Japanische Kampfhörspiele
Interview mit Sänger Bony zu "Hardcore aus der ersten Welt"
Interview
Für manche Dinge im Leben braucht man mehrere Anläufe. So auch bei diesem sehr interessanten Gespräch mit Bony, dem Schreihals aus den Reihen der Japanischen Kampfhörspiele. Nachdem mein Aufnahme-Device beim ersten Versuch den Dienst versagt hatte, musste es eben ein zweiter Anlauf richten, der dem ersten in Sachen „Denk mal drüber nach“-Aufschlussreichtum und Kurzweil jedoch in nichts nachsteht, sodass ihr hiermit mit Sicherheit genauso gut, wenn nicht noch besser, unterhalten sein solltet. Als Hintergrundbeschallung dazu bietet sich der aktuelle Longplayer „Hardcore aus der Ersten Welt“ geradezu an, dessen Texte ihr euch unbedingt einmal zu Gemüte führen solltet! Aber nun viel Spaß mit aufgeblasenen Titten, abgesaugtem Fett zum Frühstück, in ihre Einzelteile zerlegten Teenagern und Hildegard Knef auf Grind. Gott gnade dieser Gesellschaft!
Hi Bony, so schnell hört man sich wieder!
Ja hallo! Was war denn los das letzte mal?
Mein Diktiergerät hat’s nicht aufgenommen.
Achsooo, na dann war das nicht ganz der Bringer…
Ja, aber diesmal scheint’s zu laufen. Ist ja nicht zur Strafe, nur zur Übung!
Nee, is ganz ok so, denn letztes mal lag ich mit Grippe auf dem Sofa. Jetzt hab ich schon zwei, drei Bier intus, kann sein dass der Interviewverlauf ein klein wenig anders wird.
Ich hab mir auch extra neue Fragen überlegt. Wir können ja auf dem letzten mal aufbauen, dann musst du nicht alles noch mal runterleiern!
Das ist aber guuut! Und wenn du nicht direkt mit der Frage nach dem Bandnamen anfängst, ist das schon mal ne gute Sache.
Nenee, keine Angst, die Frage hab ich selber schon so oft gelesen, die interessiert mich also wirklich nicht. Aber lass uns doch zu Anfang einfach mal die Eckdaten zum neuen Album abfrühstücken. Magst du mal erzählen wies dazu gekommen ist?
Ja, puh, wie kams dazu? Also ich selber bin seit der „Fertigmensch“ mit dabei, hab aber damals noch nichts zum Songwriting beigetragen, weil ich quasi mitten im Studioprozess zur Band gestoßen bin, weil sie das Album bei einem Bekannten aufgenommen hat. Und dann ist so quasi während der Aufnahmen der Sänger ausgestiegen und Christof hatte keinen Bock, das alles alleine einzusingen. Ich hab dann den ganzen hohen Kram eingesungen. Nach den ganzen Livesachen haben wir dann gesagt, ok wir machen ein neues Album, und haben dann angefangen Sachen zusammenzutragen. Klaus, der sonst die Sachen mit Christof zusammen gemacht hat, also auch die „Fertigmensch“ mit ihm im Proberaum zusammen erjammt hat, war diesmal sehr verhindert, weil er a) ne Freundin in Frankreich hat und dann auch zur Zeit, als wir das neue Album geschrieben haben, sein Diplom gemacht hat. Deshalb hab dann ich viele meiner Einflüsse mit eingebracht. Weil ich eher aus der Thrash Metal Ecke komme, ist es jetzt vielleicht mehr zu einem Hardcore- oder Thrash Metal Album geworden.
Es ist zu ca. 50-60% im Proberaum entstanden und dann haben wir auch noch Sachen zu Hause am PC erarbeitet, also quasi die alte Arbeitsweise von JaKa: Christof spielt Schlagzeugsachen ein und wir treffen uns zu Hause und legen Gitarren drüber. Und dann gab es noch so Sachen wie der Song „Es lernt sich von selbst“, wo bis zum Studiotermin gar keine Riffs feststanden. Der Christof hat den Song, wie er ihn von den Arrangements von den Drums her im Kopf hatte, eingespielt und wir haben im Studio Riffs drübergelegt. Wir haben dann gemerkt, dass die Spielzeit nicht so wirklich lang ist und haben dann eben noch die beiden kurzen Songs gemacht. Das sind so musikalische Überraschungseier, die wir uns immer vorbehalten, damit man hinterher das Album auch noch zu Hause anhören kann, damit ein paar Songs irgendwo auch noch frisch klingen. Das geht halt nicht so, wenn du jeden Song schon sechs bis zwölf Monate kennst, dann beim Einspielen schon 100mal gehört hast und beim Abmischen dann noch 200mal. Das ist dann eine ganz gute Verfahrensweise, wobei ich denke, dass sich das auch auf den Hörer überträgt.
