Exodus
Exodus
Interview
Das Warten für alle Jünger des wahren Bay Area-Thrash hat ein Ende. Das Comebackalbum von Exodus namens "Tempo Of The Damned" steht in den Läden. Man muss wahrlich den Hut ziehen vor den Jungs. Eine saftige Old-School-Breitseite, die nahtlos an ihre früheren Glanztaten anknüpft, hat die Mannschaft um Drummer Tom Hunting hier serviert. Jener stand mir, verständlicherweise gut gelaunt, für ein Interview zur Verfügung. Lest selbst, was er zur neuen Scheibe, zum momentanen Exodus-Feeling und auch zu einigen unerfreulicheren Dingen zu sagen hatte.
Hi Tom! Wie fühlt es sich an, wieder zurück im Geschäft zu sein?
Großartig, Mann! Wir arbeiten fokussierter denn je. Wir haben ein starkes Album am Start. Es wird ein Jahr voller guter Dinge werden.
Was war der Auslöser für euer Comeback?
Unser Blick wurde mehr denn je aufs Ziel gerichtet, wir machten Schluss mit den Drogen, ließen das Selbstmitleid nach Paul Baloffs Tod hinter uns. So kamen wir wieder zusammen und es war unausweichlich, dass wir wieder etwas machen würden.
Als ich „Tempo Of The Damned“ zum ersten Mal gehört habe, war ich sehr über dieses greifbare Old-School-Flair überrascht gewesen. Hattet ihr selbst solch ein Feeling vor den Aufnahmen erwartet?
Im Prinzip schon, denn wir klingen nun mal, wie wir klingen. Es ist halt „Old School with some new shit in it“. Wir sind, wer wir sind. Wenn andere Bands nach ihren Reunions den moderneren Weg einschlagen, müssen wir das nicht auch tun.
Lass uns über ein paar Songs reden. An welche Leute ist „Blacklist“ adressiert?
An Leute, die lügen und betrügen. Eigentlich an Leute, die von Natur aus Ärsche sind. Diese Liste wird mit jedem Tag länger und länger.
Was hat es mit „Shroud Of Urine“ auf sich? Ich wage zu bezweifeln, dass es nur ein Lied über genannte Flüssigkeit ist.
Das hat Gary (Holt, Gitarre, Anm. d. Verf.) geschrieben. Es geht um das Christentum. Er ist Atheist. Es dreht sich um Angelegenheiten der Kirche, die bei ihm sehr ins Persönliche hineingehen.
Was wollt ihr durch das coole Wortspiel „Scar Spangled Banner“ ausdrücken? Hat dies mit dem ganzen Patriotismus zu tun, der in Amerika nach dem 11.9. aufgelebt ist?
Im Grunde genommen richtet es sich nur gegen unsere Regierung. Auf diese Kriegstreiberei haben wir keinen Bock. Unsere Leute sollen endlich raus aus dem Irak, bevor sie dort getötet werden. Wir haben diesen gottverdammten Krieg gewonnen, aber jetzt sollen die Leute dort schauen, was sie aus ihrem Land machen. Wir haben selbst genug innenpolitische Probleme, die gelöst werden müssen. Nichtsdestotrotz lieben wir unser Land, sind also auch Patrioten. Wir haben nur etwas gegen die Sichtweisen und den Glauben der Regierung, die die Worte ‚Krieg‘ und ‚Gott‘ innerhalb eines einzigen Satzes verwendet. Das kann nicht sein.
Und da soll mal einer sagen, es gäbe nur blinde Patrioten in Amerika. Der eigentliche Zeitpunkt eurer Rückkehr war ja 2001 das Thrash Of The Titans Benefiz-Festival. Kurz danach ist Paul gestorben. Was hat euch die Kraft gegeben, danach nicht sofort wieder aufzugeben, sondern euer Comeback wirklich durchzuziehen?
Im Prinzip hatten wir Glück, dass wir im Laufe unserer Karriere zwei Sänger hatten. Mit diesem Ausgangspunkt konnten wir auch nach Pauls Tod weitermachen. Wir lieben Paul und vermissen ihn jeden Tag. Er ist unser Bruder. Irgendwie fühlt es sich an, als hätte er zu Zetro (Steve Souza, Vocals, Anm. d. Verf.) während der Aufnahmen ein paar Mal Kontakt aufgenommen, um seine eigenen Schreie unterzubringen. Es hat ein ganzes Jahr gedauert, bis wir nach Pauls Tod wieder auf dem Damm waren, die Drogen weggelassen haben. Unsere Stärke kam dadurch, dass wir uns ständig immer gesagt haben, was wir vor Augen hatten. Wir haben uns mit diesem Album motiviert.
Für viele Fans ist Paul DER Exodus-Frontmann. Wie geht Zetro mit seiner Rolle um?
Er fühlt sich gut dabei. Auf „Tempo Of The Damned“ hat er so gut gesungen wie noch nie. So leid es mir tut, das sagen zu müssen, aber meiner Meinung nach hat er sogar einen besseren Job als Paul gemacht. Das soll jetzt den Respekt vor Paul nicht schmälern, es ist eine reine technische Sache. Zetro ist der bessere Sänger.
