Fleshcrawl
Fleshcrawl

Interview

Lange hat es gedauert, bis Deutschlands schwedischste Deather Fleshcrawl mit "Made Of Flesh" den Nachfolger zu "Soulskinner" präsentieren konnten. Eine Zeit, in der viel passiert ist: persönliche Probleme, Besetzungswechsel, viele Touren, u.a. auch in Japan. Um mal ein wenig Licht in die letzten Jahre zu bringen und nebenbei noch mit einem politischen Missverständnis aufzuräumen, stand mir Gitarrist Mike Hanus zu einem Plausch zur Verfügung.

FleshcrawlKommen wir gleich aufs neue Album zu sprechen. Was waren die Gründe für die lange Pause zwischen „Soulskinner“ und „Made Of Flesh“?

Uuhh, lange Zeit!? Gute Frage!? Die Zeitspanne bis zur Veröffentlichung von „Made Of Flesh“ war eigentlich auch nicht groß länger als sonst. Nachdem „Soulskinner“ veröffentlicht wurde, gingen wir erstmal für einen Monat mit BOLT THROWER auf Europa-Tour. Außerdem spielten wir ein paar Headliner-Shows, das Wacken Open Air und das Westfalen-Festival. Ende des Jahres 2002 waren wir noch mit HYPOCRISY in Japan auf Tour. Ein paar Monate nach der Tour mit BOLT THROWER verließ mich plötzlich meine damalige Freundin von heute auf morgen, mit der ich 8 Jahre zusammen war. Ich fiel in ein ziemlich tiefes mentales Loch. Ich hatte plötzlich nicht nur eine nette, hübsche Frau verloren, mit der ich eine tolle Beziehung hatte, sondern somit auch „meinen besten Freund“. Die Zeit nach dieser Trennung war die Hölle und ich konnte einfach nicht mehr abschalten, hatte keinen guten Schlaf, war unkonzentriert und ständig irgendwie schlechtgelaunt & fucked up drauf. Demzufolge hab ich mir oft die Kanne gegeben, um nicht ständig deprimäßig unterwegs zu sein. Aber irgendwann kam der Punkt, wo ich merkte, dass ich mich auf Dauer so nur noch mehr kaputt machte und mir auffiel, dass ich, wenn ich jetzt nicht meinen Arsch hochbekomme, damit auch noch meine Band, die mir sehr viel bedeutet, und alles, was wir uns mit FLESHCRAWL über die Jahre hart erarbeitet hatten, zerstöre. Somit startete(n) ich/wir erst richtig mit dem Songwriting für „Made of Flesh“ nach der Japan-Tour durch. Davor hatte ich einfach wirklich keinen Kopf dafür. Ja, das ist die Wahrheit. Und eine Killerplatte zu komponieren, dauerte dann einige Monate. Aber der Zeitaufwand hat sich gelohnt, wir sind wirklich sehr glücklich mit dem Endergebnis von „Made Of Flesh“.

Das Album ist jetzt schon ein paar Wochen auf dem Markt. Wie läuft der Absatz?

Ich kann Dir momentan noch nichts Genaues zu den Absatzzahlen sagen, da ich sie selber leider noch nicht weiß. Bisher hat auf jeden Fall noch niemand von unserem Label Metal Blade angerufen und sich beschwert. Also sollte alles im grünen Bereich sein!? Ich denke, die Scheibe läuft soweit sehr gut.

Mein Review-Teasersatz lautete: Weniger Geschwindigkeit + mehr Atmosphäre = mehr Hits. Ja oder nein?

Schwere Frage! Könnte man vielleicht mit „Jein“ beantworten. Generell legen wir immer sehr viel Wert auf eingängige Riffs/Melodien, egal ob es ein schneller Song oder was im Midtempo-Bereich ist.

Was sind die Gründe für die größer gewordene Abwechslung in euren Songs?

Das hat sich eher zufällig so ergeben. Wir haben keinen 100%igen Plan im Kopf, wenn es ans Komponieren neuer Songs geht. Nur eines steht für uns an erster Stelle: FLESHCRAWL ist 100% crushing swedish-styled Death Metal und so sollen/müssen auch die neuen Songs werden. Musikalisch und textlich. Da machen wir keine Kompromisse!

Ihr habt eine Besetzungsänderung zu verkraften gehabt. Dein Bruder und Gründungsmitglied Stefan Hanus ist ausgestiegen. Warum?