Auf jeden Fall, also mir gefällt das Album wirklich sehr gut, hab ihm auch eine ganz gute Wertung gegeben. Gab es eigentlich auch schlechte Reviews dazu?
Hmmm, naja, was heißt schlechte Reviews? Also die Reviews, die ich bis jetzt gelesen habe, sind natürlich immer noch sehr Underground oder Fanzines im Internet oder so, aber 95% davon sind wirklich ganz hervorragend. Schlechte Reviews gab es meistens von den Leuten, die mit der Musikrichtung schon gar nichts anfangen können. Denen hättest du auch ne Napalm Death oder ne Nasum Platte schicken können, da stand dann so „ich mag ja normalerweise auch schnelle Musik, aber das ist leider zu heftig“. Ein paar Leute haben es nicht verstanden, indem sie den Titel „Hardcore für die Erste Welt“ insofern für bare Münze genommen haben und es dann eben auf die Musikrichtung projiziert haben und eben dachten, wir wären eine Hardcore-Band. Aber wir sind ja leider kein Hardcore, dafür sind wir viel zu heftig. Es gab noch einen, da fand ich die Plattenkritik aber sehr gut, irgendwie vom Terror Verlag oder so? Der fand eben alte JaKa Sachen sehr gut und meinte so, er hätte uns eigentlich schon im Feuilleton der FAZ gesehen und wir würden jetzt allerdings, wo wir im Studio aufnehmen, versuchen, so zu klingen wie damals auf verrauschten Tapes, aber diesen Spagat hätte auch Prince nicht geschafft. Es liest sich auf jeden Fall gut. Es gab wie gesagt eben noch so Sachen „ja, da wird aber gegrunzt die ganze Zeit“ und „es ist einfach viel zu schnell“, aber die kamen von Leuten, die mit der Musikrichtung an sich einfach nichts anfangen konnten. Zur „Fertigmensch“ gab es mal ein Review, wo einer sagte „nee, kann ich gar nichts mit anfangen, das erinnert mich alles an Rammstein“. Da kann ich dann auch nicht mehr viel dazu sagen. Ich warte eigentlich immer noch auf das Review, wo drinsteht „ich steh eigentlich total auf Grindcore, finde die Platte aber total scheiße“. Oder eben auf Death-Grind-Punk, ich mein wir sind ja auch keine lupenreine Grindcore-Band. Aber das Review sag ich mal von jemandem, der sich wirklich mit der Musikrichtung beschäftigt und der es total verreißt, ist bisher ausgeblieben. Aber ich denke, das wird auch noch irgendwann kommen.
Wenn nicht bei diesem Album, vielleicht ja dann beim nächsten!
Wenn das nächste Album noch besser produziert ist, wird wahrscheinlich noch der Ruf des Ausverkaufs kommen, oder wenn wir bei einem größeren Label unterschreiben oder so. Aber nehmen wir mal an, Relapse würden uns ein Angebot unterbreiten, dann wären wir ja schon aus dem Underground raus. Aber im Endeffekt ist das ja scheißegal. Ich denke wir werden auch weiterhin hier in Essen in unserem kleinen Studio unsere Sachen produzieren.
In unserem letzten Gespräch hast du fallen lassen, dass das nächste Album thematisch anders werden soll. Das Sozialkritische war jedoch schon immer ein wichtiger Bestandteil bei euch, wo soll denn die Reise jetzt hingehen?
