Arch Enemy
Arch Enemy
Interview
Die "Doomsday Machine" ARCH ENEMY kommt wieder ins Rollen! Nach zwei Jahren schicken sich die Melodic Deather um Gitarrengott Michael Amott an, den Erfolg ihres 2003er "Anthems Of Rebellion" auszubauen. Mit einem neuen Album im Gepäck, einem Platz im Billing beim diesjährigen Ozzfest aber leider auch einem Gitarristen zu wenig will die deutsch-schwedische Mixtruppe endlich den Sprung in die Spitzenliga des Schwedentodes schaffen. Kurz vor dem Sprung über den großen Teich sprach Frontfrau Angela Gossow mit mir über das neue Album, die Jugend und den Ausstieg des Bruders, Gitarristen und Gründungsmitgliedes Christopher Amott.
Wie groß ist in Deinen Augen der Schritt zwischen „Anthems Of Rebellion“ und „Doomsday Machine“?
Wenn wir an einem neuen Album arbeiten, versuchen wir immer auf das Album zu reagieren, was wir zuletzt geschrieben haben. „Anthems Of Rebellion“ war etwas „stripped down“, wenn man es musikalisch betrachtet. Das Songwriting war sehr vereinfacht, es gab weniger Gitarrensoli und wir haben damals eigentlich versucht einfache Songs zu schreiben. Mit der Zeit haben wir uns aber angefangen mit den Songs zu langweilen und haben uns daher vorgenommen, es auf der nächsten Platte genau umgekehrt zu machen. Bei „Doomsday Machine“ packten so viel wie möglich rein und gingen mehr in die Old-School Richtung zurück. Alles ist jetzt vertrackter, wobei wir immer noch stark darauf achteten nicht die Eingängigkeit zu verlieren. Es gibt jetzt sehr viele Levels in den Songs, die man beim ersten Mal auch nicht alle hört, sondern die sich erst nach und nach erschließen. Wir haben zum Beispiel sehr viele Keyboards drin, die aber kein Schwein hört, weil sie einfach im Nichts verschwinden. Das haben wir aber auch mit Absicht so gemacht, denn die Keys sollen zur Atmosphäre und zu dieser Vielschichtigkeit beiragen, ohne jedoch den einzelnen Song zu dominieren. Zusätzlich sind diesmal natürlich ohne Ende Gitarrensoli dabei…
Das wäre auch meine nächste Frage gewesen. Die neuen Songs sind sehr Gitarrenlastig und rifforientiert, rücken die Soli in den Vordergrund und gestalten sich auch komplexer als das alte Material. Ich könnte mir vorstellen, Michael und Chris hatten dieses Mal bei den Aufnahmen viel Spaß sich auszutoben…
Ja klar, haha. Beide Gitarristen hatten ihren Spaß, wie auch unser Drummer Daniel, der ebenfalls sehr vertrackte Sachen spielt. Das stellt halt für Musiker den Kitzel dar: im Studio hat man mehr Zeit und Möglichkeiten, als wenn man live spielt. Im Studio kann man sich das alles besser auslegen und klar haben die Jungs das dieses Mal komplett ausgenutzt, hehe. Das Basteln an Details ist es auch, was einem Künstler Spaß macht und die Motivation gibt, wieder eine neue Platte aufzunehmen.
Deine Stimme ist dieses Mal sehr verzerrt und bellend im Gegensatz zur klaren Stimme auf „Anthems Of Rebellion“. Sie hat fast schon einen männlichen Touch. Warum habt ihr die Vocals diesmal so abgemischt?
