Converge, Crowbar, Thou und Grave Pleasures
Doom und Raserei
Konzertbericht
Mit CONVERGE, CROWBAR, THOU und GRAVE PLEASURES hat sich ein schweres Frühjahres-Paket für die europäische Freunde von Tiefton-Dampfwalzen und technischem Hardcore-Wahnsinn zusammenschnüren lassen, das an diesem milden Freitagabend auch die Kölner Essisfabrik bis an den Rand zu füllen vermag. Das Publikum trägt die Haare überwiegend kurz, die Windstein-Gedächtnis-Plauze vereinzelt stolz und in vielen Fällen Brille und Jutebeutel über der Schulter. Keine Frage, hier treffen Nola-Stoner der ersten Stunde auf die Hipster der Metal-Avantgarde – und das funktioniert soweit auch ziemlich gut.
Apropos erste Stunde: Hätte man die Facebook-Seite von GRAVE PLEASURES im vorhinein des Konzertes konsultiert und hätte einen wenige Tage zuvor veröffentlichten Beitrag gesehen, der dem geneigten Konzertgänger nahelegte, die Arbeit doch lieber zeitig niederzulegen, um Zeuge der Gesamterfahrung im Londoner Electric Ballroom zu werden, wäre man auf Rezensentenseite sicherlich besser auf den frühen Showbeginn vorbereitet gewesen. So verlegen und verkleben um halb acht Uhr am Abend allerdings schon THOU ihre Kabel und stimmen sich auf ihren Auftritt als zweiten Programmpunkt ein. Sehr schade, dieses.
Zum Glück ist Kollegin Kostudis entgegen ihrer sonstigen Natur am darauffolgenden Tag pünktlich im Leipziger Conne Island. Dort lauscht sie ihrerseits dem Band-Quartett. Und stellt alsbald fest, dass GRAVE PLEASURES wohl der bestmögliche Start in den Abend sind. Ihr von achtstündiger Autofahrt zermürbtes Hirn klammert sich nur allzu dankbar an die griffigen Melodien und Sänger McNerneys Bühnenpräsenz. Kaum ein Fuß, der angesichts der rollenden Dark-Post-Punk-Rock-Darbietung – oder welches Etikett man auch immer verhängen mag – nicht wippt. Geradeaus in der Musik, ein bisschen verschroben in der Show, kurzweiligste Unterhaltung und angemessene Aufwärmung für das Kommende. Wer sich GRAVE PLEASURES hat entgehen lassen – und das sind in Leipzig einige, wenn man den Füllstand der Halle bei den nachfolgenden Bands betrachtet – ist zu bedauern.
20 – 20.30 Uhr: THOU
Das Blackened-Sludge-Kollektiv aus Baton Rouge, Louisiana, startet um ziemlich genau 20 Uhr in sein mächtig wummerndes Set. Man kann sich gut vorstellen, dass Kirk Windstein und CROWBAR ihre helle Freude am heftig walzenden Sound von THOU haben, sodass die Beteiligung der Jungs und Mädels aus der benachbarten Großstadt an der Tour auch sicherlich kein Zufall sein dürfte. Fronter Bryan Funck gibt sich zwischen den Song-Monolithen ziemlich wortkarg und ist sich laut eigener lakonischer Aussage nicht ganz sicher, ob die „mysterious German crowd“ die Band auf der Bühne jetzt hasst oder nicht. Man darf das wohl verneinen, auch wenn nicht jeder CONVERGE-Fan so richtig mit dem massiven Zeitlupen-Riffing aus den Sümpfen Louisianas warm werden will. Zuletzt bleibt zu bemerken, dass THOU allesamt erstaunlich normal aussehen, für die hochgradig kaputte Musik, die sie spielen.
In Leipzig dürften sich solche Fragen nicht stellen – THOU fahren hier einiges an positivem Feedback ein. Vollkommen zu recht. Das fiese Gekeife Funcks und die dicken Riffs seiner Kollegen machen schlichtweg Spaß, wenn man auch nur den Hauch eines Nervs für den unteren bpm-Bereich hat. Die Musik steht im Vordergrund, übertriebenes Bühnengehabe sucht man vergeblich. Gut so, Äuglein zu und die volle Dröhnung in der nun doch schon gut gefüllten Halle genossen!
Galerie mit 21 Bildern: Crowbar & Converge - live in Leipzig20.55 – 21.50 Uhr: CROWBAR
Die Sludge-Legenden aus New Orleans um den sympathischen Riff-Zwerg Kirk Windstein haben eine Bühnenpräsenz, die genau so schwer und erhaben ist, wie der Sound von CROWBAR. Jemand, der mit seinem Basssound so erbarmungslos auf die Magengruben zielt wie Todd Strange, kann es sich auch leisten, über eben seiner ein grenzwertig spannendes Shirt mit der Aufschrift „I love my wife“ zu tragen. Der Gesamtsound ist indes mächtig, aber nicht optimal ausbalanciert. Gerade die Gitarrenharmonien leiden etwas unter der Basslastigkeit, auch wenn Windsteins Reibeisen-Stimme sich wie immer problemlos zwischen den Sound-Ebenen hindurchwindet. Das Publikum braucht zwar etwas, um auf Touren zu kommen – der Stimmung auf der Bühne tut das allerdings keinen Abbruch. Nach exakt zwei Songs muss sich Kirk Windstein eine neue Flasche Bier öffnen, das Tempo behält er bei, und es ist schön zu sehen, dass er und seine Mitstreiter auch nach mehr als einem Vierteljahrhundert noch Spaß an dem haben, was sie tun.
