Hämatom
Studioreport und Interview zu "Bestie der Freiheit"

Special

Wir waren zu HÄMATOM ins Studio geladen, um einen Vorgeschmack auf das kommende Album „Bestie der Freiheit“ (VÖ: 26.01.2018) zu bekommen. Wir saßen einen Tag mit der Band im Studio und lauschten dem neuesten Album in der bestmöglichen Qualität – nämlich auf der Anlage, auf der es gemischt wurde. Dazu werden natürlich, wie es sich Business gehört, Sex, Drugs & Rock’n’Roll in appetitlichen Häppchen gereicht. Okay, wir übertreiben hier ein bisschen, aber wie es in den letzten Monaten und auf der Zielgeraden zum neuen Album für HÄMATOM gewesen ist, versuchen wir ein wenig mit dem folgenden Interview zu erfassen.

Mit noch ganz frischen Eindrücken der „Bestie der Freiheit“ begeben wir uns mit der Band in den Aufenthaltsraum, das Wohnzimmer oder besser: Den Lebensmittelpunkt der Jungs der letzten Monate. Der ist ausgestattet mit Billiardplatte, Mini-Fitnessbereich und Sofaecke, die zentral im Raum vor dem vollverglasten Giebelbereich des Obergeschosses steht. Wir haben natürlich ein paar Fragen, die uns so direkt nach dem ersten Durchhören unter den Fingernägeln brennen.

Das Smartphone von Süd vibriert kurz vorm Interview, was er mit „So, ganz professionell hier, Handy an. Ich mache das mal aus.“ kommentiert, nur um im nächsten Moment nochmal danach zu greifen, um es doch zumindest auf Vibration zu stellen. Ganz offline geht es eben trotz des letzten Albums auch nicht.

Ich hatte so das Gefühl, „Todesmarsch“ war dein Lieblingssong, Ost. An deiner Reaktion gemessen, während das Lied gerade lief.

Ost: Hattest du das Gefühl?

Na gut, jetzt seid ihr alle unter Masken, da kann man eure Emotionen schwer sehen, da muss immer ein wenig raten.

Ost: Wir haben keine Emotionen.

Süd: Ich hab geweint.

Ist also ein Vorteil unter der Maske zu sein. Wie oft hast du bei den Aufnahmen geweint?

Süd: Nie.

Ost: Ich hab alle Emotionen im Internet verkauft, deswegen hab ich keine mehr. Auf Emotion-eBay.

(Nachdem die einleitende Frage unbeantwortet blieb, kommt Ost nach dem Ausverkauf von Emotionen noch schnell auf die eigentliche Frage zurück, welche allerdings von vielen Musikern immer sehr ähnlich beantwortet wird.)

Ost: Aber du lagst jetzt nicht komplett daneben, so dass es nicht mein Lieblingssong gewesen wäre, aber so einen richtigen Lieblingssong hab ich gar keinen. Ich find’s total schwer, da jetzt irgendwie objektiv die Songs zu beurteilen. Weil du so in ’nem Tunnel drin bist, seit so einem dreiviertel Jahr, wo du kein Abstand mehr davon hast. Wenn man das jetzt 3-4 Wochen gar nicht hören würde, dann glaub ich, kommt es so langsam. „Todesmarsch“ ist deswegen ganz gut, weil die Umsetzung einfach mal komplett anders ist für uns.

Welches Orchester hat „Todesmarsch“ eingespielt?

Ost: Das HÄMATOM-Orchester. West spielt gerne mal …

(Eine Stimme, deren Herkunft unbekannt ist. wirft ein: „Die Arschgeige!“)

Ost (lacht, mit einem Blick in Richtung West): … Cello und Bratsche, fließend. Sagt er glaub ich so.

Süd: Ich spiele fließend Klavier.

Also selbst bei „Todesmarsch“ seid ihr für den gesamten Song verantwortlich?

Ost: Ja, auf jeden Fall. Und wir spielen das alles mit Masken ein. Wir haben das tatsächlich so gemacht diesmal, dass wir das komplette Album mit Masken eingespielt haben.