Es ist nicht nur die Art wie meine Stimme abgemischt wurde, ich habe sie auch anders eingesetzt. Im Nachhinein ist mir meine Stimme auf „Anthems Of Rebellion“ zu ruhig und zu leicht geraten also hab ich mich diesmal darauf konzentriert, soviel Gewalt wie möglich reinzupacken. Vom Stimmvolumen ist jetzt viel mehr drin. Ich habe bei „Doomsday Machine“ ein Handheldmikrofon benutzt und das verzerrt immer ein bisschen. Normalerweise hat man ja dieses feststehende Mikrofon mit einem Spuckschutz davor, zu dem man einen Mindestabstand einhalten muss. Ich glaube 10 cm sind das mindestens. Diese Aufnahmemikrofone sind sehr sensibel, die darf man ja auch eigentlich nicht anfassen. Beim Handheld sollte man den Kopf zwar auch nicht berühren, man verändert den Abstand beim Einsingen aber kontinuierlich. Mal kommt man näher an den Kopf, wodurch der Output dann lauter und somit auch verzerrt wird. Dadurch hat die Stimme dann mehr so einen Live Sound und das wollte ich auch erreichen. Meine Vocals klingen live anders als auf Platte und ich wollte dieses Rohe und Direkte Live-Feeling mit dabei haben. Ich habe auch einen stärkeren und lauteren Output, wenn ich mich beim Singen bewegen darf. Wenn man mich vor dieses statische Mikrofon mit dem Spuckschutz setzt, dann geht mir unheimlich viel an Aggressivität verloren, weil ich nicht herumspringen darf und mich gefangen fühle. Mir wird dann sehr bewusst, dass ich mich in einer Aufnahmeumgebung befinde. Aber in dem Moment wo ich das Handheld hatte und mich in dem Raum voll bewegen konnte, hat sich bei mir vieles vom Gefühl her verändert. Daher klingt der Gesang auch entsprechend anders und aggressiver. Ich hab wahrscheinlich auch lauter gebrüllt als sonst, weil ich mich in den Song hineinsteigern konnte und das Gefühl hatte, live zu spielen. Es passt auch einfach besser zu den neuen Songs und ich konnte mich etwas verrückter geben, als es sonst in einer solch kontrollierten Aufnahmeumgebung der Fall ist.
Michael hat kürzlich einem Interview gesagt, „guter Metal brauche eine Mischung aus klassischen Riffs und reisserischen Soli, etwas, das in letzter Zeit im Begriff war auszusterben“. Darf man das als ein Statement für die Rückbesinnung auf alte Tugenden verstehen?
Uns ist aufgefallen, dass viele klassische Bands, gerade die aus Schweden, stark nach Amerika schielen und versuchen den dortigen Sound zu adaptieren…also die Loops, den melodiösen Gesang und die vielen Keyboards und so was. Genau das wollen wir halt nicht! Ich finde, im Moment geht dabei auch ein Stück der Qualität und der Eigenständigkeit europäischen Metals verloren. Wohingegen auch viele amerikanische Bands versuchen wie schwedische Bands zu klingen, was auch oft genug in die Hose geht, hehe. Unser Background ist klassischer Rock und Metal der 60er bis 90er Jahre aber je jünger die nächste Generation, die in diese Musik kommt, wird, umso mehr geht die Tradition verloren. Ihre erste Platte wird vielleicht MACHINE HEAD sein und nicht DEEP PURPLE oder BLACK SABBATH. Damit gehen auch die Qualitäten des Metal verloren, gerade bei den jüngeren Bands, die diesen Background nicht mehr haben. Ich mein, wir sind ja auch nicht mehr die jüngsten, irgendwas zwischen 30 und 40 aber wir möchten so lange wie möglich diese Qualität im extremen Metal bewahren. Das ist unser Ding!
Was ist mit dem Thrash Metal Einfluss, der deutlich auf „Doomsday Machine“ zu spüren ist? Ist das eine Seite von ARCH ENEMY, die Ihr bisher unter Verschluss gehalten habt oder seit ihr vorsätzlich so da rangegangen?
Ich würde nicht sagen, dass es vorsätzlich war. Thrash Metal hat diesen rhythmischen Anspruch und ich glaube das ist das, was uns reizt. Dieses groovige, rhytmische Feeling…und wir persönlich stehen natürlich alle sehr auf Thrash Metal, haha…Beim Death Metal ist es eher so, dass die Riffs und die Grooves simpler gestrickt sind, also zumindest bei dem Death Metal, den ich mag wie OBITUARY und Co. ARCH ENEMY haben die eingängigen Melodien im Chorus, dafür ist dann das Vers-Riff eher thrashlastig.
Dieses Mal gibt es kein atmosphärisches akustisches Instrumental, sondern mit „Hybrids Of Steel“ einen vier Minuten langen, fast schon spontan klingenden Jam mit deutlichem Progressiv-Einschlag. Das dürfte von den Fans ziemlich kontrovers aufgenommen werden.
