Dark Tranquillity
Dark Tranquillity

Interview

Dark Tranquillity blicken zurück, und zwar auf 15 Jahre Karriere. Name dieser Retrospektive: "Exposures – In Retrospect And Denial", ein mit Raritäten, alten Demos und Livetracks voll gepacktes Doppelalbum. Grund genug also bei Gründungsmitglied und Gitarrist Niklas Sundin anzuklopfen und sich diesem Rückblick anzuschließen, den unausweichlichen Blick nach vorne natürlich inbegriffen.

Dark Tranquillity15 Jahre Dark Tranquillity. Klingt beeindruckend. Welche Gefühle beschleichen Dich, wenn du selbst deine Karriere Revue passieren lässt?

Ich weiß es nicht. Ich bin nicht der Mensch, der sich viel mit der Vergangenheit beschäftigt. Unsere alten Alben höre ich mir so gut wie nie an. Aber ich denke, dass ich sagen kann, dass wir stolz auf das sein dürfen, was wir bisher in unserer Karriere erreicht haben. Irgendwie ist es verrückt, aber irgendwie auch gut, dass wir immer noch dabei sind. Wir haben diese Band als Teenager mit einer einzigen Ambition geformt: um gute Musik zu schreiben, vielleicht ein Demo aufzunehmen und ein paar Gigs zu spielen.

Gibt es trotzdem Momente, die du liebend gerne noch einmal oder auf keinen Fall wieder erleben möchtest?

Von riesengroßen Fuckups sind wir glücklicherweise verschont geblieben, aber uns geht es wie jeder anderen Band, die genauso lange dabei ist. Auch wir haben schlechte Erfahrungen mit dem Music Business gemacht. Unsere erste 7“-EP wurde von einem 14-jährigen deutschen Kind herausgebracht. Diese Person hat uns ziemlich über den Tisch gezogen. Vergleichbares ist uns öfters passiert. Aber dies zu vermeiden, ist ziemlich schwer, wenn du eine junge Band bist. Heute haben wir ein Management, das sich um alle geschäftlichen Sachen kümmert und sie uns somit vom Leib hält. Eine riesengroße Erleichterung.

Was würdest du demnach jetzt an eurer Karriere ändern?

Ich möchte natürlich gerne das Geld zurück haben, das uns diese Leute gestohlen haben. Daneben fällt mir aber nichts ein, was anders hätte laufen sollen.

Bist du stolz, ein Mitglied der Band zu sein, die die Melodic Death Metal-Bewegung mitbegründet hat?

Absolut, aber über diese Tatsache denken wir nicht oft nach. Wir sind keine Millionäre, die in großen Anwesen mitten in der Landschaft leben. „Erfolg“ fällt im Bereich Death Metal immer sehr moderat aus. Uns folgen keine kreischenden Fans, wenn wir durch die Straßen laufen. Zum Glück!

Würdest du Dark Tranquillity immer noch als Melodic Death Metal kategorisieren?

Ehrlich gesagt ist mir das ziemlich egal. Ich kann perfekt damit leben, wenn jemand DT als Metal-Band bezeichnet. Nicht mehr, nicht weniger. Die gebräuchlichste Schublade für unsere Musik ist wohl Melodic Death Metal, wenn es sich um ein Werk wie „The Gallery“ dreht. „Projector“ oder „Haven“ passen aber zum Beispiel nicht mehr in dieses Schema.

Wie kam es zu „Exposures“? Haben euch die Fans solange gelöchert, bis ihr endlich das alte Material wieder veröffentlicht habt?

Ja, das ist der Hauptgrund. Wir haben Tonnen von Anfragen bekommen, wann es denn endlich die alten Demos auf CD geben würde und ob sie überhaupt nochmals erhältlich sein würden. Die meisten Leute, die uns heute hören, waren Anfang der 90er nun mal kein Teil der Undergroundszene. Also ist es nur fair, ihnen die Möglichkeit zu geben, diese Songs auch hören zu können.

Neben den alten Demos gibt es auch ein paar Songs aus den Aufnahmesessions zu „Projector“, „Haven“ und „Damage Done“ zu hören. Warum haben sie es nicht auf die jeweiligen Alben geschafft?