Eine knappe Stunde schwingt die Südstaaten-Brechstange durch ein gut zwischen Klassikern und aktuellem Material, Doom-Stampfern und Hardcore-Bolzen ausbalanciertes Set, und spielt dabei frei und ohne Allüren auf. CROWBAR erweisen sich einmal mehr als absolut sichere Live-Bank, die am Ende auch so manches CONVERGE-Kid für sich gewonnen haben dürfte.
CROWBAR waren für die Kollegin der auschlaggebende Grund, den Weg nach Leipzig anzutreten. Fehlenden Tour-ismus kann man der Band nun wirklich nicht vorwerfen. Doch die vergangenen Konzerte in der sächsischen Landeshauptstadt lagen immer ungünstig – nun wird also endlich ein Träumchen wahr. Auch, weil der Sound im Gegensatz zu Köln ordentlich ist. Die Saitenfraktion drückt geschlossen, aber dennoch differenzierbar Dezibel in die Ohren und Windsteins Organ hat keinerlei Hürden zu bewältigen. Mit der Nonchalance alter Business-Hasen und aufgeräumtem Geplapper sind CROWBAR ein heiteres Live-Erlebnis. Nur leider gefühlt ziemlich schnell am Ende der Setlist angelangt.
22.10 – 23.30 Uhr: CONVERGE
Um kurz nach zehn Uhr schaffen CONVERGE dann allerdings ziemlich schnell alle möglichen Zweifel daran, wer denn der wahre Headliner des Abends ist, aus dem Weg. Wie ein Feldspieler vor der Einwechslung springt Fronter Jacob Bannon sich am Bühnenrand warm, bevor das Gewitter über die versammelte Fanschar hereinbricht. Ein kurzes „Are you ready?“ und CONVERGE entfesseln ihre Live-Gewalt. Ziemlich schnell wird deutlich, dass CONVERGE den mit Abstand besten Sound des Konzerts liefern. Wie alle Beteiligten an diesem Abend sind die wegweisenden Hardcore-Punker extrem laut (tatsächlich sind bei diesem über vierstündigen Konzert-Spektakel der extremeren Sorte Gehörschutzvorkehrungen absolut empfehlenswert), klingen dabei aber enorm differenziert und facettenreich.
Die Songs des aktuellen Streiches „The Dusk In Us“ (hier vor allem das fast schon eingängige „A Single Tear“) kommen ebenso gut an, wie die zahlreichen Klassiker der Band. Zum ersten Mal bilden sich ausdauernde Circle Pits, Bannon lässt die ersten Reihen ins Mikrofon schreien und springt über die Bühne wie ein Derwisch. Das Ned-Flanders-Gedächtnis-Bart-Saiten-Duo Nate Newton und Kurt Ballou überzeugt durch absolute Präzision im Zusammenspiel mit Ben Koller an den Drums. Auch die Backing-Vocals sitzen fast schon unheimlich gut. Dem enormen technischen Anspruch der Musik von CONVERGE bei gleichzeitig beeindruckender Bewegungsintensität derart gerecht zu werden, ist schon ein absolutes Kunststück für sich.
Leichte Kritik muss sich Bannon für seine etwas schwächelnde Gesangs-Performance bei den eher CONVERGE-untypischen Tracks der aktuellen Platte gefallen lassen. Dafür gibt es allerdings nur einige minimale Abzüge in der B-Note, die wenig an einem ansonsten ziemlich mächtigen und gelungenen Auftritt ändern.
Von Headliner-Gerangel ist in Leipzig nichts zu spüren. Im Gegenteil, einige Teile des Publikums hängen schon mächtig in den Seilen, die großen Stufen im Seitenraum des Conne Island sind gut besucht. Im Hauptraum ist das nicht zu merken, dicht an dicht stehen die Hartgesottenen vor der Bühne. Den Kampf, aus der ersten Reihe noch an ein passables Bild zu kommen, nimmt die Kollegin gar nicht erst auf. Denn mit Bannons Startschuss zündet auch sofort das Publikum. Kein Wunder, CONVERGE machen ordentlich Dampf. Gleich zu Beginn eskaliert Bannon so arg, dass es für die Kollegin noch nicht so recht zur Musik passen mag. Nach den ersten, für sie eher ok-en Tracks mausert sich die Setlist aber zu einer dick beladenen Breitseitklatsche und der Abend wird wieder rund.
Insgesamt setzen THOU, CROWBAR, CONVERGE und sicherlich auch GRAVE PLEASURES an diesem Abend in Köln (und Leipzig!) eine deutliche Duftmarke, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch am Ende des Jahres noch nicht verflogen sein wird, wenn sich wieder die Frage nach den besten Live-Erlebnissen der vergangenen Monate stellt.
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