Das wissen wir selber noch nicht, und das ist auch das Gute daran. Christof hat schon ein paar neue Textfragmente gehabt, die aber sehr in die Richtung der Dinge gehen, die wir schon hatten, sprich Kritik an plastischer Chirurgie oder Körperveränderung, Titten vergrößern, Lippen aufspritzen, wo ich nach dem Durchlesen der Texte zu ihm sagte, das hatten wir alles schon mal. Er hat dann gemeint „stimmt, du hast recht“. Es wird jetzt natürlich nicht in eine ganz andere Richtung gehen. Es wird immer noch irgendwo beschreibend sein, von dem was man sieht, aber ich sag mal, diese ganze Konsum- und Werbeterror Geschichte und dieses sich-die-Titten-vergrößern-lassen-und-Lippen-aufspritzen zum Frühstück im Fernsehen ankucken haben wir jetzt schon genug kommentiert und lange genug den Zeigefinger erhoben. Wir haben für das nächste Album auch schon einen Song fertig, der heißt „Ich habe Verständnis“, haha! Wobei es auch wieder in die Richtung geht „Ich habe Verständnis dafür, bei McDonald’s für überteuerten Scheiß in der Schlange zu stehen“ aber dieses ganze Thema mit Schönheitswahn, Konsum- und Werbeterror hat sich auch irgendwann einmal ausgereizt. Wenn wir das auf der nächsten Platte noch mal machen würden, wäre es wahrscheinlich irgendwann einmal abgenutzt.
Wohin es aber geht, weiß keiner so genau. Wir haben aber noch ganz gut Zeit, um darüber nachzudenken, denn wir werden jetzt im Dezember ins Studio gehen und für ein, zwei 7″ Split Singles Songs aufzunehmen, die allerdings vom Sound her in eine ganz andere Richtung gehen werden. Das wird alles sehr roh sein und gar nicht so sauber produziert. Wenn ich mir eine Split Single von einer Grindcore- oder Death Metal Band hole, erwarte ich, dass da immer ordentlich Gas gegeben wird und der Sound in positiver Weise schön asozial klingt. Textmäßig haben wir allerdings noch nichts. Das nächste Album wird ja eine Coverplatte sein. Wir wollen im Sommer nächsten Jahres eine Platte veröffentlichen, auf der nur Coverversionen von deutschsprachigen Songs sind.
Also etwas im Stile von Napalm Deaths „Leaders Not Followers“?
Ja, aber es werden keine englischsprachigen Titel drauf sein. Wir suchen uns eben Bands aus, die uns vielleicht auch textlich beeinflusst haben. Wir werden so Sachen covern wie EA 80, Goldene Zitronen, Extrabreit, ich glaube ein Song von Hildegard Knef ist noch mit dabei. Dafür treffen wir momentan so die Auswahl, sprich da sind die Texte eben schon vorgegeben, sodass wir uns darüber keine Gedanken machen müssen. Ein vollständiger neuer Longplayer kommt wahrscheinlich Ende 2005, sag ich mal, und da kann man dann mal kucken, in welche Richtung das gehen wird.
Dann gebt ihr ja ganz ordentlich Gas! Erst die Split Singles, dann das Coveralbum und Ende nächsten Jahres gleich die neue Scheibe.
Ja, das ist erst mal so geplant, es kann sich natürlich alles noch verzögern. Aber was wir auf jeden Fall machen werden, ist ins Studio zu gehen und vier, fünf, sechs Songs aufzunehmen. Dann hätten wir eine Viertelstunde Material, die man dann auf zwei Split Singles mit anderen Bands verteilen könnte. Eine, das wissen wir schon definitiv, werden wir mit einer Grindcore Band aus Köln machen, die heißt Das Krill. Die sind allerdings wesentlich extremer als wir. Das sind Typen die wirklich noch ihre Vier- bis Achtspuraufnahmen rausbringen, sind aber sehr gute Freunde von uns. Sie sind aber, wie soll ich sagen… die sind richtig Grind! Das wird auf jeden Fall Anfang nächsten Jahres erscheinen und dann plant Bastardized, unser Label, noch eine Split, vielleicht mit einer größeren Band, also größer in der Szene, wo aber jetzt auch noch nichts Genaues feststeht. Wie gesagt, ist das Coveralbum dann für Sommer 2005 geplant, sodass es vielleicht noch vor der Festivalsaison erscheint. Dass Ende 2005 dann tatsächlich ein neues Album erscheint, ist zwar geplant, kann man aber jetzt noch nicht genau sagen. Man nimmt sich immer so viel vor, gerät dann aber allein bei den Aufnahmen schon unter Zeitdruck. Sodass wir vielleicht sagen, wir machen diese Coverplatte in sieben oder acht Tagen, brauchen dann im Endeffekt aber 14 bis 20 Tage. Oder wir brauchen zum Schreiben der Songs doch wesentlich länger. Wir planen halt nicht, es ist grob ins Auge gefasst. Aber man muss jetzt nicht anderthalb oder zwei Jahre warten, bis es tonträgermäßig ein neues Lebenszeichen von uns gibt.