Er möchte in Zukunft seine Freizeit einfach anders gestalten können. Stefan hat einige größere Reisen vor. Er war erst für einen Monat in Neuseeland unterwegs. Trotzdem ist er nach wie vor ein großer Metal-Fan. Außerdem hilft er uns bei organisatorischen Dingen weiterhin aus, wie z.B. der graphischen Gestaltung des CD-Booklets, buchführungstechnischen Sachen und auch beim Erstellen der Merchandise-Druckvorlagen. Er ist gelernter Schriftsetzer. Das hat natürlich für uns den Vorteil, dass wir somit wirklich Einfluss auf diese Dinge haben und wir die totale Kontrolle in unserer Hand haben. So etwas ist immer ein Pluspunkt.

Ersatz ist Oliver Grbavac, der seit dem WOA 2002 schon live mit euch unterwegs ist. Inwieweit hat er sich nun ins Songwriting mit eingebracht?

Dadurch, dass wir mit dem Songwriting erst intensiv nach der Japan-Tour angefangen hatten, war Olli somit direkt von Beginn an in das Komponieren der neuen Tracks involviert. Er hatte echt einige Killer-Riffs am Start. Olli weiß schon, welches Material genau zu FLESHCRAWL passt und welches nicht. Das ist sehr wichtig!

Hat sich dadurch eure Arbeitsweise in irgendeiner Form geändert?

Nein, eigentlich nicht! Wir gehen an das Songwriting wie immer heran. Die meisten Riffs/Melodien werden daheim geschrieben und anschließend verarbeiten wir das Material zu Songs. Erst danach werden die Lyrics dazu geschrieben.

Produktionstechnisch konntet ihr im Vergleich zu „Soulskinner“ noch eine Schippe drauflegen, ohne das Studio gewechselt zu haben. Wie kommt’s?

Der Hauptgrund wird wohl u.a. der längere Studioaufenthalt gewesen sein. Wir steckten diesmal einiges an Zeit in den Gitarrensound. Der ist diesmal wirklich megafett geworden und klingt trotz mächtiger Distortion sehr transparent. Außerdem hatten wir somit auch mehr Zeit, um intensiver an den Feinheiten/Details der Songs arbeiten zu können. Und diese sind im Endeffekt sehr wichtig, wenn man eine Top-Produktion abliefern möchte. Ja, wir sind mit den „Made Of Flesh“-Recordings sehr zufrieden. „Made Of Flesh“ killt einfach!

Auf was ist der Titel „Made Of Flesh“ bezogen und was soll er aussagen? In Verbindung mit dem Cover könnte man ein wenig auf die thematisierte Vergänglichkeit des Menschen schließen? Oder geht es einmal mehr einfach nur um Death-Metal-typische Inhalte wie auf den letzten Alben?

Der Titel ist eigentlich auf nichts Spezielles bezogen. „Made Of Flesh“ ist eher ein „Wortspiel“, wie z.B. „Made in England“ oder „Made in was weiß ich!?“, wenn Du verstehst!? Der Albumtitel „Made Of Flesh“ bedeutet eher „Death Metal MADE OF FLESHCRAWLs Hand“. Auch textlich handelt das Ganze wieder von den typischen Death Metal-Inhalten.

Wieso spielt das Wort „Flesh“ eine so große Rolle in euren Texten? Es taucht in eurem Bandnamen auf, jetzt im Albumtitel, in zwei Songtiteln des neuen Werks und mit „Carved In Flesh“ auch auf „Soulskinner“.

Kein Ahnung, ha ha! Das Wort „Flesh“ hört sich einfach gut an und passt hervorragend zu den Death-Metal-Lyrics. Übrigens, wir haben auch noch auf unserem Debütalbum einen Song mit dem Namen „Festering Flesh“.

Bei unserem letzten Interview hattest du eine Danzig-Coverversion in Aussicht gestellt. Warum ist daraus nichts geworden bzw. gar kein Cover auf „Made Of Flesh“ gelandet?

Es hat sich einfach so ergeben. Jeder in der Band hat da immer so seine Favoriten, was das Covern von bestimmten Bands angeht. Wir sind diesbezüglich recht spontan und haben auch diesmal wieder einen Coversong aufgenommen, von der Band THE FOUR HORSEMEN. Der Track heißt „Rockin‘ Is My Business“. Kommt ziemlich fett rüber! Diesen Song haben wir aber nur für einen eventuellen offiziellen Japan-Release mit aufgenommen. Wir werden ihn aber irgendwann auf unserer Homepage (www.fleshcrawl.de) zum Download zur Verfügung stellen.

Ihr wart gerade zum wiederholten Male mit Six Feet Under auf Tour? Versteht ihr euch so gut?

Ja, wir verstehen uns wirklich gut mit den SFU-Jungs. Aber das hat sich zufälligerweise so ergeben, dass wir mit ihnen wieder unterwegs waren. Die Tour war auf jeden Fall der Hammer! Es hat uns wirklich gefreut, dass soviele Leute zu den Shows kamen.

