Lordi
Lordi
Interview
Die Monster sind zurück! Und das ist gut so. Nach dem Debüt "Get Heavy" (2002) haben die finnischen Monsterrocker Lordi gerade ihr zweites Album "The Monsterican Dream" veröffentlicht und wer den Zeiten von 80er-Helden wie Kiss, Alice Cooper, Twisted Sister und Co nachtrauert, der sollte in Lordi die passende Medizin gefunden haben. Von Kopie kann aber keine Rede sein. Obermonster Lordi – übrigens Vorsitzender des finnischen Kiss-Fanclubs – war auf Promo-Tour in Deutschland, um mehr von seinen ‚monsterican dreams’ zu erzählen.
Lordi und Albträume – das passt irgendwie zusammen. Was aber sind deine persönlichen Albträume?
Dass jemand meine Haare abschneidet, ich zu einem Vegetarier werden muss, jemand meinen ganzen Kiss-Kram klaut… Das schlimmste wäre, wenn ich nicht mehr sehen könnte, wenn ich blind sein würde. Das wäre verdammt hart. Du kannst immer noch Musik schreiben, auch wenn Du nicht mehr hören kannst, weil du dich damit auskennst, weil du Musik fühlen kannst… das wäre also nicht so hart als wenn ich mein Sehvermögen verlieren würde.
Lass und zum neuen Album kommen: Ich persönlich liebe Musicals und einige eurer Songs wie „Blood Red Sandman“ oder „The Children Of The Night“ haben für mich einen gewissen Musical-Touch.
Das ist ein guter und lustiger Gesichtspunkt. Du könntest Recht haben! Du bist wirklich die erste, die das sagt! Musical… hmm… Ja! Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht. Ich kann nicht wirklich sagen, dass ich Musicals mag, aber nur deshalb, weil ich noch keines gesehen oder gehört habe.
Ein Horror-Rock-Musical zu kreieren und die Texte dazu schreiben – wäre das nicht eine schöne Sache für dich?
In der Tat und es ist ziemlich lustig, dass du es erwähnst, da wir wirklich darüber gesprochen haben: Eine Show auf die Beine stellen, die vergleichbar mit einem Musical, einem Theaterstück ist. Aber nicht jetzt und nicht im folgenden Jahr. Aber irgendwann in einem oder mehreren finnischen Theatern. Ich denke, wir müssten etwas ‚In-Between-Material‘ schreiben, um es zwischen unsere Songs zu packen. Es müsste ein Skript geben, eine Story-Line und aufgrund dessen könnte es schon schwierig werden, all unsere Lieder dort hinein zu packen, aber es ist nicht unmöglich. Wir denken wirklich darüber nach!
„The Children Of The Night“ beginnt mit schönen Pianoklängen, „Magistra Nocte“ ist ein reiner Klaviersong – hast du diese Passagen geschrieben? Kannst Du also selbst Klavier spielen?
Nur sehr Schlecht! Aber „The Children Of The Night“ ist dennoch mein Lied. Wenn ich Songs schreibe, mache ich dies mit meiner Gitarre und benutze dann den Computer. Ich versuche mich am Keyboard, aber ich bin wirklich mies damit… Aber unsere Keyboarderin kann das natürlich sehr gut, gibt sogar Klavierunterricht. Sie nimmt also meine Keyboardpassagen, spielt und fragt: ‚Okay, so wolltest du es haben, oder?‘
Der Anfang von „Fire In The Hole“ ist großartig – ich mag ihn jedenfalls! Zu aller erst hat man den Eindruck, es sei einer von diesen Dark Wave- / Electro-Songs aus den 80ern… der Eindruck schwindet, wenn sich das Lied entwickelt, aber dennoch…
Stimmt und es gab sogar Leute, die haben gesagt, die ersten Takte klingen wie Abba. Ja, mit dem coolen Computer-Sound am Anfang klingt es nach den 80ern – da hast du Recht. Aber ich muss sagen, dass ich den 80er Jahre Hard Rock liebe – wäre auch sinnlos, es zu leugnen -, aber nicht die Synthie-Pop-Sounds aus der Zeit. Depeche Mode haben aber zum Beispiel natürlich gute Songs gemacht! Der Hard Rock Kram neigte eher dazu, fröhlicher zu sein, während die Pop-Seite eher melancholisch oder traurig war. Das war nie wirklich meine Musik.
Hattet ihr eine klare Vorstellung von dem Album, als ihr angefangen habt, an den Songs zu arbeiten?
Ja, wir hatten tatsächlich eine ziemlich klare Vorstellung dieses Mal. Aus diesem Grund wollten wir auch mit Hiili Hiilesmaa als Produzenten arbeiten. Er war sogar die erste Wahl für unser erstes Album gewesen, aber das hatte nicht geklappt. Wir wollten ihn, weil wir wussten, dass er ziemlich gut mit Computer-Kram, Loops, Synths und diesen Sachen umgehen kann. Wir wollten, dass das Album nach einem Film klingt… mit vielen Sound-Effekten usw. Ich denke das Ergebnis hört sich ziemlich genauso an, wie wir es haben wollten.
