Kamelot
The Shadow Tour live in München 2018
Konzertbericht
Mit „The Shadow Theory“ haben KAMELOT im April ein weiteres gutklassiges Melodic-Metal-Werk vorgelegt, welches jedoch so nahtlos an den Vorgänger „Haven“ anknüpfte, dass nach mehrmaligem Genuss ein schaler Beigeschmack von Beliebigkeit in den Gehörgängen zurückblieb. Um diesen endlich wieder loszuwerden, geben wir der Band daher rund ein halbes Jahr später die Chance, uns bei der Live-Show im Rahmen der „The Shadow Tour“ im Münchener Backstage von ihrer noch immer vorhandene Relevanz für die Szene zu überzeugen. Und – soviel sei bereits vorweggenommen – das wird ihnen auch auf fulminante Weise gelingen.
Gleich drei verschiedene Konzerte finden heute in den Räumlichkeiten des Münchener Backstage statt. Kein Wunder also, dass sich im Eingangsbereich eine ziemlich lange Schlange bildet, obwohl das „Werk“ bei weitem nicht ausverkauft ist. Insbesondere die Anhänger der parallel in der „Halle“ aufspielenden ungarischen Punk-Rocker TANKCSAPDA machen dabei mit alkoholschwangerem Gegröle lautstark auf sich aufmerksam. Der eigentliche Ärger beginnt jedoch weder hier noch beim leicht verspäteten Einlass, sondern eher damit, dass die als Opener aufspielenden VISIONS OF ATLANTIS bereits eine halbe Stunde vor dem offiziell angekündigten Konzertbeginn auf die Bretter geschickt werden. Während wir also noch auf der Suche nach dem heute gut versteckt platzierten Abendkassenhäuschen und der dort ausliegenden Gästeliste sind, haben sich die österreichischen Symphonic-Metaller bereits zu zwei Dritteln durch ihr Set gearbeitet – und die Einlassschlange weist noch immer eine beachtliche Länge auf.
Die Band selbst kann also nicht wirklich etwas für den eher verhaltenen Publikumszuspruch. Mit „The Deep & The Dark“ haben VISIONS OF ATLANTIS Anfang des Jahres ein starkes neues Album herausgebracht, dass konsequenterweise auch die heutige Setlist dominiert. Mit „Return To Lemuria“ versucht die Band jedoch eine elegante Brücke zum 2004er „Cast Away“-Album (und dem darauf enthaltenen Ohrwurm-Song „Lemuria“) zu schlagen und die langjährigen Fans in die Gegenwart mitzunehmen. In dieser hat anstelle der 2012 verstorbenen Nicole Bogner die Französin Clémentine Delauney das Gesangsmikro inne und macht dabei im Zusammenspiel mit ihrem männlichen Counterpart Siegfried Samer eine ausnehmend gute Figur. Gerne hätte man noch ein paar mehr Stücke von VISIONS OF ATLANTIS gehört – vielleicht sogar ein paar der echten „Cast Away“-Klassiker? – doch kaum ist der Zeiger zum offiziell angekündigten Konzertbeginn vorgerückt, müssen die Österreicher ihre Show bereits wieder beenden.
Dafür dürfen nach einer kurzen Umbaupause PHANTOM ELITE den Ball aufnehmen, die ursprünglich von Sander Gommans (ex-AFTER FOREVER) für die Live-Umsetzung seines HDK-Projekts ins Leben gerufen wurden. Inzwischen ohne Gommans zur eigenständigen Band gereift spielen die Holländer eine routinierte Show, die jedoch unter einem allzu konventionellen Riff-Repertoire leidet. Schaffen es PHANTOM ELITE hingegen, aus den bewährten Mustern auszubrechen, gehen alsbald Struktur und Überblick flöten, womit sie sich jedwede Chance auf Eingängigkeit komplett verbauen. Schade, denn spieltechnisch erlaubt sich die Truppe keine groben Schnitzer, während der Gesang ihrer brasilianischen Frontfrau Marina La Torraca immer wieder aufhorchen lässt.