Ich glaube, Pauls Status liegt auch nicht in seinen stimmlichen Fähigkeiten begründet, sondern eher in seiner Persönlichkeit.
Ja, es war seine ungehemmte, absolut ehrliche Liebe voller Hingabe zum Metal, die ihn zu der Legende gemacht hat, die er heute ist.
Ein weiterer Tiefpunkt ist noch gar nicht so lange her: Eure Bonded By Metal Tour durch Deutschland. Woran lag es deiner Meinung nach, dass die Gigs so schlecht besucht waren?
Ja, in Deutschland hatten wir in der Tat einige Probleme. Uns ist eine Gitarre gestohlen worden, wir mussten einige der Vorgruppen nach Hause schicken. Das hat uns sehr leid getan, denn wir haben uns alle gut verstanden. Ich glaube der Grund war die anfangs hohe Anzahl von Bands. Es waren immerhin neun Stück. Das ist zu viel für eine Clubtour. Als es dann am Ende geschrumpft ist, wurden auch die Shows besser. Wir hoffen, die nächste Tour wird erfolgreicher.
Gibt es was Neues wegen der verschwundenen Gitarre?
Nein, wir haben nur einen der Security-Jungs an besagtem Ort, ich glaube Münster, im Verdacht. Bis jetzt wissen wir aber nichts Neues. Aber wir hoffen, dass sich das in Kürze aufklären wird.
Was habt ihr aus diesen Negativerfahrungen gelernt?
Vor allem, dass man keinem trauen sollte, der sich Security nennt. (lacht und fängt schwer an zu husten)
Du bist seit Anfang der 80er, also seit 20 Jahren, im Geschäft. Lass uns deswegen ein paar Dinge vergleichen im Bezug auf früher und jetzt. Ich gebe dir die Stichwörter.
Ok!
Bay Area
Sie hat ein Erdbeben mehr überlebt. (lacht) Aber im Prinzip kann man die damalige Szene gar nicht mit der heutigen vergleichen, weil die jetzige etwas völlig Neues ist. Aber natürlich funktioniert sie auch weiterhin gut. Das Chuck Billy Benefiz-Konzert (das oben genannte Thrash Of The Titans Festival, Anm. d. Verf.) hat wieder einiges ins Rollen gebracht. Neben uns sind auch Death Angel, die dort ebenfalls gespielt haben, wieder im Studio. Wir sind glücklich über diese Entwicklung.
Die Fans
Ja, die Shows machen mehr Spaß. Warum kann ich jetzt eigentlich gar nicht sagen. (lacht) Es macht einfach mehr Spaß.
Eure Kreativität und Arbeitsweise
Nein, da hat sich nichts verändert. Gary kommt mit einem Riff an und wir bauen das Lied drum herum. Dann üben wir uns den Arsch ab, um die Stücke zu lernen. Und dann geht es ins Studio.
Das Musikbusiness
Wir lieben es immer noch, weil es Spaß macht. Wir haben abends zwei Stunden einen supergeilen Job. And we fuck up the rest of the day. (lacht sich wieder scheckig) Welch bessere Arbeit kann man haben?!
Das Gefühl und die Stimmung innerhalb der Band
Wir sind immer noch eine Maschine. Unsere Liveshows werden besser und besser. Diesmal stoppt uns nichts.
Das Gefühl, auf der Bühne zu stehen
Es wird immer besser. Wir können es nicht erwarten, das neue Zeug zu spielen. Das wird ein Hammer und verrückt.
Euer Partyverhalten
Wir sind ruhiger geworden. (eine längere Pause im Hörer, bevor sich wieder Gelächter breit macht) Wir sind einfach älter geworden. Wir brauchen mehr Ruhe. Das ist der natürliche Gang der Dinge. Und wir wollen nicht enden wie Paul.
Was hat sich in den letzten 20 Jahren nicht verändert?
Wir werden definitiv nie eine Ballade schreiben. Das gilt auch für die nächsten Alben.
Das werden viele bestimmt gerne hören. Wann sehen wir euch wieder auf den Bühnen in unserer Nähe?
Wir sind gerade damit beschäftigt, einige Festivals zu booken. Im Sommer sind wir also wieder bei euch. Clubdates sind auch in Planung. Dieses Jahr werden wir exzessiv touren. Haltet eure Augen offen und ihr werdet uns nicht verpassen.
Abschließende Frage: Wie schätzt du die Chancen für eine ‚Bay Area Revisited Tour‘ mit Metallica, Death Angel, Testament, Anthrax und Exodus ein, auf der nur alte Songs gespielt werden dürfen? Jeder Thrash-Fan würde auf die Knie fallen.
Das ist durchaus möglich und keine schlechte Idee. Und vor allem ein hammermäßiges Billing.
Du sagst es. Danke fürs Interview. Die letzten Worte gehören dir.
Hey Leute, haltet eure Augen offen und sucht nach dieser blauen Gitarre.
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