Du nimmst mir die Fragen vorweg.

Ost: Ach so, wolltest du das fragen? Also das war jetzt etwas gelogen mit „Todesmarsch“. Wir haben, glaub ich, die erste Geige nicht eingespielt, aber ansonsten (hustet theatralisch) alles.

WEST am Klavier

Alles?

Ost: (hustet nochmal) Alles!

Also das war vermutlich auch der Song, der am längsten gedauert hat insgesamt, oder?

Ost: Ja.

Süd: Also heutzutage wird natürlich hier und da mal etwas getrickst.

Ost: Aber ja, das darf man. Da, wo es geht, tricksen wir, aber alles was wir selber können, das wird schon versucht, irgendwie auf Platte zu bringen.

Süd: Dadurch entsteht so ’ne Mischung. Aber du brauchst auch diese Mischung, sonst würde es wirklich einfach nur nach so ’ner Klassik-Aufnahme klingen und heutzutage mischst du Dinge dazu, dann klingt es nach einer modernen Klassik-Aufnahme.

Was habt ihr dazu gemischt, um daraus eine moderne Klassik-Aufnahme zu machen? Auch über das gesamte Album betrachtet?

Ost: Synthies, wie du bestimmt gehört hast. Wir kommen eher aus der klassischen Ausbildung, oder haben eine klassische Ausbildung genossen. Im Kindheits- bis zum Jugendalter zumindest, bis es dann an die harten Metal-Instumente ging, aber ans Keyboard hat sich wirklich keiner gewagt von uns. Nord konnte es ein bisschen, aber da hat es fürs Album nicht ganz gereicht. Da hat uns der Vince ausgeholfen.

Süd: Also der Vince, unser Produzent, ist ursprünglich Keyboarder oder Pianist, wie er selber sagt.

Jetzt hattest du die Antwort ja bereits vorweggenommen, ihr habt das Album tatsächlich mit Masken eingespielt?

Ost: Wir haben das das erste Mal durchgezogen. Es war ein harten Kampf, war meine Idee, ich hab fast schon drauf bestanden, das einfach mal durchzuziehen. Vor allem den Recording-Prozess. Weil ich mir einbilde, das klingt jetzt etwas esoterisch, dass da eine andere Energie rüber kommt und dann haben wir das tatsächlich versucht bzw. durchgezogen und das gesamte Album mit Masken eingespielt.

Wie lange habt ihr gebraucht, um das einzuspielen? Also wie lange seid ihr tatsächlich hier im Haus mit Masken rumgelaufen?

Süd: Also wenn wir uns wirklich aufs Einschränken beschränken. Aufs Einspielen beschränken…

(Ost unterbricht an der Stelle lachend und wiederholt den Freudschen Versprecher von Süd. Greift lachend zum stummgeschalteten Smartphone, auf dem er mit den Worten „Ich muss das notieren“ den Notizblock im Gerät öffnet. „Ich notiere mir immer gerne geile Sprüche“, sagt er, während er tippt. Tatsächlich erfreuen wir uns den Abend noch weitere Male an dem Ausspruch, der wie schon im Interview freudiges Gelächter hervorruft. Hoffen wir, dass das Einschränken der Lieder für die nächsten Konzerte auch eher eingeschränkt stattfindet und wir viele neue, aber eben auch eine Menge alter Songs genießen dürfen. Unterdessen fährt Süd auf die Frage antwortend fort.)

Süd: Also reine Recording-Zeit haben wir so ein Tag pro Song gebraucht. Nur fürs Recording, da ist dann kein Mix dabei und es gibt eben dreizehn Songs und dann gibt’s nochmal drei Bonus-Songs, also haben wir sechzehn Songs aufgenommen. Was neu war, war die brutal ausführliche Vorproduktionszeit, da hatten wir auch nicht immer die Masken auf. Damit man so ein bisschen einen Überblick bekommen kann, oder eine Vorstellung, wie lange es dauert vom ersten Spatenstich zur Fertigstellung.

Was fällt dann alles unter die Vorproduktion?