Das lag daran, dass wir einfach immer mehr Lieder aufgenommen haben, als letztendlich auf die Platte gepasst haben. Ein Album muss eine gute Balance und einen guten Rhythmus haben. Deswegen ist es nötig, manchmal ein oder zwei Tracks zu kippen. Selbige, die auf ihren angestammten Alben nicht funktioniert hätten, sind jetzt auf „Exposures“ vertreten. Ein Stück wie „In Sight“ hätte zum Beispiel das vorherrschende Tempo auf „Haven“ komplett gestört.

Gibt es da genaue Kriterien, nach denen ausgewählt wird? Ich denke, den Rhythmus eines Albums sieht jedes Bandmitglied anders, was heiße Diskussionen garantiert.

Das Wichtigste ist die funktionierende Struktur eines Albums im Ganzen. Die Running Order der Songs muss genau überlegt werden. Leider passiert es halt manchmal, dass ein sehr geiles Lied außen vor bleibt. Dass diesbezüglich die Meinungen aller Bandmitglieder auseinander gehen, ist selbstverständlich. Wir müssen immer eine Art Voting durchführen, weil manchmal der Song, den einer für den besten hält, beim nächsten in der Liste ganz unten steht und umgekehrt. Einige der Tracks auf „Exposures“ gehören sogar zu meinen Lieblings-DT-Stücken überhaupt. Sie sind jedoch alle etwas verschiedenartig, weswegen sie eben nicht auf die Alben gepasst haben.

Werden Songs wie „Static“ oder „Exposure“ Einzug in euer Liveset halten?

Darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht. Mir fällt aber auch kein Grund ein, warum wir sie nicht performen sollten.

Ihr habt kürzlich auf dem Rock Hard Festival gespielt. Wie war’s?

Super! Wir haben zum ersten Mal dort gespielt. Dieser Event war perfekt organisiert und wird uns im Gedächtnis bleiben. Die Reaktionen des Publikums waren großartig und wir selbst hatten viel Spaß daran, Bands wie Rage oder Metal Church live zu sehen. Immerhin gehörten sie zu unseren Einflüssen, als wir begonnen haben.

Wenn du Festivals und normale Clubgigs vergleichst, wo liegen für dich die Vor- und Nachteile?

Auf Festivals erreichst du viel mehr Leute, von denen dich vielleicht viele noch gar nicht kennen. Du musst also dein Bestes geben, um sie für Dich zu gewinnen. Leider ist nie Zeit für einen Soundcheck, weswegen das Risiko für technische Probleme immer sehr groß ist. Alles muss schnell gehen. Das ist bei kleineren Gigs nicht so. Diese sind intimer, was natürlich ein Vorteil ist. Aber andererseits spielst du dort vor Leuten, die dich und deine Musik schon gut kennen. Da ist die Herausforderung kleiner.

Warum habt ihr auf CD 2 von „Exposures“ die Audiospur eurer Live-DVD verbraten und nicht z.B. eine reguläre Best Of mit überarbeiteten alten Stücken rausgehauen?

Ich halte ein solches reguläres Best Of-Album für langweilig und mag solche Veröffentlichungen auch nicht sonderlich. Im Normalfall dienen sie nämlich nur dazu, dass die Plattenfirmen in der Zeit, in der die Band ihr neues Studiowerk produziert, noch ein wenig Geld einfahren können. Über diese Möglichkeit für die Nutzung der zweiten CD haben wir demnach überhaupt nicht nachgedacht, zumal wir inzwischen bei insgesamt drei Plattenfirmen unter Vertrag waren, was die rechtliche Seite merklich verkompliziert hätte. Die Livesongs waren somit die weit bessere Alternative.

Wenn ich Lieder wie „Yesterworld“ oder „Vernal Awakening“ höre, stellt sich unweigerlich ein nostalgisches Gefühl ein. Glaubst du, es ist möglich, dass DT wieder solche Tracks schreiben oder ein Album der Marke „The Mind’s I“ veröffentlichen?

Ich weiß es nicht. Um jetzt nur für mich zu reden: Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte zu versuchen, die Vergangenheit wieder ein wenig einzufangen. „Damage Done“ enthielt eine Menge an Einflüssen aus unseren frühen Tagen. Ich glaube aber auch, dass unsere Songs absolut kacke klingen würden, wenn wir sie gewollt auf alt trimmen würden. Es ist nicht unmöglich, dass wir noch ein Album herausbringen, dass nur mit harten, thrashigen Songs bestückt ist wie im Falle „The Mind’s I“, aber ihr müsst bedenken, dass wir dessen Stücke vor sieben bis acht Jahren geschrieben haben. Heute würden sie sich anders anhören.

