Nightrage
Nightrage

Interview

Mit „Descent Into Chaos“ veröffentlichte das Ensemble um AT THE GATES-Legende Tomas „Tompa“ Lindberg in diesem Jahr ein Album, welches endlich mal wieder der Bezeichnung Melodic Death Metal gerecht wurde und den ehemaligen Genrekoryphäen rotzfrech den ausgestreckten Mittelfinger ins Gesicht hielt. Ob NIGHTRAGE-Gitarrist Marios ebefalls dieser Meinung ist, lest Ihr hier.

NightrageHi Marios, wie sieht´s aus bei NIGHTRAGE? Wie sind die bisherigen Reaktionen aus Euer aktuelles Album „Descent Into Chaos“?

Hi, bei uns ist alles klar! Wir haben gerade unsere erste US-Tour bei den International Extreme Music Festivals absolviert, was eine großartige Erfahrung für uns war. Die Reaktionen sind durchweg positiv, die Fans scheinen das Album wirklich zu mögen, was sich ebenso an den Reviews zeigt. Das Interesse an unserer Musik seitens der Leute ist wirklich groß.

„Descent Into Chaos“ fällt geradliniger als sein Vorgänger „Sweet Vengeance“ aus. Habt ihr langsame und Cleanparts absichtlich so stark in den Hintergrund treten lassen?

Wir sind an die Musik und die Vocals eigentlich ohne wirkliche Vorsätze herangegangen. Das einzige Ziel war es, „Descent Into Chaos“ roher und direkter zu gestalten. Wir wollten nicht die Energie und Kraft verlieren, die NIGHTRAGE ausmacht. Neben all den Charakteristika, die die Band ausmachen, weist das Album gereiftere Songs und einen kräftigeren Sound auf. Wir mussten wirklich lange dran arbeiten, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren. Die Heaviness und Brutaliät des ersten Albums sollten nicht verloren gehen, gleichzeitig wollten wir heavier werden und etwas von der Komplexität bei den Arrangements abstreifen. Im Endeffekt hat diese simplizistische Herangehensweise gut funktioniert, wovon das ganze Album profitiert hat. Der Fakt, dass wir mehr Zeit hatten, an den Stücken als Band zu arbeiten, hat uns bei den Aufnahmen ebenfalls bestärkt.

Akustische Instrumentals finden sich auf fast jeder Melodic Death Metal Platte, wie auch auf „Sweet Vengeance“. Diesmal fehlt ein solches Stück…

Ehrlich gesagt wollten wir auch diesmal ein Instrumental aufs Album packen, hatten aber keine Zeit einen entsprechenden Track aufzunehmen. Ich mag akustische Gitarren wirklich gerne und wenn ich daheim übe, spiele ich viel akustisches Zeug. Neulich habe ich mir eine zwölfseitige Elektroakustik gekauft, die Chancen stehen also gut, dass es ein Instrumental auf dem nächsten Album geben wird, hehe.

Wart Du und Gus [G., Gitarrist, Anm.d.Red.] dieses Mal auch wieder hauptsächlich fürs Songwriting zuständig?

Ich bin der Hauptkomponist der Band, für die Musik wie für die Lyrics. Gus hat dieses Mal an fünf Songs mitgearbeitet, mit denen ich wirklich zufrieden bin. Tomas [„Tompa“ Lindberg, ehem. Sänger, Anm. d. Red.] hat ebenfalls zu den Vocalarrangements beigetragen, da er mehr Zeit hatte, an ihnen zu arbeiten. Mit unseren beiden neuen Mitgliedern Fotis Benardo (Drums) und Henric Karlsson (Bass) sind wir stärker als jemals zuvor. Unser aktuelles Album ist ein Teamprodukt, was man bei den neuen Songs definitiv heraushören kann.

Wenn Du „Sweet Vengeance“ und „Descent into Chaos“ vergleichst, worin besteht der größte Fortschritt?

Ich denke, auf dem neuen Album haben wir einen erwachseneren Sound und unsere Fähigkeiten, Songs zu schreiben, sind auf jeden Fall besser geworden. Wir verfolgten einen simpleren Ansatz und wurden zugleich heavier. Dabei hat uns sicherlich auch die gute Zusammenarbeit mit unserem Producer Patrick J. Sten geholfen, der uns die Arbeit sehr erleichtert hat.