Das ist auch unsere Absicht dabei gewesen und es ist nicht zu bestreiten, dass es ein progressives Element in unserer Musik gibt. Es gibt viele Metalfans, die einen sehr einfachen Musikgeschmack haben und die werden mit dem Song wahrscheinlich Probleme haben. Ich finde es aber gerade wichtig dieses Element herauszubringen, da es halt ein Teil von uns ist. Manche werden es mögen und sich fragen, woher diese Einflüsse nun plötzlich kommen. Darauhin werden sie sich vielleicht RUSH anhören und ihren musikalischen Horizont erweitern. Wir zum Beispiel stehen alle total auf RUSH und sind höchstwahrscheinlich auch stark von diesem vertrackten, progressiven Element beeinflusst. Das lockert „Doomsday Machine“ auch auf. Wenn man 13 Stücke auf ein Album packt, muss nicht jedem jedes Stück gleich gut gefallen. Für einige Leute mag es dann total spannend sein, wenn sie neue Einflüsse entdecken.
Steht hinter „Doomsday Machine“ ein textliches Gesamtkonzept?
Nein, aber es gibt natürlich ein textliches Konzept, welches sich auf allen ARCH ENEMY Platten wiederfindet. Wir haben Grundthemen, um die wir immer so ein bisschen kreisen. Das Thema der Apokalypse kommt sehr oft vor, was auch bei „Anthems Of Rebellion“ der Fall ist, zum Beispiel in Songs wie „Dead Eyes See No Future“ oder „Dehumanzation“. Dieses Thema haben wir dieses Mal wieder aufgenommen, allen voran mit dem Coverkonzept und dem Albumtitel, dazu in Songs wie „My Apocalypse“ oder „Mechanic God Creation“. Einen stringenten Faden gibt es auf „Doomsday Machine“ aber nicht, wir machen ja auch keine Konzeptalben. Ich hab es noch nie versucht aber ich denke, es ist schwierig ein gutes Konzeptalbum zu schreiben, schon allein von der Story her.
Christopher ist während der Aufnahmen ausgestiegen, um sich seinem Studium zu widmen. Warum diese plötzliche Entscheidung in einer so wichtigen Phase in der ihr jetzt seid?
Ich glaube sie kam so plötzlich, eben weil es so eine wichtige Phase ist. Chris hat sich schon lange nicht mehr richtig wohl gefühlt. Das heisst nicht er hätte sich in der Band nicht wohl gefühlt. Er ist mit dem Touren nicht klar gekommen und hat sich auch musikalisch sehr weit von ARCH ENEMY entfernt. Seine Wurzeln liegen auch nicht im Metal, er steht eher auf klassischen Rock, Progressive, Jazz, Soul, R&B, Funk und so was. Wir haben es schon bei den Aufnahmen zu „Anthems Of Rebellion“ gemerkt. Er konnte sich schon damals nicht so richtig mit der Musik identifizieren und sagte jeden Tag auf der Tour, er wünschte er wäre zu Hause bei seiner Freundin. Nach den Aufnahmen zu „Doomsday Machine“ war klar, dass wir nach dem Ozzfest durchtouren, und zwar bis zum 28. Dezember. Wir werden kaum einen Day-Off haben und als Chris diesen Zeitplan gesehen hat, sagte er „Sorry, das kann ich nicht!“. Er möchte jetzt mal etwas Anderes machen, schließlich spielte er 10 Jahre lang seit seinem 17. Lebensjahr bei ARCH ENEMY. Er hat keine Ausbildung und möchte daher jetzt studieren. Also hat er sich die Haare abrasiert und ist von einem Tag auf den anderen ausgestiegen…
Ernsthaft?!
Ja klar, komplett Glatze! Aber hat schon einen sehr ungünstigen Moment gewählt…
Das heisst er hat AE komplett hinter sich gelassen…
Ja, ich glaube das war auch fast so etwas wie eine Panikreaktion. Er hat diesen Tourplan gesehen und verstanden, dass das neue Album eine ganze Menge Arbeit erfordert und daher aufgegeben. Er hat es lange versucht und unterdrückt aber er konnte einfach nicht mehr. Wir hatten es ja auch schon irgendwie im Gefühl, dass so etwas kommt. Natürlich hofften wir, dass er die Festivals und das Ozzfest noch mitmacht aber leider hat er das nicht.
Um es mal pathetisch zu formulieren: wie groß ist die Lücke, die er hinterlassen hat?