Es gibt eine limitierte Ausgabe dieses Albums, auf der auch ein Film zu finden ist – was ist das für ein Werk?
Es ist 30 Minuten lang. Der Film ist wirklich schwer zu beschreiben. Es ist ein surrealistischer, wirklich sonderbarer Film… es ist nicht einfach, die Story-Line wieder zu geben – man muss ihn einfach sehen! Er ist aber nicht wirklich für Kinder geeignet. Wenn man David Cronenbergs Filme kennt und mag, ist es eine feine Sache für einen und man versteht es sofort. Die anderen Bandmitglieder und ich sind in kleinen Rollen zu sehen, für wenige Sekunden hier und dort. Wir wollten es nicht so enden lassen wie einen Spice Girls-Film… Ich habe einige Story-Boards, die Special Effects und das Make-Up für diesen Film gemacht. Von mir kommt auch das Original-Skript – aber das hat sich natürlich im Laufe der Zeit ein bisschen gewandelt. Wenn man einen Film kreiert, ist es immer ein Kompromiss, weil einfach viele Leute involviert sind.
Arbeitest du immer noch als Maskenbildner und Special Effect-Experte?
Nein, dafür habe ich keine Zeit mehr. Es ist lustig… Ich habe jahrelang versucht, Jobs in dem Bereich zu erhalten, habe aber kaum welche bekommen. Gut, ich hab einiges hier und dort für TV-Werbung, Filme und Musikvideos gemacht, aber in Finnland gibt es keine große Nachfrage nach diesen Berufen. Aber jetzt, wo ich keine Zeit habe, ruft mich jeder an.
Dann ist es ja vielleicht das, was Du nach der Musik machen kannst., wenn Du Zeit für all die Angebote hast.
Vielleicht. Ich bin aber nicht wirklich gut darin, für andere zu arbeiten. Wenn mir jemand erzählen will, was ich zu tun habe, kommt bei mir eher so ein Gedanke wie ‚grrrrrrrrr‘ auf. Ich möchte es auf meine Art und Weise tun, ansonsten wird es für mich langweilig. So wie es jetzt ist, ist es besser für mich: Ich kann tun und lassen, was ich will!
Wenn wir „Get Heavy“ betrachten, können wir von einem Best Of Album der vorherigen Jahre sprechen. Wie ist es dieses Mal? Gibt es noch einige Songparts, die aus den 90ern kommen?
Ja! Ich glaube, das älteste Lied auf der neuen Platte ist „Wake The Snake“, das ursprünglich von 1991 ist – jedenfalls das Riff und der Chorus. Das Hauptriff in „My Heaven Is Your Hell“ ist von 1997, das von „Bring It On“ kommt ebenfalls aus etwa demselben Jahr. Wir haben soviel Material aus den vergangenen Jahren! Wenn man Songs schreibt und denkt, dass das eine Riff, welches einem gerade eingefallen ist, nicht wirklich gut ist, hört man sich die alten Demos an. Und manchmal findet man etwas: ‚Oh, hier ist ein gutes Riff. Das hatte ich schon total vergessen. Könnte es passen?‘
Inwiefern ist die Platte ein Bandalbum? Kommen alle Songideen von Dir und wie sind die anderen involviert?
Es ist wirklich ganz und gar ein Bandalbum! „Get Heavy“ war zwar auch eines, aber alle Songs kamen von mir, ich hatte alle geschrieben. Dieses Mal hat jeder von uns Lieder beigesteuert, aber das rührt nicht daher, dass wir entschieden hatten, jeder solle mindestens einen Song auf dem Album haben – nein, das kam einfach so. Wenn es ein guter Song ist, ist es ein guter Song und es ist egal, wer ihn geschrieben hat. Wir haben niemandem erzählt, nicht unserem Manager, nicht der Plattenfirma, wer welches Lied gemacht hat. Wir haben am Ende als Gruppe entschieden, welche Songs auf das Album kommen und glücklicherweise hat jeder etwas Eigenes drauf.