Bei der Coverplatte wird es sich um deutsche Klassiker handeln, die ihr praktisch auf Grindcore vertont. Es soll aber keine Jux-Platte werden im Stile der Excrementory Grindfuckers, oder?
Ähm, nein… wir haben halt nicht so diesen Bierzelt/Torte-ins-Gesicht Humor. Da wird also nichts umgetextet, das sind Stücke, die wir schon im Original gut finden, und die nicht nur auf den Christof Einfluss hatten, was das Schreiben der Texte angeht. Wir werden die Musik schon auf JaKa umarrangieren müssen, die Texte werden aber die gleichen bleiben. Es werden Coverversionen sein, nur im JaKa-Style. Es wird jetzt aber nicht aus „Ein Freund, ein guter Freund“ „ein Grind, ein guter Grind“, wie es die Excrementory Grindfuckers machen. Wobei ich das jetzt nicht abwerten will. Das sind Freunde von uns, die sind prima in dem was sie machen, aber es wird bei uns in eine ganz andere Richtung gehen.
Letztes mal hast du ja schon gemeint, dass einige von euch gar keinen Metal- oder Grincore-Hintergrund haben. Wie kommt es dann, dass ihr ausgerechnet Grindcore spielt? Wollt ihr dem mit dem Coveralbum Rechnung tragen?
Wir sind schon alle mit Metal aufgewachsen, nur die songschreibende Fraktion bei JaKa hört mittlerweile kaum noch Metal. Wir sind aber mit Metal groß geworden und Christof kennt schon noch die ganzen Death Metal Sachen aus den 90ern. Ich bin halt in den 80ern mit recht viel Thrash Metal, Kreator und Slayer und so, groß geworden. Aber wenn ich Britpop höre, muss ich ja nicht unbedingt Britpop machen. Als sich Christof und Klaus damals getroffen haben, war es so, dass Christof da sein Double Bass Schlagzeug da stehen hatte. Obwohl er auch Easy Listening oder Zappa hört, ist er eben trotzdem kein begnadeter Jazz Schlagzeuger. Er kann ganz gut Double Bass spielen und kann seine zwei, drei Wirbel ganz gut, und das ist halt, was er kann. Und deshalb haben die beiden gesagt „ok, dann lass uns Grindcore machen“. Auf einem Achtspurgerät, weil sie gerade Bock drauf hatten. Man muss deshalb natürlich nicht den ganzen Tag so was hören. Christof ist sehr extrem, der hört Zappa, viel Easy Listening oder James Brown, auf der anderen Seite aber auch Dying Fetus oder Cephalic Carnage. Aber eben auch nicht ausschließlich und das Grind Zeug auch nur selten. Es ist einfach so, dass mir, um in einer Britpop Band zu spielen, die Stimme fehlt, und den anderen fehlt das musikalische Know-How, um beispielsweise in einer Jazz Band zu spielen. Und deshalb machen wir das, was wir können, oder glauben zu können. Und das ist die Musik, die wir schon damals in anderen Bands gemacht haben.
Mich hat nur der Spagat gewundert. Es scheint logischer zu sein, wenn man privat Death Metal oder Grindcore hört und sich dann beispielsweise in einem Chanson Ensemble austobt.
Da gab es auch mal eine Idee, die Klaus und Christof in den Anfangstagen hatten. Quasi so: das Schlagzeug spielt Blastbeats, darüber wird aber nur Akustikgitarre gespielt, dann noch ein Akkordeon dazu, und gegrunzt oder geschrieen wird auf französisch, und das ganze nennt sich dann „Chanson grinde“. Es ist bisher noch nicht zustande gekommen, aber es ist auch eine Sache, über die man mal nachdenken könnte.
Das wäre mit Sicherheit sehr interessant, vielleicht ja als Bonustracks für die Cover-CD, wer weiß?