Süd: In der Vorproduktion findet eigentlich ein Zusammensetzen von uns mit Demotapes statt, die dann nochmal komplett durch den Fleischwolf gedreht werden. Songwriting meist noch nicht, da ist Ost immer sehr fleißig. Wann war das erste Treffen? März, April?

Ost: März, April haben wir uns das erste Mal hier getroffen und dann ging das mit der Vorproduktion ziemlich schnell, weil wir bis dahin eigentlich schon 20 bis 30 Demos fertig hatten, die wir dann radikal ausgesiebt haben. Radikal heißt, der Vince hat den Daumen gehoben oder den Daumen gesenkt. Hier und da haben wir ein Veto eingelegt und gesagt: „Doch der Song ist trotzdem geil!“.

Welcher Song ist denn ein Veto-Song?

Ost: „Wehleidige Monster“ ist zum Beispiel ein Veto-Song. Den haben wir durchgesetzt und werden damit grade bestätigt, da die Reaktionen auf diese Song sehr positiv sind. Aber zurück zur Vorproduktion. Dann haben wir, bis glaub ich Ende September, an Demos geschraubt und die Songs richtig ausproduziert und dann ging es so gegen Oktober ins Studio zum Recorden, da wurden die Masken aufgesetzt und pro Tag ein Song aufgenommen, was wirklich ein sehr geiler Prozess war, weil wir beim Einspielen zusammen im Studio waren. Wir haben sogar heute früh noch Sachen eingesungen, weil wir mit der einen oder anderen Stelle nicht zufrieden waren. Diese Möglichkeiten hätten wir jetzt nicht, wenn man jetzt klassisch aufnimmt wie die letzten 10 bis 15 Jahre, so nacheinander. Das heißt, dass der Schlagzeuger ins Studio fährt und aufnimmt, dann geht der Gitarrist irgendwann hin und so weiter.

Die Frage lag mir tatsächlich auf der Zunge, ob das Album klassisch aufgenommen wurde, aber dann wurde der klassische Prozess bei euch übersprungen und dann waren quasi alle auf einmal hier.

Ost: Genau, wir haben uns alle hier zusammen gesetzt und dann wirklich sechzehn Tage lang, vielleicht ein paar mehr, weil wir nicht immer einen Song pro Tag dann geschafft haben, dann wirklich am Stück, pro Tag einen Song, abzuarbeiten.

Aber wenn jeder da ist, ergibt sich dann ja der Vorteil, dass der Drummer dann da nochmal sagen kann: „Ey Moment, das muss jetzt mal anders“.

Ost: Ganz genau, viele Kleinigkeiten wären sonst nicht passiert, das wissen wir aus Erfahrung, das ist ein sehr zeitaufwendiger Prozess, aber total sinnvoll, finde ich.

Süd: Und der Vincent, muss man auch sagen, der macht irgendwie nie den Deckel drauf. Eigentlich sind wir auch mit dem Mixen schon fast durch und wie gesagt, heute Morgen haben wir noch ein Gesangsstück geändert. Da ist er auch total aufgeschlossen, weil er merkt „Stimmt, da könntet ihr echt Recht haben“ oder wir hören zumindest mal den neuen Part an und dann schaut er nicht auf die Uhr und sagt „Ne, lass lieber zur nächsten Produktion warten“, sondern nimmt sich da die Zeit.

Also so ein gewisser Hang zum Perfektionismus?

Ost: Genau, da treffen wir uns aber ganz gut, da wir ähnlich gestrickt sind und irgendwie versuchen wir dann doch alle fünf, in dem Fall (Anmerkung: die Band und der Produzent), glücklich zu machen.
Süd: Perfektionistisch und ich find‘ auch auch leidenschaftlich, dass er nicht sagt, so „Mensch, krieg ich irgendwie auch nicht mehr Geld, wenn ich nochmal das Mikrofon anwerfe“. Das ist schon cool bei ihm.

Galerie mit 16 Bildern: HÄMATOM Album Release Tour 2018 - live in Hamburg

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13.12.2017

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