Nightwish
"Decades: Europe 2018"-Tour in Berlin
Konzertbericht
In Frühjahr brachten NIGHTWISH mit „Decades“ ein Best-of-Album auf den Markt, das unseren Rezensenten zur Höchstpunktzahl verzückte. Zu finden sind darauf neben einigen Klassikern der letzten paar Alben auch viele wirklich alte Schinken. Gerade diese sind es aber, die bei den Fans der ersten (oder vielleicht zweiten) Stunde bis heute Gänsehaut und Nostalgiegefühle auslösen. Die „Decades: Europe 2018“-Tour steht – wie der Name schon sagt – ganz im Zeichen des aktuellen Best-of-Albums und verspricht daher schon im Voraus, ebenso mit einem echten Retro-Set aufzuwarten.
Als wir kurz nach 19:00 Uhr an der Max-Schmeling-Halle ankommen, geht es am Einlass recht entspannt zu. Das Berliner Publikum ist wie üblich unaufgeregt und bewegt sich gemütlich, aber zielstrebig auf seine Plätze zu. Die oberen Ränge der rund 12.000 Besucher fassenden Halle bleiben an diesem Abend abgehängt. Die unteren Ränge und der Innenraum werden sich noch gut füllen, wirklich eng wird es aber nicht mehr. Um die 8.000 Besucher dürften es aber sein und aus Insiderkreisen hört man sogar von Rekordverkäufen in anderen Städten, meist in Osteuropa.
Fotos von Andrea Friedrich
BEAST IN BLACK
Galerie mit 26 Bildern: Beast In Black - Decades: Europe 2018 Tour in Berlin
Für 19:30 ist das Set des BATTLE BEAST-Ablegers BEAST IN BLACK angesetzt. Mit erst einem Album („Berserker“) eine recht junge Band, deren Mitglieder aber allesamt auf zahlreiche Ex-Projekte und eine entsprechende Bühnenerfahrung zurückblicken. Mit nur einigen Minuten Verspätung geht das Intro los, das sich als „Night Crawler“ von JUDAS PRIEST herausstellt. Kult-Stücke bekannter Bands als Intro zu nutzen, hat sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Zug entwickelt. In diesem Fall haben sich BEAST IN BLACK ein Stück ausgesucht, das als Textzeile „Beware the beast in black“ enthält und sich deshalb natürlich besonders anbietet. Den Song allerdings in voller Länge, immerhin 5:44, zu spielen, hätte vielleicht nicht sein müssen. So ist es 19:39 als BEAST IN BLACK sich endlich persönlich auf der Bühne zeigen.
Mit dem Song „Beast In Black“ gehen sie direkt in die Vollen, um das teils noch skeptische NIGHTWISH-Publikum für sich zu gewinnen. Das gelingt ihnen auch schnell, wie sich wenig später zeigt, als bereits während des ersten Stücks fleißig mitgeklatscht wird. Es ist vor allem die energiegeladene Performance der Musiker, die dazu beiträgt, dass auch das Publikum rasch anfängt, seinem Bewegungsdrang nachzugeben. Immer wieder wechseln die drei (Bass)-Gitarristen die Positionen oder kommen zusammen, um kleine, durchsynchronisierte Choreografien darzubieten. Sänger Yannis Papadopoulos wirkt dagegen fast ein wenig statisch und durch seinen langen, schweren Mantel auch stark in seinen Bewegungen eingeschränkt.
Musikalisch können BEAST IN BLACK vor allem durch ihre handwerkliche Umsetzung punkten. Da sitzt wirklich jedes Solo, der rhythmische Unterbau stimmt und die Drums hämmern die Stücke unablässig vorwärts. Der Stil hingegen ist natürlich Geschmackssache. „Eternal Fire“ klingt wie ein Abklatsch von „Final Countdown“ gepaart mit mittelmäßigem Heavy Metal. Allgemein dominiert der Kitsch, vor allem wegen der omnipräsenten Synth-Einlagen im 80er-Jahre-Stil. Hinzu kommt die doch etwas eigenwillige Stimme von Yannis, die nicht immer den passenden Ton trifft und einem nach kurzer Zeit bereits gehörig auf die Nerven geht. Das Konzept, das bei BATTLE BEAST voll aufgeht, schießt bei BEAST IN BLACK insgesamt leider am Ziel vorbei. Sicher nicht zuletzt deshalb, weil ihnen die Selbstironie zu fehlen scheint, die ihre Kollegen besitzen.
Setlist:
1. Beast In Black
2. Eternal Fire
3. Blood Of A Lion
4. The Fifth Angel
5. Born Again
6. Ghost In The Rain
7. Crazy, Mad, Insane
8. Blind And Frozen
9. End Of The World
NIGHTWISH
Galerie mit 27 Bildern: Nightwish - Decades: Europe 2018 Tour in BerlinEin schwarzer Vorhang senkt sich herab, nachdem BEAST IN BLACK die Bühne geräumt haben und es an den Aufbau für NIGHTWISH geht. Die vergleichsweise lange Umbaupause gibt allen reichlich Zeit, sich mit neuen Getränken zu versorgen und die Vorfreude noch ein wenig weiter anwachsen zu lassen. Als der Vorhang dann fällt und das Intro beginnt, bietet sich der Menge der Blick auf eine gigantische LED-Leinwand. Es ist jedoch kein normales Intro, beziehungsweise noch nicht das eigentliche. Was wir nun miterleben, ist nämlich eine Anti-Smartphone-Ansage bestehend aus einem entsprechenden Icon auf der Leinwand und einer Ansage vom Band, die unter anderem intoniert: „Let’s all say no to digital slavery!“ Umso ironischer ist es dann, mit anzusehen, wie Leute im Publikum ebenjene Botschaft auf ihrem Handy mitfilmen – so wie beispielsweise der Herr mit Hipsterbeutel direkt neben uns.