Ja, man weiß ja nicht, wo JaKa in fünf oder sechs Jahren sind, ob es die Band überhaupt noch gibt oder ob sie dann noch so klingt. Möglich ist alles! Wenn du jetzt Bands wie Mister Bungle oder Fantomas kennst, da geht halt auch alles. Also abgesehen vom melodischen Gesang ist alles drin. Wenn wir jetzt auf der nächsten Platte ausufernde Cembalo-Passagen hätten, die eine Viertelstunde dauern, würden die Fans zumindest versuchen, es zu verstehen. Das ist immer das Gute: bei JaKa ist nichts unmöglich. Es geht alles, was außerhalb des Mainstreams liegt.
Um noch einmal auf die gesellschaftliche Komponente zurückzukommen: wenn ihr euch jetzt von der Sozialkritik entfernt, seid ihr eurer Zeit ja schon um einiges voraus. Gestern hab ich erst wieder in dieses RTL Dschungelcamp reingeschaltet. Und diese Werbe- und Konsumflut nimmt ja jetzt erst so richtig krasse Ausmaße an. Die Frage zielt jetzt darauf ab: man kann ja schon beobachten, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Das zeigt sich ja beispielsweise an Konsumtrends, dass der Premiumbereich stark zunimmt und auf der anderen Seite die Discounter ins Unendliche wachsen. In den Medien findet das ganze seine Fortsetzung: auf der einen Seite Promi-Shows, auf der anderen Seite Proleten-TV. Dienen die Armen jetzt wieder zur Belustigung der Oberklasse?
Ich denke, wenn es so ist, dann ist es auch schon immer so gewesen. Wenn du jetzt so ein Ding kuckst wie „Frauentausch“, wo irgendwelche Sozialfälle, also Mütter aus durch alle sozialen Netze gefallenen Verhältnissen, dann mit einer Familie tauschen, die in München Grunewald lebt, da ist das ja schon mit drin. Da werden ja arm und reich vermischt. Oder wenn du dir diese Dschungelcamp Geschichte ankuckst, das sind ja im Prinzip auch arme Menschen, B-Promis eben, ein Sammelsurium von Zweit- und Drittklassigem. Jemand, der Herausragendes leistet oder produziert, wird es gar nicht nötig haben, damit ins Fernsehen zu gehen. Das war das, was du letzte Woche meintest mit diesen 15 Minuten Berühmtheit und Andy Warhol.
Wenn du allerdings etwas Herausragendes leistest, musst du damit nicht ins Fernsehen gehen und du musst es nicht kommentieren. Ein gutes Beispiel ist Max Gold. Der hat lange Zeit für Titanic geschrieben und ist in meinen Augen ein sehr sehr begnadeter Schriftsteller und Autor. Er weigert sich, Interviews zu geben oder in Talkshows zu gehen, obwohl er es könnte. Weil er eben sagt, man sollte nicht mit dämlichen Interviewaussagen oder Selbstdarstellung vor seinem Werk stehen. Lass es Dschungelcamp oder Big Brother sein, das ist alles Selbstdarstellungszwang von für mich untalentierten Menschen. Ich denke, das hätte es früher, in den 70ern oder 80ern, auch gegeben, wenn es damals schon Privatfernsehen gegeben hätte. Heute kannst du dich durch 30, 40 Kanäle Scheiße durchzappen, denn diese Programmminuten müssen ja auch irgendwie gefüllt werden. Und jeder zweite Hohlkopf hat wohl schon mal bei Vera am Mittag rumgesessen.
Und gerade diese 15 Minuten Ruhm, oder was heißt „Ruhm“? Medienpräsenz halt…
…ja der „Ruhm“ ist für diese Leute ja, einmal in einem Studio Schwachsinn von sich zu geben für 150 Euro Gage und ne Nacht im ibis-Hotel mit Frühstück. Ruhm muss man auch immer relativ sehen. Ich glaube „Ruhm“ ist ja schon fast „Geld“.
Ja, das war gerade ein klassischer Versprecher. Diese 15 Minuten werden einem heute ja auch geradezu aufgedrängt. Ich war vorhin aufm Klo und da lag eine Zeitschrift rum, auf der vorne drauf stand „rtv Titelgirl gesucht – Der Siegerin winkt eine TV Karriere“. Man muss sich ja fast dagegen wehren, dass man nicht ins Fernsehen kommt.