Was hältst du von folgender These? Stagnation ist der Beginn des Rückschritts, aber eine Rückbesinnung auf die Wurzeln kann eine Evolution hervorbringen.

Das mag für manche Bands zutreffen. Aber innerhalb von DT diskutieren wir nie solche Dinge oder machen große Pläne im Vorfeld jedes Albums. Mit seiner Musik zuviel zu kalkulieren, birgt nämlich auch Gefahren. Deswegen versuchen wir, dies zu vermeiden.

Kannst du uns schon etwas über das neue Studioalbum verraten?

Das wirst du sehen, wenn es veröffentlicht ist. (lacht) Nein, ernsthaft. Ich möchte nicht zu viele Einzelheiten vorab verraten. Wir befinden uns im Moment in Verhandlungen mit diversen Plattenfirmen, weswegen wir noch nicht wissen, wann die Scheibe erscheinen wird. Alle Songs sind aufgenommen. Wir warten also nur noch auf das Ende der langweiligen, aber wichtigen geschäftlichen Dinge. Hoffentlich steht das Teil im Herbst in den Regalen.

Fühlt ihr immer noch denselben Hunger wie in „Skydancer“-Zeiten, wenn es an ein neues Album geht oder hat sich etwas Routine eingeschlichen?

Das erste Album wird immer etwas Besonderes bleiben, aber natürlich haben wir noch Feuer in uns. Wenn wir keine Hingabe mehr spüren würden, würden wir nicht mehr spielen. Ganz einfach. Wir verdienen als Band nicht so viel Geld, es ist mehr ein teures Hobby, das eine Menge Opfer fordert. Wenn wir also nicht mehr mit Herzblut bei der Sache wären, gäbe es uns nicht mehr.

Wie wir alle wissen, bist du neben DT noch ein erfolgreicher Cover-Designer. Nutzt du diese Tätigkeit auch, um von der Band abzuschalten?

Ich weiß nicht, ob ich dabei abschalte. Es ist einfach eine gute Sache für mich, dass ich die Möglichkeit habe, meine Kreativität auch neben der Musik auszudrücken und sie auf verschiedene Art und Weise nutzvoll anzuwenden.

Was sind die Unterschiede im kreativen Entstehungsprozess eines Bildes und eines Liedes?

Natürlich gibt es rein praktische Unterschiede, aber in der Gesamtheit gesehen sind es nur die verschiedenen zwei Seiten von ein und derselben Münze. Ich male schon genauso lange, wie ich Musik spiele, weswegen ich zwischen beiden Welten keinen Unterschied mache. Es geht im Prinzip nur darum, in einem kreativen Geisteszustand oder in einer kreativen Stimmung zu sein. Ob dies nun mit einem Musikinstrument oder mit einem Pinsel ausgelebt wird, macht keinen großen Unterschied. Das einzige, was beides verschieden macht, ist die Tatsache, dass Grafikdesigner mein täglicher Beruf ist und somit ein kommerzieller Aspekt dahinter steckt. Ich muss sicherstellen, dass ich eine bestimmte Zahl von Kunden im Monat glücklich mache, um die Band fortführen zu können, weil sie unabhängig ist. Was unsere Musik angeht, können wir machen, was wir wollen

Wenn du nur noch für eines Zeit hättest, wie würde deine Entscheidung lauten? DT oder Cabin Fever Media?

Eine schwere Frage, die ich unmöglich beantworten kann. Das würde von so vielen Dingen abhängen. Aber abgesehen davon: Ich halte es nicht für realistisch, dass diese Situation eintreten wird.

Wie sehen deine Ziele mit DT für die nächsten Jahre aus?

Das größte Augenmerk liegt erstmal darauf, einen neuen Plattenvertrag zu unterschreiben, um das neue Album so schnell wie möglich veröffentlichen zu können. Danach kommen natürlich die Touren und andere interessante Dinge. In der Zwischenzeit freue ich mich auf die Festivals in Griechenland, Finnland, Deutschland, Korea und Schweden, die für diesen Sommer gebucht sind.

Galerie mit 20 Bildern: Dark Tranquillity - Endtime Signals European Tour 2024 in Leipzig
28.06.2004

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