Noch eine Vorband, erneut mit weiblichem Leadgesang – LEAVES‘ EYES zeigen sich mit Sängerin Elina Siirala in Höchstform. Der Szene-Gossip um die Trennung von Liv Kristine ist inzwischen verstummt, so dass sich Alex Krull und seine Mannen wieder voll auf das konzentrieren können, was wirklich zählt: die Musik. Tatsächlich wirkt die heutige Show wie eine komprimiertere Version ihres Headliner-Auftritts in der benachbarten „Halle“ im Mai – und die war ja bereits verdammt stark. Ob es die kostümierten Freizeit-Wikinger wirklich gebraucht hätte, die gleich mehrfach auf der Bühne aufmarschieren dürfen, nur um dort gleichermaßen dekorativ wie regungslos Spalier zu stehen, darüber mögen andere streiten. Wichtig ist vielmehr, dass LEAVES‘ EYES ihre folkigen Symphonic-Metal-Klänge engagiert und mit sichtbarer Spielfreude in die Menge feuern. Da verzeiht man auch dem sich in gewohnter Weise an der Interaktion mit dem Publikum berauschenden Alex Krull seine latente Affektiertheit gerne, die immerhin ganz unverhohlen ehrlich von Herzen kommt.
Als KAMELOT dann mit „Phantom Divine (Shadow Empire)“ in ihren Headliner-Set einsteigen, geben sie von der ersten Sekunde an Vollgas. Ganz ohne Videoscreens, Pyros oder anderen Schnickschnack lässt die fette Lichtshow reihenweise Kinnladen nach unten klappen und unterstreicht die musikalische Performance effektvoll. Während Gitarrist und Bandchef Thomas Youngblood seine Riffs mit einer geradezu stoischen Lässigkeit in die Menge feuert, nimmt Sänger Tommy Karevik das Publikum mit seiner ausdrucksstarken Mimik gefangen und gibt dabei aus dem Schatten seines „Assassin’s Creed“-Gedächtnis-Hoodies heraus auf höchst sympathische Art den Zeremonienmeister. Sowohl für die femininen Background-Akzente als auch für die harschen Growl-Passagen ist heute Gastsängerin Lauren Hart (ONCE HUMAN) mit an Bord, die zwar ihrerseits um keine große Geste verlegen ist, deren Klargesang es jedoch hier und da an Volumen mangelt.
Wo sich KAMELOT musikalisch nur noch weiter steigern und in einen regelrechten Rausch hineinspielen, wird das Blitzlichtgewitter erst einmal ein wenig zurückgefahren und in ein auf unaufdringliche Weise beeindruckendes Farbenspiel überführt, das den Rest des Abends für ein atmosphärisches Highlight nach dem anderen sorgt. Die Setlist dominieren derweil die Stücke der beiden jüngsten Alben „Haven“ und „The Shadow Theory“, wodurch deren enge Verwandtschaft nur noch deutlicher unterstrichen wird. In ihren Liveversionen wirken die Stücke aber nochmal um ein Vielfaches stärker und werden von den Fans beinahe ebenso begeistert abgefeiert wie der von „Rule The World“ und „The Great Pandemonium“ angeführte Reigen an Klassikern, die geschickt in den Set eingestreut werden.
Bei „March Of Mephisto“ wirkt es zwar ungewohnt, die im Original von DIMMU BORGIRs Shagrath beigesteuerten Growls aus dem Mund einer zierlichen jungen Frau zu hören, eine schlechte Figur macht Lauren Hart dabei jedoch weder akustisch noch im Hinblick auf die ganz großen, übertrieben theatralischen Gesten. Beim folgenden KAMELOT-Überklassiker „Karma“ kocht die Stimmung im Zuschauerraum dann endgültig über und das Publikum singt sich schon einmal für den unvermeidlichen Höhepunkt der Show warm, der in Form von „Forever“ den regulären Set beschließt. Hier wird dann nicht nur brav in jedes von Tommy Karevik vorgegebene Mitsingspielchen lautstark eingestimmt, sondern die Grundmelodie unter dem immer breiter werdenden Grinsen der zunehmend ihre Contenance verlierenden Musiker schier endlos wiederholt.
Angesichts dieser überschäumenden Stimmung ist es dann umso enttäuschender, dass der Zugabenblock mit „Liar Liar (Wasteland Monarchy)“ nur einen einzigen Song umfasst, bevor KAMELOT pünktlich um 23 Uhr die Bühne räumen. So wäre an diesem Samstagabend noch etwas mehr drin gewesen, wenn die Band dem fantastischen Konzertabend beispielsweise mit einem finalen „Center Of The Universe“ die Krone aufgesetzt hätte.
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