Wie sieht es mit den Lyrics aus? Ich denke mal, dass Du derjenige bist, der sie alle schreibt. Ist es so, dass du versuchst Texte zu schreiben, die in dieses Rock’n Roll-Hard Rock-Horror-Image hineinpassen oder…
Ja genau, ich schreibe die ganzen Texte und es ist dieses Mal tatsächlich so gewesen, wie du gesagt hast. Bei „Get Heavy“ waren es eher Heavy Metal-Hymnen. Es gab zwei Songs mit Horror-Storys („Not The Nicest Guy“, „Last Kiss Goodbye“) und ich liebe diese Lyrics einfach, da sie eine Story-Line haben und ich bestimmte Bilder in meinem Kopf hatte, was genau passiert. Ich dachte mir also, es könnte schön sein, dieses mal alle Lyrics in dieser Art und Weise zu schreiben. Einige sind dabei deutlicher als andere. Bei „Wake The Snake“ ist die Story-Line zum Beispiel nicht so klar ersichtlich, aber ich habe Bilder für das Booklet dazu gezeichnet, damit der Text besser verständlich ist. Meine ursprüngliche Idee war, für die gesamten Texte eine Art Comic zu zeichnen. Dann habe ich aber einmal überschlagen, dass jeder Song 20 bis 30 Textzeilen hat und wenn du dies in Comic-Form bringst, würden das mindestens drei oder vier Seiten sein. Und da wir 13 Songs haben, gäbe es ein 100seitiges Comicbuch zu dem Album. Ich hätte absolut keine Zeit gehabt, das alles zu malen… davon mal abgesehen, wie die Plattenfirma reagiert hätte… Aber es war eine nette Idee. Jetzt haben wir lediglich ein bis drei Bilder pro Song. Ich zeichne seit Jahren an einem kompletten Lordi-Comic-Buch, aber es ist immer noch eher eine Skizze. Aber wenn ich gerade so auf meinen Kalender schaue, habe ich erstmal leider keine Zeit, damit weiter zu machen.
Du hast Lordi als Soloprojekt gestartet. Das erste Demo stammt bereits aus dem Jahre 1992. Was waren anfangs deine Beweggründe?
Musik zu schreiben, die ich mag. Ich war Mitglied einer lokalen Band und konnte meine eigenen Songs bei den anderen nicht durchsetzen, weil sie der Meinung waren, meine Lieder seien zu einfach und zu blöd. Ich hatte keine Probleme damit, die Lyrics zu singen oder zu schreien und in dieser Band zu sein, aber ich wollte auch meine eigenen Songs haben. Ich fing an, mich zu langweilen und hab daher unter dem Namen Lordi begannen, Demos zu machen und diese zu Plattenfirmen zu schicken. Die ersten Versuche gingen eher in Richtung Industrial. Einer der Gründe dafür war, dass das ganze in den ersten Jahren ein Ein-Mann-Projekt war. Ich habe alles selbst gemacht!
Lordi gibt es seit mehr als zehn Jahren, dass Debüt kam aber erst 2002 heraus. Warum hat das so lange gedauert, gab es keine Plattenfirma, die Interesse hatte?
Sie waren interessiert, aber die beliebteste Antwort, wenn wir auf der Suche nach einem Deal waren, war entweder: ‚Die Musik ist gut, aber das Image ist dumm – wenn ihr das Image ablegt, könnt ihr unterschreiben‘ oder ‚okay, euer Image ist cool, aber ihr solltet Black Metal spielen’. Wir wollten weder das eine noch das andere. Wir haben dann Tonnen von Demos gemacht, an unseren Kostümen gearbeitet, mit dem Make-Up und den Masken experimentiert und Bandmitglieder kamen und gingen. Denn es ist natürlich so, dass die Leute es irgendwann satt hatten, immer noch keinen Deal bekommen zu haben. Ich habe einige Story-Boards und Maskenbildnerjobs gemacht, um Essen auf den Tisch zu bringen. Wir haben dann einfach weiterhin unseren Kopf gegen die Mauer gerammt und gehofft, dass diese eines Tages nachgibt und glücklicherweise waren es am Ende nicht unsere Köpfe, die zerbrachen – die Wand war weicher.
Musik und Image oder im Allgemeinen der visuelle Part sind zwei Sachen, die zusammen gehören. War es die Liebe für Horrorfilme, die Tatsache, dass du Maskenbildner und Special Effect Artist bist oder die Liebe für die 80er-Bands, die dich auf die Idee für das Lordi-Image brachten?
Selbstverständlich sind Kiss ein wichtiger Grund… Im Allgemeinen ist der Hintergrund zu unserer Musik und unserem Image der, dass dies die Dinge sind, die ich liebe: Horrorfilme, Monster und eben diesen melodischen Hard Rock!
Leider habe ich bisher noch keinen Eurer Gigs gesehen. Es muss eine Mischung aus Horror-Show, Rock’n Roll, Spaß und Unterhaltung sein.
Ja, ganz genau so!! In fast jedem Lied haben wir irgendeine Art von Theater-Darstellung in einem Part. Feuer, Pyros, unser Bassist schießt mit einer Schrotflinte aufs Mischpult und bringt es bei „Kalmageddon“ zum Explodieren, … Leider ist das alles recht kostspielig, aber wir möchten natürlich bei jedem Konzert die volle Show bringen. Es ist jedoch verdammt schwer, alleine fünf große Locations zu finden, in denen wir unseren Auftritt machen können.
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