Worum geht es thematisch bei „Descent Into Chaos“?

In den Lyrics geht es um die Leere um uns und in uns, ebenso wie um unsere Einsamkeit. Der Titeltrack handelt z.B. davon, dass wir als Menschen der Abstieg in unser eigenes Ende, unser eigenes Chaos sind. Mit unserem Verhalten führen wir uns selbst in die Nichtigkeit und ich denke, dass wir nur kalte Gefühle für uns gegenseitig übrig haben. Dagegen müssen wir etwas tun. Wir müssen uns selbst aus dem Chaos herausführen, ihm widerstehen und drum kämpfen, die Welt zu verbessern. Wir sollten unsere Gegenüber mit Respekt behandeln und versuchen, bessere Menschen zu sein.

Warum habt ihr nicht wieder Fredrik Nordström als Producer eingespannt, sondern Patrick J. Sten, der bereits auf Eurem ersten Album als Co-Producer fungierte?

Patrick ist ein wirklich talentierter Producer und er hat uns einen Wahnsinnssound verpasst. Er steht mehr auf die moderneren Sounds, daher gehen die Gitarren und die Drums diesmal auch viel mehr in die Fresse. Fredrik konnte den Job nicht übernehemn, da er zu dieser Zeit im Urlaub war. Nichtsdestotrotz sind wir mit Patrick´s Arbeit sehr zufrieden.

Tomas ist vor einigen Monaten aus der Band ausgestiegen, sein Ersatzmann ist Jimmy Strimmel von DEATH DESTRUCTION. Wie seid Ihr auf ihn gekommen und wie macht er sich bisher?

Tompa ist damals ausgestiegen, da er nicht mehr die Zeit für uns hatte. Er hat ja noch andere Bands, einen Job und eine Familie, um die er sich ja auch kümmern muss. Unser Basser Henric hat uns auf Jimmy gebracht, er spielt mit ihm zusammen bei DEATH DESTRUCTION. Nach Tompa´s Ausstieg machten wir uns sofort auf die Suche nach einem neuen Fronter und Jimmy hat uns dabei am meisten überzeut. Er ist mit Hingabe dabei, liebt die Musik und ist ein exzellenter Sänger! Auf Tour hatten wir eine schöne Zeit mit ihm, die Fans schienen ihn sehr zu mögen und ich denke, sie warten sehnsüchtig auf ein neues Album mit Jimmy.

Für den Song „Frozen“ steuerte DARK TRANQUILLITY´s Mikeal Stanne seine Vocals bei. Wie kam es dazu?

Es war mehr oder weniger meine Idee, die ich unserem Label unterbreitete. Da ich ich Mikael kenne, war es nicht besonders schwer, ihn davon zu überzeugen. Ich mag DARK TRANQUILLITY, vor allem ihre früheren Alben wie „The Gallery“. Also machte er seine Aufnahmen, wir mochten es und packten es aufs Album. Es war sehr locker, als ob Du einen Freund ins Studio einlädst.

Bei „Sweet Vengeance“ hat Tom S. Englund von EVERGREY den Part des Gastsängers übernommen. Soweit ich weiss, gab es deswegen einen Streit zwischen Euch und Eurem Label in Spe, Century Media…