Das merkt man zum Beispiel auch, wenn man hier in Essen die Einkaufsstraße runtergeht. Du kommst mindestens einmal pro Woche in die Bedrängnis, für einen Lokalsender oder sowas ein Statement abgeben zu müssen. Ich versuch das halt zum umgehen, oder man versucht halt, es zu ignorieren. Ich weiß nicht, ob ich es letztes mal schon erzählt hab, als ich vor zwölf Jahren das erste mal „Glücksrad“ gesehen hab, wo halt jemand Applaus gekriegt hat, weil er einen Buchstaben richtig geraten hat. Da dachte ich der Untergang der Kultur ist nahe. Aber zwei Wochen später findet man es gar nicht mehr so schlimm, weil man sich irgendwo dran gewöhnt hat. Das ist auch die Aussage des Songs „Es lernt sich von selbst“: man gewöhnt sich auch irgendwann an furchtbare und ekelerregende Sachen. Ich könnte zum Beispiel zuviel kriegen, wenn ich zum Frühstück sehe, wie sich Leute Fett absaugen lassen, weil das eben morgens schon läuft! Aber vielleicht kann ich in zwei, drei Monaten auch schon dazu frühstücken, weil es sich dann irgendwie normalisiert hat?
Noch eine Frage zu einem anderen Song: die Lyrics zu „Abflussbestattung“ sind ja geschwärzt. Worum geht es denn in dem Song, dass er derart zensiert werden muss?
In dem Song geht es darum, quasi einen Teenager in seine Wohnung zu locken, zu erschlagen, … oder ich weiß nicht ob es ein Teenager ist, es kommt halt die Zeile vor „Ich stopf dir deine gepiercte Durchschnittsfresse“, d.h. also jemanden zu erschlagen, ihn zu zerlegen, sich an seinen Leichenteilen zu vergehen, das heißt dann quasi „ich ficke Schlachtabfälle“, sie danach in der Badewanne mit Lösungsmittel zu zersetzen und dann in die Kanalisation zu entlassen. Der Text ist einfach sehr extrem und wir haben ihn wegen der möglichen Konsequenzen geschwärzt. Falls ihn jemals die BPjS oder sonst irgendeine Obrigkeit in die Finger kriegen sollte, könnten auch Bastardized gezwungen sein, die paar tausend CDs wieder einzustampfen.
Es war also eine selbstauferlegte Zensur?
Richtig! Es gibt aber auch genug Wahnsinnige, die sich den Text rausgehört haben bzw. ihre Version davon an den Christof gemailt haben. Ein Typ aus Mainz hat glaub ich bis auf drei oder vier Wörter alles rausgehört.
… was praktisch die Textstelle von „Du warst mein Ritalin“ widerlegt, dass man den Text ja eh nicht versteht…
Ja, sagen wir mal so, es gibt halt Leute, die sich den Song in 10-Sekunden-Passagen zigmal hintereinander anhören. Ich würde mir die Mühe nicht machen, aber anscheinend gibt es Leute, die daran interessiert sind. Eine andere Sache bezüglich des Textes, die Christof argumentiert hat, war, dass er selber zwei Brüder hat, die 14 und 15 sind, und selber in einer Death Metal Band spielen. Er fände es doof, denen gegenüber das rechtfertigen zu müssen, was er da niedergeschrieben hat.
Ist ja auch irgendwo nachvollziehbar! Letztes mal haben wir noch ein kleines Spiel gespielt, wo du zu einigen Begriffen spontane Assoziationen äußern solltest.
Ach ja! Warst du nicht derjenige, der in der Werbeagentur gejobbt hat?
Ja genau, das war ich…
…ok, sind es noch mal dieselben?
Nein! Ich hab mir was ganz neues überlegt! Und zwar ein Wunschkonzert. Du darfst mir jetzt eine Frage nennen, die du schon immer einmal gern beantworten wolltest.
Eine Frage, die ich schon immer einmal beantworten wollte? Ähm…. Eine gute Frage! Du warst aber nicht derjenige, der gefragt hat, wie eine Gesellschaft aussehen würde, die JaKa überflüssig macht?
Doch, die war von mir!
Das war die beste Frage, die bisher in einem Interview gestellt wurde!
Ok, du hattest jetzt eine Woche Zeit, um dir dazu eine Antwort zu überlegen!