Er war von Anfang an dabei, er hat die erste Platte mit eingespielt, war somit ein Urmitglied. Michael und Chris waren ein eingespieltes Songwriting-Team, was sich aber mit „Doomsday Machine“ gelockert hatte, da Daniel sehr stark in Erscheinung getreten ist. Aber er machte mindestens 40% aus und das wird sehr schwer, diese Lücke zu füllen! Wir müssen ja für die nächsten zwei Jahre keine neue Platte schreiben und werden uns dementsprechend auch Zeit lassen, den richtigen Gitarristen zu finden. Wir haben also schon ein bisschen Bammel, haha…
Wie ist die Verpflichtung von Gus G. [Gitarrist von NIGHTRAGE, Anm.d.Red.] nun bei Euch einzuordnen?
Gus ist nur Stand-In für die Dauer des Ozzfest´s. Er hat ja eine ganze Menge anderer Bands wie FIREWIND, MYSTIC PROPHECY und NIGHTRAGE und hat auch keine Lust eine dieser Bands für ARCH ENEMY zu verlassen. Das wäre aber nötig, da ARCH ENEMY einfach rund um die Uhr das ganze Jahr beschäftigt sind. Michaels zweite Band SPIRITUAL BEGGARS werden dieses Jahr zum Beispiel keine einzige Show spielen können, weil er nur mit ARCH ENEMY unterwegs ist. Auf so was hat Gus einfach keinen Bock.
Wie seid ihr auf Gus G. als neuen Gitarristen aufmerksam geworden?
Die Musiker in der Metalszene kennen sich ja alle ein bisschen untereinander. Gus ist ein großer Michael Amott Fan und stand schon immer in Kontakt mit ihm. Zudem wissen wir, dass Gus ein guter Gitarrist ist. Er ist jung, sieht gut aus und kann Chris´ Parts einwandfrei spielen, haha. Wir hatten zwei Proben mit ihm und wussten, er ist unser Mann für das Ozzfest! Zudem ist er ja auch flexibel, hat keine Familie, keine Kinder und kann mal eben für acht Wochen auf Tour gehen.
Ihr musstet wegen Christopher´s Ausstieg alle Sommer-Festivals absagen, habt aber eine extensive Europa-Tour zum neuen Album angekündigt. Gibt es da schon konkrete Planungen und wann können wir damit rechnen Euch live zu sehen?
Ja, die Pläne stehen teilweise schon fest. Die Tour wird im Oktober/November stattfinden und mit uns als Headliner. Wir sprechen auch über einige Bands aber es ist noch nichts unter Dach und Fach.
Wie wäre es mit ein bisschen Name-Dropping?
Wir würden gerne die Jungs von DARK TRANQUILLITY mitnehmen, so etwas in der Richtung. Ich weiss nicht, ob die das schon wissen aber unser Manager weiss es, haha…es steckt also noch sehr in den Kinderschuhen.
Ich würde gern nochmal auf Christopher zurückkommen: inwiefern war er noch an den Arbeiten zu „Doomsday Machine“ beteiligt?
Ich würde sagen er hat ungefähr 30 bis 40 % des neuen Materials beigesteuert und komplatt aufgenommen. Ich hab ihn aber während der Aufnahmen überhaupt nicht gesehen, denn da hat schon einiges nicht gestimmt. Hinzu kommt, dass wir bei den Aufnahmen sowieso alle parallel gearbeitet haben, da wir die Deadline für das Ozzfest einhalten mussten. Während ich also abends meine Vocals aufgenommen hab, spielten Michael und Chris tagsüber die Gitarren ein. Unsere Wege haben sich seitdem auch nicht mehr gekreuzt, ich hab ihn also persönlich schon ewig nicht mehr gesehen. Er hat sich bereits im Studio sehr zurückgenommen, ist nur erschienen, wenn er seine Gitarrenparts einspielen musste. Auch wenn wir abends zusammensaßen, ist er nie dabei gewesen.
Es gab aber keine brüderlichen Zwistigkeiten zwischen Michael und Chris…
Ich denke schon, dass Michael sehr enttäuscht war. Aber Blut ist dicker als Wasser und man bricht nicht mit seinem Bruder, nur weil er die Band verlässt. Da muss schon Schlimmeres kommen.
Dann danke ich für das Interview und wünsche viel Erfolg für die anstehende Tour und die Gitarristensuche!
Danke auch Dir!
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