Arch Enemy
Arch Enemy
Interview
ARCH ENEMY befinden sich gerade auf dem letzten Leg ihrer Europa-Tour zu "Doomsday Machine", zeitgleich erblickt die erste DVD der Bandgeschichte "Live Apocalypse" das Licht der Verkaufsregale. Bandgründer und Gitarrengott Michael Amott fand zwischen zwei Festivaldates Zeit, um mit mir über die Folgen des Ausstiegs seines Bruders und zweiten ARCH ENEMY-Gitarristen Christopher Amott vor einem Jahr, dessen Nachfolger Fredrik Åkesson, neue Songs und die Bedeutung medizinischer Erkenntnisse für den Metal zu sprechen.
Bevor wir über Eure DVD und Anderes sprechen, erstmal eine Frage zu einem neuen Album. Ich habe kürzlich gelesen, dass Ihr schon fleissig für an neuen Material schreibt…
Wir haben sieben oder acht Songs, die bereits fast fertig sind und ansonsten Tonnen von Riffs und Ideen, die einfach in der Gegend herumfliegen und noch zusammengesetzt werden müssen. Die Aufnahmen werden aber nicht vor Anfang nächsten Jahres beginnen, also haben wir noch recht viel Zeit. Aber was das Schreiben von neuen Songs angeht, sind wir sehr gut im Zeitplan. Zurzeit nehmen wir einfach nur viele coole Demos auf und haben eine gute Zeit. Im Vergleich zu „Doomsday Machine“ sind die Songs vielleicht etwas schneller und melodischer was die Gitarrenarbeit und die Harmonien angeht. Es ist zwar noch zu früh, um etwas wirklich Definitives darüber zu sagen aber es fühlt sich sehr frisch an.
Nun zur DVD. Es wäre doch eine perfekte Gelegenheit gewesen, parallel ein Live-Album des London-Gigs zu veröffentlichen…
Na ja, wir könnten, wenn wir denn nur wollten, haha! Ich denke, die DVD ist fürs Erste genug für eine Weile, zudem würde ein Live-Album einer anderen Show mehr Sinn für uns machen. Wir werden zu gegebenem Zeitpunkt ein Live-Album veröffentlichen, wobei ich nicht genau weiss, wie interessant Live-Alben heutzutage noch für Fans sind. Die Live-DVD hat doch diesen Platz längst eingenommen, denn es ist ein großer Vorteil, die Band auch gleichzeitig zu sehen. Vom Ding her mag ich Live-Alben trotzdem noch und ich würde gerne eines veröffentlichen. Wir haben dementsprechend auch auf jeder Tour einige Shows dafür aufgenommen. Mal schauen, vielleicht nächstes Jahr.
Der London-Gig war Chris´ [Amott, ex-Gitarrist, Anm.d.Red.] letzter Auftritt mit ARCH EMEMY. Habt ihr Ihn also daher als eine Art Homage an Chris für die DVD ausgewählt?
Nein nein, diese Show war von vornherein für die DVD vorgesehen und natürlich wussten wir nicht, dass gerade sie Chris´ letzte sein würde. Es ist also purer Zufall. Wir wollten diese Show trotz ihrer Begleitumstände aber nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, denn es ist eine großartige Show. Daher veröffentlichten wir sie, auch wenn Chris nicht mehr in der Band ist.
Ich hätte noch einige weitere Fragen bezüglich Chris, wenn Du Dich darüber unterhalten möchtest…
Klar, wenn ich die Antworten weiß, haha…
Zunächst, wie geht es Chris heute?
Ich denke ziemlich gut. Er scheint glücklich zu sein, hat aber derzeit keine ernsthaften Musikprojekte laufen. Diesen Herbst wird er wieder sein Studium fortsetzen…und das ist so ziemlich alles, was ich weiß, haha!
Bedauerst Du seinen Ausstieg und vermisst ihn auf der Bühne an Deiner Seite?
Weißt Du, Chris und ich hatten ein großartiges Arbeitsverhältnis auf den ersten Alben. Das dauerte bis zu „Wages Of Sin“ an, wir ergänzten uns beim Songwriting fantastisch. Aber auf den letzten beiden Alben nahm seine Bereitschaft ab und unsere Zusammenarbeit war nicht mehr so gut wie früher. Er wurde müde vom vielen Touren und einfach von der Tatsache, ein Mitglied von ARCH ENEMY zu sein. Solche eine Atmosphäre ist für keine Band gut. Wenn jemand aussteigen will, dann ist es besser, dass er es tut, anstatt ihn zu zwingen, in der Band zu bleiben. Die jetzige Atmosphäre in der Band ist viel positiver, obwohl doch schon etwas seltsam ohne Chris. Zwischen uns fließt aber kein böses Blut, wir sind immer noch Freunde. Es ist nicht so wie bei SEPULTURA, wo zwei Brüder in zehn Jahren nicht miteinander reden. Alles also nicht so dramatisch.
