam aus dem Jazz-Bereich und hatte mit River Phoenix vor dessen Tod zusammengespielt. Als ich ihn einmal spielen sah, war ich total begeistert. Ich feuerte also den Kerl, den ich eigentlich vorgesehen hatte, und der vielleicht anderthalb Wochen dabei gewesen war, und holte ihn zwei Wochen vor Beginn der Aufnahmen in die Band. Dann haben wir noch den Rest der Songs rausgehauen und – wie gesagt – „Mineral“ buchstäblich einen Tag vor Rolling Tape geschrieben. Das war total durchgeknallt. Der Song beinhaltet einen Haufen Gitarrenparts, die sich ineinander hinein und auseinander heraus bewegen, und das über dieser Rhythmussektion. Tony Choy [Bass – Anm. d. Red.] hat einen unglaublichen Job gemacht! Er hat das nahezu alles allein gemacht, während ich mich um die Gitarrenparts und die Vocals gekümmert habe. Die Sachen, die er geschrieben hat, sind meiner Meinung nach bahnbrechend.
Als ihr euch bewusst wurdet, dass ihr es geschafft habt, dieses Album in nur 40 Tagen zu erschaffen, war es da kein Ansporn, die Band weiter am Leben zu erhalten?
Wir sind nicht miteinander ausgekommen. Rand Burkey [Gitarre – Anm. d. Red.] und ich hatten einen Haufen persönlicher Probleme miteinander. Die Art, wie er sein Leben lebt und wie ich mein Leben lebe, hat es uns nicht erlaubt, auf anständige Weise miteinander zu touren. Wir sind ständig aneinander hoch gegangen. Aber so wurde diese Musik geschrieben: Wir haben unglaublich über verschiedene Parts gestritten. Auf der persönlichen Ebene waren wir nach der ’93er Tour mit BENEDICTION einfach durch miteinander. Ich vermisste Roger und Steve. Ich bin mit diesen Jungs aufgewachsen und wir haben diese Band zusammen gegründet. Abgesehen von Tony Choy wusste das keiner der Jungs um mich herum zu schätzen. Und die Szene wusste es genauso wenig zu schätzen. Also fuck it, das war’s. Ich habe dann NEUROTICA gegründet, drei großartige Platten mit ihnen herausgebracht, die USA betourt und Erfolg gehabt. Wenn auch auf einem anderen Level. Es ist wie ein Bild mit anderen Farben.
Bist du noch bei NEUROTICA?
Ja. Wir haben die Band 2002 zwar auf Eis gelegt, im Jahr darauf aber trotzdem einen Platte zusammengestellt. Wir hatten noch keine Veröffentlichung in Europa, wollten deshalb die besten Songs aller Alben auf einer CD herausbringen und danach auf Tour kommen.
Ich habe bislang noch nichts von NEUROTICA gehört. Wie klingt die Band?
Meine Vocals weisen viele Harmonien auf. Harmonien, die man so nicht unbedingt von einem Death Metaller und besonders nicht von dem ATHEIST-Typen erwarten würde. Die Musik ist sehr Hard Rock beeinflusst, mit vielen großen Riffs. BLACK SABBATH und KYUSS sind große Einflüsse, Stoner Rock spielt generell eine große Rolle. Es sind tolle Songs mit großen Hooks, die in den USA oft im Radio gespielt werden. Wir haben einige kleine Hits gehabt. Ich bin wirklich stolz darauf. Brian Johnson von AC/DC hat einige der Songs produziert. Es war eine Ehre, mit einer Legende wie ihm zu arbeiten. Er mag die Band sehr. Ich glaube, dass Europa reif ist für NEUROTICA. Ende des Jahres werde ich wohl ein Label hier suchen, um nächstes Jahr etwas veröffentlichen zu können.
Wäre Relapse eine Option? Immerhin haben sie die ATHEIST-Alben mehr als würdig neu aufgelegt.
Ich denke, Relapse sind zu heavy für uns und bedienen einen anderen Markt. Ich würde sicherlich nicht nein sagen, denn die Leute, die bei diesem Label arbeiten, machen ihre Sache wirklich sehr gut. Ich denke aber, dass sie einen ähnlichen Weg wie Roadrunner einschlagen sollten, und ein paar Bands signen, die jenseits des Death Metal Tellerrands liegen. Mit uns könnten sie einen Hit landen. NEUROTICA könnte eine Band sein, die Relapse voranbringt. Das Label hat seinen Platz im visionären Metal zementiert. Sie hätten es auf jeden Fall drauf – die Frage ist nur, ob sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt daran interessiert wären. Ich habe ihnen noch nichts zu hören gegeben, aber sie werden zu gegebener Zeit definitiv zu den ersten gehören und die Gelegenheit bekommen, uns herauszubringen. Und ich hoffe, sie werden!