Dadurch, dass noch Criminal mit an Bord waren, konnte man direkt von einer Metal Blade Family Tour sprechen. Wie ist eigentlich generell der Zusammenhalt unter Labelkollegen? Gibt es so etwas wie Eifersüchteleien, weil der eine vielleicht etwas mehr Promotion abbekommt als der andere?

Metal Blade hat ja einige Bands, weswegen wir logischerweise nicht alle davon persönlich kennen. Mit CRIMINAL haben wir uns auf jeden Fall auch bestens verstanden, wirklich nette Kollegen. Aber von Eifersüchteleien kann keine Rede sein.

Im Zuge der „Soulskinner“-Veröffentlichung wart ihr als Support von Hypocrisy in Japan unterwegs. Was habt ihr dort für Erfahrungen gesammelt?

Die Tour war wirklich geil! Wir spielten dort in den ganzen großen Städten. Es ist da drüben schon irgendwie eine ganz andere Kultur. Es war im Allgemeinen eine sehr interessante Erfahrung dort zu spielen und wir hatten auf jeden Fall viel Spaß! Wäre schön, wenn wir dort mal wieder hinkommen würden.

Es heißt ja immer, die japanischen Fans seien fanatischer als die europäischen. Stimmt das?

Jein! Es gibt immer solche und solche Fans. Aber die Stimmung auf den Konzerten war in Japan immer sehr gut. Und es gab dort auch einige „verrückte“ Autogrammjäger, die schon mittags an den Clubs oder an unseren dortigen Hotels abhingen. Ja, Japan war schon cool.

Wo wird man euch dieses Jahr so zu Gesicht bekommen, sowohl als Musiker als auch als einfacher Festivalbesucher?

Momentan sind wir bereits für das Summer Breeze (D) und Kaltenbach (A) Open Air bestätigt. Mal schauen, was sich in den nächsten Wochen/Monaten vielleicht noch ergibt. Beim Summer Breeze werden wir zusätzlich auch noch auf der Warm-up Show als Headliner spielen. Ich bin höchstwahrscheinlich auf dem Bang Your Head anzutreffen. Das ist ja nicht so weit weg von uns und ich sehe wieder einige Kollegen. Da wird dann ordentlich abgefeiert! Die meisten Bands sagen mir auf dem Festival zwar nicht so zu, aber schon allein wegen der Party wird´ es dort bestimmt wieder gut.

Fast kein Review über euch kommt ohne Querverweise auf schwedische Bands aus. Edge Of Sanity werden dabei auch oft genannt. Wie findest du es, dass sie wieder ein Comeback gestartet haben?

Du meinst das neue EDGE OF SANITY Album „Crimson II“. Gefällt mir gut, wobei ich aber deren „Purgatory Afterglow“ oder das geniale „The Spectral Sorrow“ bevorzuge. Aber so etwas ist immer Geschmackssache.

Was fällt dir zu den Stichworten „Legacy-Interview“ und „Edmund Stoiber“ ein? Möchtest du evtl. etwas richtig stellen? Meines Wissens nach sind Fleshcrawl nämlich keine Bayern.

Diese „Anspielung“ vom Legacy war eindeutig darauf bezogen, dass FLESHCRAWL ihren Hauptsitz in Bayern haben. Basti (Herzog, Drummer; Anm. d .Verf.) und ich wohnen in Bayern. Aber bei den Städten, in denen wir wohnen, ist der jeweilige Nachbarort schon Baden-Württemberg. Die anderen drei kommen aus Baden-Württemberg – Sven (Groß, Vocals; Anm. d. Verf.) aus Aalen, Tobs (Schick, Bass; Anm. d. Verf.) aus Laupheim und unser „neuer“ Gitarrist Olli aus Friedrichshafen. Ansonsten kann ich nichts dazu sagen oder mir vorstellen, was der Schreiberling vom Legacy sonst damit gemeint haben könnte. Bandtechnisch haben wir auf jeden Fall nichts mit Politik am Hut!

Vor 2 ½ Jahren hast du auf meine Frage nach der Zukunft von Fleshcrawl geantwortet, es gehe immer weiter aufwärts. Hält dieser Aufwärtstrend weiter an? Wie weit wollt ihr kommen?

Bisher läuft eigentlich alles Bestens und außerdem machen wir keine Rückschritte, seit wir bei Metal Blade Records unter Vertrag sind. Wie weit wir kommen bzw. noch kommen werden, das wird uns die Zukunft zeigen. Da lassen wir uns selbst überraschen. Wir rocken auf jeden Fall mächtig weiter ab, weil es uns Spaß macht!

Das wollen wir auch hoffen!

Galerie mit 12 Bildern: Fleshcrawl – 2024 in Saalfeld
22.03.2004

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