Hat sich Deine Sicht auf ARCH ENEMY seit seinem Ausstieg verändert?
Ja, ich denke, die Sicht hat sich für uns alle verändert. Wir haben realisiert, wie wichtig ARCH ENEMY für uns alle ist und was für einen großen Teil die Band in unseren Leben ausmacht. Wenn ein Gründungsmitglied mitteilt, dass er aus der Sache raus will, ist das zunächst ein wirklicher Schock und man fängt an darüber nachzudenken, wie wichtig einem die Band ist. Soll man weitermachen oder sich auflösen oder was sonst? Wir alle kamen zu dem Schluss, dass wir diese Band lieben. Wir lieben es, diese Songs zu spielen und die Arbeit, die wir machen. Also entschieden wir uns, weiterzumachen…offensichtlich, hehe.
Mit Fredrik Åkesson kam für Chris kam ein damals recht unbekannter Gitarrist in die Band. Wie hat er sich bisher eingefügt?
Was die Übernahme von Chris´ musikalischem Part betrifft, macht er einen exzellenten Job! Er ist ein ausgezeichneter Gitarrist und wir brauchten auch genau so einen, der in der Lage ist, nicht nur all die extremen Rhythmusparts mit den ganzen Thrash und Death Metal-Einflüssen zu übernehmen, sondern auch die ganzen klassischen Soli spielen zu können. So einen Spieler zu finden, ist überhaupt nicht einfach aber wir hatten in Fredrik das Glück. Er hat auch die richtige, positive Einstellung und passt so ebenfalls auf der persönlichen, sozialen Ebene in die Band rein.
Würdest Du auch sagen, dass er, als Ihr frischen Input nötig hattet, vielleicht genau zur richtigen Zeit kam?
Wenn jemand frisches in die Band einsteigt, springt das auch auf die übrigen Mitglieder um. Er erfährt gerade zum ersten Mal die Dinge, die wir schon viele Male wieder und wieder erlebt haben, was uns wieder mehr Spaß bringt. Er zeigt uns auf, wie viel Glück wir eigentlich mit unseren Möglichkeiten haben, z.B. in anderen Ländern zu spielen. Er sieht das Ganze noch mit anderen Augen.
Wie groß wird sein Einfluss auf dem neuen Album sein?
Während unserer Touren haben wir viele Riffs geschrieben und Daniel [Erlandsson, Drummer, Anm.d.Red.] spielt momentan viel mit Pro Tools als Aufnahmemöglichkeit für die Drums herum. Für den größten Teil werden wohl Daniel und ich verantwortlich sein aber ich bin mir sicher, dass Fredrik seine Ideen auch wird unterbringen können.
Live erlebt man ARCH ENEMY stets als eine perfekt eingespielte und sehr koordiniert auftretende, tighte Band, die kaum eine Note verhaut und bei der die Chemie einfach stimmt. Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht einfach war, diese Abstimmung nach dem Zugang Fredriks aufrecht zu erhalten…
Ich weiss nicht, wir zeigten Fredrik einfach die Dinge, die wir on stage tun und wie wir uns auf der Bühne verhalten und er versuchte von vornherein da irgendwie reinzupassen. Angela [Gossow, Sängerin, Anm.d.Red.], Sharlee [DÁngelo, Anm.d.Red] und ich haben ja schon hunderte von Shows zusammen gespielt und so etwas wie einen sechsten Sinn für uns gegenseitig entwickelt. Der eine weiß, wann der andere wo hingeht. Trotzdem ist es nicht besonders koordiniert, es ist keine durchgeplante Dance-Show, hehe, sondern im Prinizip nur improvisiert. Wir versuchen tight zu sein und gleichzeitig eine fette Show auf die Bretter zu knallen, denn das ist es doch, was man bei einem Auftritt sehen will: pure Energie. Manchmal sehe ich Bands, die das live überhaupt nicht rüberbringen und frage mich selbst, warum man dafür Geld bezahlen sollte, wenn die Band sich nicht bewegt und nicht einmal so ausschaut, als würde sie hinter dem, was sie macht, stehen. Und gerade im Metal sollte das nicht passieren, sondern das Gegenteil.
Angela hat oft genug betont, dass für sie als Fronterin von ARCH ENEMY irgendwann Schluss ist. Völlig hypothetisch aber habt Ihr schon mal irgendwann über die Konsequenzen für die Band nachgedacht, wenn dieser Zeitpunkt kommt?
Also wenn Angela sagt, dass sie irgendwann aussteigen möchte, frage ich mich im Gegenzug, ob irgendjemand wirklich denkt, dass der Job eines Leadsängers in einer Metalband ein Job fürs Leben ist. Selbst SLAYER sagen, dass irgendwann der Tag für sie kommen wird, an dem sie sich auflösen werden! Es gibt nur einen Typen, der selbst mit fast 65 im Metal noch aktiv ist und das ist Ronnie James Dio. Soweit ich weiß, gibt es keinen anderen lebenden Beweis dafür, dass es selbst im Rentenalter noch mit dem Metal funkioniert. Ich denke, Angela wird definitiv so lange in der Band sein, solange die Band existiert.