Relapse haben ihren Horizont ja schon erweitert. Neben dem Death Metal und Grindcore der ganzen Jahre haben sie jetzt Bands wie DILLINGER ESCAPE PLAN…
… oder MASTODON!
Genau, wobei sie die ja an Warner verloren haben.
Ach, haben sie? Für die Verkäufe wird dieser Verlust aber eher ein Gewinn sein.
Gerade MASTODON sind ja auch nicht gerade traditionell, sondern im Gegenteil eher einflussgebend für andere Bands. Einen Versuch wäre es also auf jeden Fall wert!
Sicherlich! Sie werden uns zu hören bekommen. NEUROTICA machen dort weiter, wo ALICE IN CHAINS aufgehört haben, nur eben härter. Dadurch, dass ich einen Großteil der Musik schreibe, ist sie sehr Metal beeinflusst. Ich hoffe wirklich, dass Europa seine Ohren für NEUROTICA öffnen wird.
Wie sieht’s mit Roadrunner aus?
Monty Conner und ich sind über die Jahre in Kontakt geblieben. Natürlich wird er die Scheibe auch zu hören bekommen. Allerdings will ich nicht zwischen den anderen Bands bei Roadrunner untergehen. Roadrunner zeichnen sich nicht unbedingt dadurch aus, wirklich gut zu ihren Bands zu sein. Sie hatten eine Menge Erfolg mit ihren Bands, aber sie haben ihre Bands nicht mit dem Respekt behandelt, den sie verdient hätten.
Findest du? Sie hatten aber einige sehr einflussreiche Bands. DEATH, PESTILENCE, OBITUARY oder DEICIDE zum Beispiel…
Natürlich. Aber wenn du dich mit OBITUARY hinsetzt und sie nach dem Support fragst, den sie bekommen haben – speziell für das letzte Album – werden sie dir erzählen, dass sie sehr enttäuscht sind. Roadrunner geben meiner Meinung nach zu schnell auf. Sie pushen ein Album, und wenn es nicht sofort auf eigenen Beinen steht, lassen sie es sein und ziehen sich zurück. So etwas kannst du einfach nicht bringen! Du musst deinen Künstler entwickeln! Und genau das kommt bei den heutigen Indie-Labels zu kurz. Du musst zu deiner verdammten Band stehen! Du kannst in der Promotion nicht nach zwei Monaten den Schwanz einziehen, nur weil sich eine Platte nicht sofort verkauft. Bei GUNS N‘ ROSES war das nicht anders. Als deren erste Single „Welcome To The Jungle“ herauskam, hat sich kein Schwanz dafür interessiert, sondern erst für „Sweet Child O‘ Mine“. Stell dir vor, das Label hätte dieselbe Philosophie gehabt „oh, es verkauft sich nicht – also schnell weg damit“… Früher, in den Anfängen des Rock, hast du deinen Künstler entwickelt, bist ihm über ein paar Alben hinweg treu geblieben. Heute wartest du ein Album ab. Und wenn es sich nicht verkauft, ist die Band eben raus und du gehst zur nächsten. Und genau das macht mir bei Roadrunner Sorgen.
Aber liegt das nicht auch am Wettbewerb? Du musst eben viel in die Promo stecken, damit du zwischen all den anderen Bands noch gehört wirst. Und das Geld willst du als Label natürlich wiedersehen.
Natürlich willst du dein Geld wiedersehen. Ich weiß wie das läuft, ich hatte selbst ein Indie-Label. Es geht aber darum, das Geld sinnvoll einzusetzen. Man steckt keine 300.000 Dollar in das Video einer brandneuen, jungen Band! Man muss die Aufgaben auch im eigenen Haus behalten. Gerade Relapse machen vieles selber. Das fängt bei den Artworks an und hört bei den Videos auf. Sie bezahlen keine externen Leute, sondern haben selber welche, die alles machen. Du musst alles kompakt beieinander halten – und zwar bis hin zur Videoproduktion. Wir werden vielleicht einen ATHEIST-Clip veröffentlichen, da wir durch diese Tour jetzt genug Video-Material beisammen haben. Aber wenn das geschieht, dann komplett in House. Es wird keine 100.000 Dollar kosten, aber trotzdem so aussehen, denn wir werden viel Herz, Seele und Arbeit hineinstecken. Was ich sagen will, ist: Du musst auf dem Boden bleiben und dich der Wurzeln des Business bewusst sein. Denn sonst hast du irgendwann eine riesige Rechnung vor dir liegen und du musst die Band droppen, um mit einer anderen das Geld wieder reinzuholen. Man muss seine Bands bescheiden halten und ihnen auch mal sagen „Sorry, wir können keine 100.000 Dollar ausgeben, um euch auf dem Ozzfest spielen zu lassen. Dafür macht ihr aber eine Club-Tour und wir bauen die Sache langsam auf. Wir glauben an euch und an eure Musik, aber wir können diese Summe nicht aufbringen.“ Die meisten Bands wollen aber gleich auf dem Ozzfest spielen. Deshalb müssen Bands realistischer werden, und Labels müssen geduldiger werden. Das ist dir Formel für den Erfolg.