Ja, das ist wahr. Zu der Zeit hatten wir ein paar Cleanparts, die ich eigentlich hätte übernehmen sollen. Fredrik und Century Media mochten meine Aufnahmen aber nicht, sie sagten, es klänge zu romantisch, hahaha. Man darf nicht vergessen, dass wir zu der Zeit noch nicht bei Century Media unterschrieben hatte, die Situation für mich und für die Zukunft von Nightrage war also ausserordentlich schwierig. Fredrik hatte dann später die Idee, Tom von EVERGREY zu fragen, da jener genau die Stimme hatte, die wir für das Album brauchten. Ich habe mich zunächst gegen diese Entscheidung gestellt, dann aber doch einen Schritt zurück gemacht, um die Fertigstellung des Albums nicht zu gefährden. Obwohl ich der Verantwortliche für NIGHTRAGE war, wurde ich vor die Wahl gestellt: entweder zusagen oder zu Hause sitzen und nichts tun. Letztendlich wollte ich nicht zu meinen eigenen Feind werden und so die NIGHTRAGE-Vision gefährden. Obwohl ich Tom nicht auf dem Album haben wollte, denke ich, dass er ein guter Sänger ist. Sein Beitrag zu „Sweet Vengeance“ klingt professionell und schlußendlich war jeder damit zufrieden, ich eingeschlossen. Ich kann mich selber nicht wirklich als Sänger bezeichnen, eher als so etwas wie ein Vorläufer was die Cleanvocals angeht. Tom ist da viel besser als ich. Obwohl ich nicht möchte, dass solche Dinge in Zukunft nochmal passieren, und ich versichere Euch, das werden sie nicht, werde ich Euch beim nächsten Album höchstwahrscheinlich mit meiner romantischen Stimme in den Cleanparts auf den Sack gehen, haha!

War Century Media damals Euer Wunschkandidat oder habt ihr Euch auch bei anderen Labels beworben?

Wir haben den Endmix von „Sweet Vengeance“ nur an ausgewählte Labels geschickt, an denen auch wir selbst wirklich interessiert waren. Zwei von ihnen, Century Media und Nuclear Blast, wollten uns unter Vertrag nehmen. Century Media machten uns jedoch von Beginn an deutlich, dass sie schwer begeistert von unserer Musik waren. Also unterschrieben wir bei ihnen.

Was war Tomas´ Reaktion, als Du damals mit der Idee und den Demos von NIGHTRAGE an ihn herangetreten bist?

Tomas war vom ersten Augenblick an begeistert, als ich 2001 an ihn herangetreten bin. Das war sogar noch bevor wir gesignt waren oder überhaupt jemand in der Szene von uns wusste. Er begriff, dass es mir mit der Band ernst war, er mochte meine Einstellung und sah meine Bereitschaft eine funktionierende Einheit zu erschaffen. Wir wurden ziemlich schnell Freunde. Unser gegenseitiger Resepkt führte schließlich zu unserer Zusammenarbeit…

Heutzutage veröffentlichen die ehemaligen Speespitzen des Melodeath eher durchschnittliche oder sogar enttäuschende Alben, einige sprechen sogar von Verweichlichung…

Ich kann Dir da nur zustimmen. Unser Genre ist plötzlich zu etwas anderem geworden, viele Bands wurden ihrer Musik müde. Ich kann es ihnen nicht wirklich verübeln, das Old-School Feeling ist jedoch abhanden gekommen, die Bands beschreiten jetzt andere musikalische Pfade. Ich versuche noch immer meinem Herzen zu folgen, ich will nichts spielen, was ich nicht mag. Was wir mit NIGHTRAGE machen, ist purer Metal, an den wir selber glauben. Natürlich wollen wir auch Fortschritt, wollen aber gleichzeitig nicht die schiere Intensität verlieren, um die es sich bei dieser Musik früher drehte. Andereseits geht es aber doch nur um gute oder schlechte Musik. Lasst also die Fans entscheiden, was sie mögen und was nicht.

Wohin geht also die Reise?

Ich denke, das Genre wird seinen Weg wiederfinden und die Musik wird interessanter und eigenständiger als je zuvor sein. Ich will nicht daran glauben, dass die Szene ausgebrannt ist und bin sicher, dass es da draussen genug Bands gibt, die uns eines Besseren belehren können.

Wann können wir NIGHTRAGE in Deutschland erleben?

Wir würden wirklich gerne in Europa und Deutschland spielen. Ich weiss, dass wir dort eine Menge Fans haben, die uns gerne live sehen würden. Ich kann Euch eines sagen: unser Zeug ist live der Killer! Also bleibt dran, denn momentan planen wir etwas…

Bitte vervollständige. Metal ist…

…sich selbst zu sein und seinem Herzen zu folgen!

Letze Worte an Eure Fans?

Danke für die Möglichkeit, ein Interview mit Euch zu führen. Ein großes Hallo! Zu unseren deutschen Fans. Wir hoffen, Euch bald auf Tour sehen zu können.

Ich danke Dir für das Interview.

11.10.2005

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