Das heißt ein Ausstieg Angela´s wäre gleichbedeutend mit dem Split…
Nein aber ich denke, dass es eine auf Gegenseitigkeit beruhende Entscheidung sein wird. Ich hasse es, Bands zu sehen, die ehemals großartig waren und sich innerhalb einiger Jahre in absolute Scheiße verwandeln! Ich will nicht, dass das mit ARCH ENEMY passiert! Ich will so lange wie möglich in der Lage sein, die gleiche Show abzuliefern, wie wir es jetzt tun. Und das kannst du nicht mit 95. Vielleicht doch…hängt davon ab, wie weit die Medizin bis dahin fortgeschritten ist. Vielleicht mit so was wie Stage-Viagra, haha…
Stichwort überflüssige Bands: mehr denn je entstehen heutzutage neue Formationen als bloße Kopisten eines erfolgreichen Vorreiters, sei es, dass sie versuchen wie IN FLAMES zu klingen oder Metalcore spielen. Komischerweise sieht man aber kein ARCH ENEMY-Duplikat weit und breit, obwohl Ihr doch mittlerweile ein großer Name seid…
Vielleicht sind unsere Songs zu schwer zu spielen, hehe…Viele Leute fragen mich das und ich finde diese Frage wirklich interessant. Ich denke wirklich, dass es daher rührt, dass unsere Musik sehr anspruchsvoll in der Spielweise ist. Um unseren Stil zu spielen, musst Du als Musiker einen gewissen Standard erreicht haben. Wenn Du aber als solcher Musiker diesen hohen Standard erreicht hast, willst Du vielleicht gar nicht mehr andere Bands kopieren. Als Metalcore-Band kannst Du Dir einfach denken „Lass uns diesen Part doch so spielen, dann klingt es wie IN FLAMES“. Das ist leicht und es passiert…offensichtlich, haha! Oder Du kopierst stur AT THE GATES, nur klingt es nicht so geil.
Du scheinst Metalcore nicht so wirklich zu mögen…
Nein, ich hasse es absolut! Dieses ganze „Erst-schreien-und-dann-mit-einer-netten-kleinen-Jungenstimmen-singen“-Zeug ist die schlechteste Musik, die ich je gehört habe. Das ist kein Metal, das ist nicht, was ich mag. Ich mag Hard Rock, Heavy Metal, Death Metal, Thrash Metal…das interessiert mich und das will ich hören, wenn harte Musik ins Spiel kommt. Metalcore ist keine harte Musik, ich sehe es nicht einmal als Metal an. Es hat kein Metal-Feeling. Es ist definitiv nichts, was ich als Musik hören will.
Habt Ihr nicht mit TRIVIUM auf dem Ozzfest gespielt?
Hahahaha…je, vielleicht mag ich es deswegen nicht so, hahahaha…Wir tourten mit Bands, die Metalcore oder so eine Art davon spielen und das sind wirklich coole Leute, es ist also nichts Persönliches. Aber die Musik ist so vorhersehbar. Die AT THE GATES-Strophe und der KILLSWITCH ENGAGE-Chorus…das ist alle zu vorhersehbar und es langweilt mich. Aber jeder in ARCH ENEMY denkt so. All diese Breakdowns aus dem Hardcore-Sektor…das ist alles sehr, sehr langweilig mit all den drittklassigen Panterariffs…totale Scheisse, hahahaha…
Wie erklärst Du es Dir dann, dass ARCH ENEMY in den USA, einem Land voller Metalcore-Kids, die IN FLAMES nach deren Show fragen, ob sie denn nicht von AS I LAY DYING beeinflusst wurden, momentan große Erfolge feiert? Ihr fahrt eine weitaus extremere und klassischere Ausrichtung als Metalcore-Bands, wart aber auf dem Ozzfest immerhin der Top-Seller beim Merchandise und Albumverkäufen…
Ich weiss es nicht. Das ist definitiv etwas, das interessant ist. Wir haben nicht wirklich gezielt versucht, Alben in den USA zu verkaufen. Wir haben dafür nicht unseren Sound verändert oder Alben aufgenommen, die annähernd eine Metalcore- oder New Metal-Atmosphäre versprühen. Wir redefinieren stets das, was wir tun und bleiben uns so unserem Sound treu. Offensichtlich entwickeln wir uns weiter und wachsen als Band. Es ist nicht immer das Gleiche bei uns. Es war also kein bewusster Entschluss in Amerika Alben in großem Stil zu verkaufen. Der Erfolg ist mehr zu uns gekommen, als dass wir ihn gesucht haben. Es ist also schon irgendwie seltsam.
Alles klar, dann danke ich Dir für das nette Interview.
Ich danke Dir, war cool, mit Dir zu reden.
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