Ich denke, dass es diese Gesellschaft nicht gibt. Es ist ähnlich wie mit dem Sozialismus: es liest sich gut, ist aber nicht durchführbar. Denn du wirst auf die Dauer keine Gesellschaft hinkriegen, in der es kein Geld gibt, wo es deshalb auch keinen Konsumzwang oder Produktwerbungsterror gibt. Und eigentlich ist das ja auch ok so, sonst gäbe es ja JaKa nicht. Und wenn es eine Gesellschaft gäbe, in der JaKa in dieser Form überflüssig wären, gäbe es JaKa wiederum in einer anderen Form, vielleicht was die Texte angeht.
Vielleicht als Coverband dann…
Genau, haha! Aber das war auf jeden Fall eine gute Frage! Ich hab danach auch direkt den Christof angerufen. Ich hatte an dem Tag auch noch ein paar andere Telefoninterviews und da kamen dann so Fragen wie „Ja, seit wann gibt’s euch denn?“ und „Wie kam’s zu dem Bandnamen?“ und das sind halt so Sachen, die schon in der Info, die die Plattenfirma mitgeschickt hat, erklärt wurden. Ich beantworte natürlich auch diese Fragen, denn es ist ja schön, wenn man Interviews geben kann, und den Leuten erzählen kann, was man so macht. Im Bezug auf den Bandnamen muss man das manchmal auch 50mal machen, aber es ist ok. Ich hab auch mal selber für eine Tageszeitung geschrieben und Interviews gemacht und da eben auch versucht, nicht die Allerweltsfragen zu stellen. Journalisten und Schreiberlinge fordern von einer Band immer Kreativität und Einfallsreichtum, und ich finde als Band kann man das dann wiederum von der schreibenden Zunft zurückfordern.
Das denke ich auch, wobei es auch immer darauf ankommt, ob man mit der Band etwas anfangen kann, die man interviewt.
Ja, der Idealfall ist natürlich, wenn du nur Bands interviewst, die du auch gut findest. Das geht natürlich nicht immer, aber wenn du dir mal die Interviews von Charlotte Roche auf Viva anschaust: die sind spitze!
Gibt’s die Charlotte eigentlich noch? Ich hab die schon ewig nicht mehr gesehen…
Ja, Fast Forward gibt’s wohl noch, kommt aber auch erst abends um elf. Auch wenn Charlotte Roche jetzt von der Person her nicht in mein absolutes Obersympathiebild passt, sind die Interviews, die sie macht aber immer gut! Sie hat sicher auch Bands, die sie null interessieren, lässt sich aber trotzdem immer interessante Fragen einfallen. Aber man kann sich auch über die banalste Frage nicht beschweren! Ja, ok, vielleicht schon, aber im Falle von JaKa, die ja noch ganz weit unten sind, und die noch relativ unbekannt sind, ist es auf jeden Fall ok, wenn jemand nachfragt.
Ich muss sagen, ich könnte mich noch stundenlang mit dir unterhalten…
… ja, man merkt das auch immer ziemlich schnell, ob da auch was kommt von der fragenden Person. Bei gewissen anderen Telefonaten war es dann halt auch so, da hast du zu Ende geredet hast und dann kam erst mal „ah, er hat zu Ende gesprochen“ und eine sechs Sekunden lange Pause, bevor dann die nächste Frage abgelesen wurde. Ich denke mir halt, wenn mir jetzt jemand was erzählt, dann versuche ich doch, daraus dann die nächste Frage zu formen! Und nicht dieses stumpfe Ablesen. Aber gut, vielleicht sind manche Leute auch nur etwas steif am Telefon oder ein bisschen unerfahren oder so, keine Ahnung. Aber das hier ist jetzt eines der wesentlich besseren Interviews!
Oh, danke für die Blumen! Das freut mich. Aber sonst hättest du wahrscheinlich auch kein zweites mal angerufen.
Auf jeden Fall, sonst hätten wir es auch per Mail machen können… Aber jetzt: Assoziationsspiel!
Möchtest du noch eins machen?
Ja, wenn du Sachen vorbereitet hast, gerne!
Ich hatte gedacht, dass ich die Frage dadurch ersetze, aber wir können das ja nächste Woche nach dem Konzert nachholen!
Ja, prima! Dann lass dir mal zehn brisante Begriffe einfallen!
Werd ich machen! Vielen Dank für das nette Interview und bis dann!
Keine Ursache, ich danke dir und wir sehen uns am Montag!
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