Das eigentliche Intro ist dann „Swanheart“, dargeboten von Troy Donockley. Dabei ist das Orignalcover (nicht das Reissue-Cover!) von „Oceanborn“ im Hintergrund zu sehen. Weiter geht es danach mit „Dark Chest Of Wonders“, das wie eh und je mit Feuersäulen eingeläutet wird und zu dem der Rest der Band mit phrenetischem Jubel auf der Bühne willkommen geheißen wird. Es zeigt sich direkt, dass NIGHTWISH es mal wieder geschafft haben, bei ihrer Show einen draufzusetzen. Ein klein wenig Ironie ist aber trotzdem dabei, wenn man bedenkt, dass das „Mehr“ an audiovisueller Verzahnung die LED-Leinwand ist, die schließlich auch wieder ein modernes, digitales Medium ist. Also genau das, wogegen im Vorfeld noch propagandiert wurde. Es gab Zeiten (Mitte der 2000er), da gab es bei NIGHTWISH noch künstlichen Regen oder Schnee, alles IRL (in real life). Aber wir wollen hier ja nicht kleinlich sein. Die Wirkung ist jedenfalls fett.
Mit „Wish I Had An Angel“ bleiben wir bei den neueren Alben, um dann mit „10th Man Down“, „Come Cover Me“ und „Gethsemane“ ganze 17 bis 20 Jahre in der Bandgeschichte zurückreisen. Einige dieser Stücke hat man – wenn überhaupt – wohl zuletzt zu den Zeiten von Tarja Turunen live erleben dürfen. Sie nun mit Floor Jansen zu hören, stellt mal wieder unter Beweis, wie perfekt ihre Stimme zu NIGHTWISH passt. An dieser Stelle muss aber auch die kraftvolle und sonore Stimme von Marco Hietala ihre Erwähnung finden, denn die beiden ergänzen sich ganz formidabel. Dass es noch weitere sehr alte Stücke in der Setlist geben wird, lässt Floor dann in einer Ansage verlauten, in der sie von einer „ride down memory lane“ spricht und ankündigt: „it’s a bumpy one!“
Damit kann unter anderem das Wechselbad der Gefühle gemeint sein, das NIGHTWISH an diesem Abend noch in all jenen auslösen werden, die die Band schon seit ihrer früheren Karriere begleiten. Musik ist schließlich ein mächtiger Katalysator für die Erinnerungen und Emotionen, die man mit ihr verbindet. Bei Songs wie „Dead Boy’s Poem“ kommt dann noch die schwermütige Grundstimmung hinzu, die das Stück innehat, sodass der ein oder andere spätestens bei dem sehnsuchtsvollen Solo, das Empuu Vuorinen kredenzt, sicher mit etwas Pipi in den Augen zu kämpfen hat. „Elvenpath“ erinnert wiederum an die absolute Absurdität der frühen NIGHTWISH-Texte, über die man heute auch gerne mal lachen kann.
Die zweite Hälfte des Sets steht aber wieder im Zeichen des Epischen („Nemo“, „The Greatest Show On Earth“, „Ghost Love Score“), des Tanzbaren („I Want My Tears Back“, „Amaranth“) und des Harten („Devil & The Deep Dark Ocean“, „Slaying The Dreamer“). Von Müdigkeitserscheinungen ist bei NIGHTWISH nichts zu sehen. Mastermind Tuomas Holopainen sieht mit seinem Zylinder zunehmend wie ein verrückter Organist aus, wie er da so auf sein Keyboard einschlägt. Eine kleine Verschnaufpause bietet ihm da das Piano-Intro zu „The Greatest Show On Earth“. Dieses Stück hat das Zeug, nicht nur das Highlight des Live-Sets zu sein, sondern das der ganzen Schaffensgeschichte von NIGHTWISH. Zusammen mit „Ghost Love Score“ stellt es die letzte halbe Stunde des Sets und bietet dem Publikum ein geradezu ekstatisches Hörerlebnis.
Mit einem roten Konfettiregen, einem flammenden Finale und der Stimme von Richard Dawkins, die das Ende von Darwins „The Origin Of Species“ und den Anfang von Dawkins eigenem Werk „Unweaving The Rainbow“ zitiert, entlassen NIGHTWISH ihr Publikum dann in die kühle Novembernacht. Das allerdings nicht, ohne sich noch mal richtig feiern zu lassen.
Setlist:
Intro + Swanheart
1. Dark Chest Of Wonders
2. Wish I Had An Angel
3. 10th Man Down
4. Come Cover Me
5. Gethsemane
6. Élan
7. Sacrament Of Wilderness
8. Dead Boy’s Poem
9. Elvenjig + Elvenpath
10. I Want My Tears Back
11. Amaranth
12. The Carpenter
13. The Kinslayer
14. Devil & The Deep Dark Ocean
15. Nemo
16. Slaying The Dreamer
17. The Greatest Show On Earth (Chapter I, II, III)
18. Ghost Love Score
Outro: The Greatest Show On Earth (Chapter IV, V)
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Nightwish und Beast In Black auf Tour
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