Ivar Bjørnson & Einar Selvik - Hugsjá

Review

Man muss sie eigentlich kaum jemandem vorstellen: Ivar Bjørnson (ENSLAVED) und Einar Selvik (WARDRUNA) sind zurück, um mit einer weiteren Kollaboration namens „Hugsjá“ wieder einmal die gemeinsame Vision von Folk auf Platte zu bannen und dabei die Grenzen zwischen den Genres etwas großzügiger auszuloten. Das Wort steht für das Sehen mit dem Verstand anstelle der Augen, da der Verstand – so die Idee hinter dem Konzept bzw. der Philosophie des Albums – oftmals weiter (voraus-)blicken kann als die Augen. Das ist natürlich nicht das erste Mal, dass Bjørnson und Selvik zusammenarbeiten. Bei „Skuggsjá“ hatte ihre Kollaboration allerdings noch eine markante Black-Metal-Einfärbung, die bei dem nun hier vorliegenden „Hugsjá“ fehlt. Besagter, schwarzmetallischer Einschlag hat meinen Vorredner noch nicht so recht überzeugen können; diese Ausbrüche sind nun gänzlich verschwunden, um einem deutlich mehr in Folk-Gefilden segelnden Schiff mehr Platz zum Manövrieren einzuräumen.

Ohne Black-Metal-Einflüsse ist „Hugsjá“ dennoch keinesfalls WARDRUNA 2.0

Was natürlich nicht heißen soll, dass wir deswegen jetzt einen WARDRUNA-Abklatsch vorliegen haben, auch wenn es dank der traditionellen Isntrumentierung, die Selvik beisteuert, natürlich die ein oder andere Überschneidung zum „Runaljod„-Zyklus gibt. Unabhängig davon haben Bjørnson und Selvik „Hugsjá“ schon eine eigenständige Note verpasst, die das Album doch von Selviks übrigem Œuvre abheben – sowohl von WARDRUNA als auch von „Snake Pit Poetry„. Der Unterschied liegt natürlich auf der Hand: Durch den vermehrten Einsatz konventioneller Rock-Instrumente – am prominentesten natürlich das Schlagzeug – klingt „Hugsjá“ deutlich rockiger. Zwar bringt Selvik wie gesagt immer noch eine ganze Reihe seiner traditionell-ritualistischen Klänge mit ins Spiel, doch teilen sich diese die akustische Bühne mit der konventionellen Instrumentierung.

Bjørnson und Selvik öffnen den Sound ein gutes Stück…

Das hat mitunter zur Folge, dass „Hugsjá“ schon sehr eingängig anmutet. „Oska“ erweckt mit seinen so gar nicht nach nordischer Kälte respektive Natur klingenden Melodien den Eindruck, ein Relikt aus der Post-Grunge-Ära zu sein. Die akustische Gitarre dominiert zusammen mit einem durchgängigen Schlagzeug-Beat im Viervierteltakt das Klangbild, leicht angezerrte Gitarren legen sich sanft darunter. Erst, wenn die Melodien allmählich aus dem Korsett der Konventionalität herausbrechen und fast schon eine orientalische Note annehmen, gewinnt der Song an Tiefe und erweckt den Eindruck, als würde man einem Stück von THE TEA PARTY lauschen. Kurzum: Hört man „Hugsjá“ zunächst unter der Annahme, große Folk-Magie – möglicherweise eben mit Black-Metal-Würze – und nichts anderes serviert zu bekommen, dann könnten einige der poppigeren Passagen des Albums den Hörer zunächst geradezu schockieren, was zum Beispiel auch auf die peppigen Gitarren von „Nordvegen“ zutrifft.

… zum Glück aber nicht zu weit

Doch ist diese Schwelle potentieller Entrüstung überwunden, so verbreitet sich Erleichterung ob der intensiven Atmosphäre, die Bjørnson und Selvik trotz Geradlinigkeit mit „Hugsjá“ heraufzubeschwören imstande sind. Bjørnsons Gitarre perlt meist glaskar über die Songs hinweg, während Selviks gewohnt überragender Gesang ein ums andere Mal für Gänsehautmomente sorgt. Besonders seien hier die Wechselspiele zwischen Selvik und einem von Stine Kobbeltvedt dirigiertem Chor hervorzuheben, die sich etwa bei „Ni Døtre Av Hav“ eine Art Frage-und-Antwort-Spiel liefern. Zum Rundumschlag von epischem Ausmaß holt der Refrain von „Fornjot“ aus, bei dem Selvik mit freundlicher Unterstützung von Hintergrundgesängen geradezu über den Song hinweg fliegt. „Nytt Land“ kommt recht rockig heraus und bringt ähnlich wie „Oska“ eine leichte, orientalische Würze mit. Durch seine verträumte Stimmung erinnert der Track stark an die neueren Werke des Steve Hackett, besonders natürlich „The Night Siren„.

„Hugsjá“ lädt zum Verweilen ein

Die Tatsache, dass Ivar Bjørnson und Einar Selvik ihren Sound etwas rockiger gestaltet haben, tut der Atmosphäre also letzten Endes keinen Abbruch und davor kann man schon mal den Hut ziehen. Denn wie oft spült der Weg hin zu mehr Eingängigkeit einen ansonsten intakten Sound zu sehr weich. Eine Stolperfalle, welche die beiden in diesem Falle erfolgreich umgehen. Das Album funktioniert zwar nicht so sehr auf intuitiver Ebene wie beispielsweise eben „Runaljod – Ragnarok“, gleicht das jedoch wiederum durch gutes, klar strukturiertes Songwriting aus. Der Schritt in Richtung mehr Rockigkeit ist also gerechtfertigt und sinnvoll umgesetzt. Somit ist den beiden wieder einmal ein kleines Juwel gelungen, dessen verträumte, weitläufige Klänge zum Verweilen einladen.

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13.04.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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3 Kommentare zu Ivar Bjørnson & Einar Selvik - Hugsjá

  1. April sagt:

    Schon genial, das kriegen Tenhi wohl endlich Mal nennenswerte Konkurrenz!

    1. The Bleak sagt:

      Konkurrenz? Wozu? Musik ist kein Wettbewerb.

      9/10
      1. April sagt:

        Das war auch eher so gemeint, dass endlich Mal jemand qualitativ gesehen, Tenhis bisheriges Erbe folgen kann und auch einen ähnlichen Musikstil verfolgt. Wobei ich – da Du es ja so genau nimmst – damit nicht sagen will, dass beide Bands jetzt gleich klingen, ganz im Gegenteil.