Welche Bands würdest du dann signen?
Oh Mann, ich mag so viele verschiedene Arten von Musik. Mit der richtigen Unterstützung könnten z.B. IN FLAMES leicht auf die nächste Stufe klettern. Ich weiß nicht, ob sie vorhaben, zu einem anderen Label zu gehen…
Sie sind seit ihren Anfangstagen bei Nuclear Blast.
Ja, und Nuclear Blast sind ein großartiges Label mit viel Geld, viel Willen und viel Herz. Ich glaube aber, dass IN FLAMES Major Label-Budget brauchen. Dann könnten sie zu einer großartigen Bereicherung der Spitze des Metal werden. Sie haben eine Menge Qualitäten!
Sie haben ihren Stil schon in kommerzieller Bahnen gelenkt. Hältst du das für legitim?
Darüber urteilt man leicht vorschnell. Wenn sie fühlen, dass es der richtige Weg für sie ist, und sie es aus den richtigen Gründen tun, warum nicht? Wenn sie aber nur auf Biegen und Brechen auf den nächsten Level wollen, dann natürlich nicht. Du musst dir als Künstler immer treu bleiben. Das haben wir immer beherzigt. Glaub mir – jedes mal, wenn wir unsere Platte eingeschickt haben, kam zurück‚ was zur Hölle DAS denn sein soll?! Aber das hat uns nicht gejuckt, denn es war unsere Scheibe. Es war die Musik, die wir machen, die du kaufst und die du dann eben bekommst. Damals haben es die Leute nicht verstanden, heute tun sie es. Lass den Künstler Künstler sein! Lass ihn visionär sein! Es ist nichts Verkehrtes daran, hinter die Dinge zu sehen und über den Punkt hinauszusehen, an dem der Metal gerade steht. Du kannst nicht nur schauen, wo er gerade ist, du musst schauen, wo er hingeht. Vielleicht hat eine Band wie ATHEIST nicht in ihre Zeit gepasst. Schande über die, die nicht gesehen haben, wo der Metal hingehen könnte. Musik wird sich nie zurückentwickeln, sondern immer nach vorn.
Wo geht der Metal deiner Meinung nach hin?
In eine großartige, sehr offene Zukunft mit zahlreichen Einflüssen. Auch wenn ich selber sehr technische Musik mache, mag ich trotzdem auch den sehr simplen Metal. Manchmal kann es einfach auch überkompliziert sein. Es gibt Momente, in denen DILLINGER einfach austicken und unhörbar werden. Ich schätze sehr, was sie machen, aber ich hoffe, dass sie sich des rechten Weges bewusst sind. Verrückt sein um des Verrücktseins willen ist nicht gut. Bei uns wurde jede unserer Platten ein wenig zugänglicher. Wenn du dir alles von Song eins bis zum Ende von „Elements“ anhörst, wirst du eine Band hören, die sich bemüht hat, alles etwas hörbarer zu gestalten.
„Elements“ ist aber das komplizierteste Album, das ihr je gemacht habt!
Aber um auf deine Frage zurückzukommen, wo der Metal hingehen wird. Die Antwort ist einfach: wohin auch immer er gehen will. Metal ist so stark wie eh und je. Sieh dir nur das Wacken hier an: 60.000 Leute und eine Stilvielfalt, die von Power Metal über technischen Metal bis zu Black Metal reicht. Metal hat seinen Horizont immens erweitert und wird die Zeiten überdauern! Als Band musst du tun, was du tun musst und dir dabei treu bleiben. Bleib ehrlich zu dir selbst und die Leute werden zu dir kommen.
Und heute ist alles erlaubt?
Richtig! Es ist OK, CELTIC FROST zu mögen, und es ist OK DILLINGER zu mögen. Der Metal hat heute eine Geschichte. Extremer Metal ist jetzt 25 Jahre alt und hat seine eigenen Klassiker. Damals, als in Tampa alles anfing, gab es keine Wurzeln, nichts auf das man sich berufen konnte. Heute gibt es diese Wurzeln. Und junge Bands können sich auf sie berufen.
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